Lebensgefährliche Manipulation aus Frust?
Der mit Holzbremsklötzen ausgerüstete Mercedes ließ Ende Oktober Autofahrer, Automechaniker und Polizisten fassungslos zurück. Wir haben die Hintergründe und viele weitere Details.
Ende Oktober 2025 hat die Polizei einen Mercedes GLE 400 erwischt, der liegengeblieben war – weil seine Bremsklötze aus Holz bestanden. Wer macht so was und warum? Die Hintergründe scheinen dramatisch und der Fahrer hatte anscheinend unfassbares Glück, wie uns der Mann berichtet, den der ADAC mit seinem Abschleppwagen zu dem fraglichen Mercedes GLE 400 gerufen hat.
Thomas B. hat zirka 30 Jahre als Automechaniker gearbeitet, seit einigen Jahren arbeitet er für ein Abschleppunternehmen. Da sein Abschleppunternehmen Vertragspartner des ADAC ist, rief ihn dieser Ende Oktober nach Vaihingen an der Enz in den Stadtteil Aurich. Dort springe ein Mercedes GLE 400 nicht mehr an. Vor Ort angekommen, kam Thomas B. aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht anspringen war noch das kleinste Problem des Autos.Holzbremsklötze: Geruch von Kaminofen
Thomas B. hatte einen Abschleppwagen ohne Kran dabei – den brauchte er aber: Sämtliche Räder des GLE 400 waren blockiert. Also musste ein Abschleppwagen mit Kran her. Und die vorderen Felgen sahen für Thomas B. komisch aus – der dort angesetzte Staub hatte optisch nichts mit klassischem Bremsenabrieb zu tun. "Es hat gerochen wie ein Kaminofen.", wundert sich der Abschleppfahrer noch heute. Dann hat er mit der Taschenlampe hinter die vorderen Felgen geleuchtet – und das Holz in den Bremsen deutlich gesehen. Der Mercedesfahrer wollte zwar einfach nur noch nach Hause, aber Thomas B. hatte die Tragweite dieser Manipulation erkannt – und dem Mercedesfahrer einen Anruf bei der Polizei empfohlen. Die kam dann zeitgleich mit dem neuen Abschleppwagen am Abholort an.
Der Mercedesfahrer hatte das neu zirka 100.000 Euro teure SUV in einer Auktion ersteigert. Bevor er in Vaihingen an der Enz liegenblieb, war er mit den Holzbremsklötzen an der Vorderachse bereits mehrere hundert Kilometer auf der Autobahn gefahren. Dabei war die Bremswirkung anscheinend von Anfang an nicht gut – und ließ wohl permanent nach. In der Gegend um Vaihingen hat das Navi dem Mercedesfahrer dann die Umfahrung eines Staus vorgeschlagen. Nach kurzer Überlegung hat er sich für das Ausweichen auf die Landstraße entschieden – was ihm womöglich das Leben gerettet hat. In Aurich, kurz vor einer Doppel-S-Kurve, war die Bremsleistung dann so gering, dass der Fahrer anhielt – und das Auto nicht mehr starten konnte. Inzwischen war nämlich bereits viel Bremsflüssigkeit ausgetreten. Damit hätte es für ein Bremsmanöver vor dem Stauende auf der Autobahn wohl nicht mehr gereicht.Vorbesitzer hatte Leasingraten nicht bezahlt
Die Bremskolben hatten sich während der Fahrt tief ins Holz gedrückt, sodass der Zugang zu den Bremsleitungen undicht war. Zuerst anscheinend vorn links, danach auch rechts. Da der hydraulische Druck fehlte, waren die Bremsen blockiert – was in diesem Fall für den Fahrer gut war. Thomas B. mutmaßt, dass der Fahrer ein paar Meter weiter, in der Doppel-S-Kurve, ohne Bremswirkung in eine Hauswand geknallt wäre.
Die Polizei hat den Mercedes GLE 400 sichergestellt und ein Kollege von Thomas B. hat den Mercedesfahrer zu einem nahegelegenen Bahnhof gebracht. Der Fahrer hat auch etwas über die Herkunft seines Mercedes gewusst: Offenbar war der GLE 400 ein Leasingfahrzeug. Die Firma, die das große SUV geleast hatte, konnte aber anscheinend die Leasingraten nicht mehr bezahlen. Also hat die Bank, die in diesem Fall der Eigentümer und somit Leasinggeber war, das Fahrzeug zurückgeholt und per Auktion verkauft. In dem Auto lagen noch Zahlungsaufforderungen – auch von Bußgeldbehörden, wundert sich der Mercedesfahrer.Kein Einsatzzweck für Bremsbeläge aus Holz denkbar
Wer die Holzbremsklötze mit der ironischen Edding-Beschriftung "Brembo" in den Mercedes eingebaut hat, ist unklar – die Polizei Ludwigsburg hat dazu noch keine Ermittlungs-Ergebnisse bekannt gegeben. In sozialen Netzwerken sind kurz nach Bekanntwerden des Falls Gerüchte aufgetaucht, dass manche Werkstätten während Bremsen-Reparaturen Holzklötze als Platzhalter einsetzen. Vielleicht hat ein Mechaniker in diesem Fall diese Montagehilfen einfach im Auto vergessen? Automechaniker Thomas B. hält dies für abwegig – eine solche Vorgehensweise hätte er während seiner ganzen Karriere nicht erlebt. Bei abgenutzten Bremsklötzen bleiben die Reste aus Stahl drin – dann quietsche es zwar, aber das Auto bremst noch. Fehlen die Bremsbeläge, komme ein riesiger Zettel mit einer entsprechenden Warnung ins Auto.
Auch der ebenfalls geäußerte Verdacht, dass bei Übersee-Passagen Holzbremsklötze in die Bremssättel kommen, damit die Bremsscheiben wegen der salzigen Meeresluft nicht an den Belägen festkorrodieren, ist hier unwahrscheinlich – der Mercedes GLE 400 hat wohl seit seiner Entstehung Europa nicht verlassen. Falls der Vorbesitzer etwas mit den eigens auf Maß gefertigten und von der Polizei sichergestellten Holzbremsklötzen zu tun gehabt haben sollte, betont Thomas B., dass keine Werkstatt einem Kundenwunsch entsprechen würde, solche Bremsklötze zu verbauen. Entweder der "Auftraggeber" kannte jemanden bei der Werkstatt gut, oder er hat die lebensgefährlichen Holzbauteile selbst ins Bremssystem gebastelt. Da es noch keine gesicherten Erkenntnisse zu diesem Thema gibt, ist alles dazu reine Spekulation. Den hier genannten Anhaltspunkten dürfte die Polizei allerdings längst nachgehen.Dem Mercedes GLE fehlten die teuren Seitenschweller
Den sonstigen Zustand des GLE 400 beschreibt Thomas B. als gut. Allerdings hätten die Seitenschweller gefehlt – die gelten wohl als teures Ersatzteil. Warum diese Schweller tatsächlich gefehlt haben, ist wiederum nicht bekannt. Während die Bremsen an der Hinterachse im Originalzustand waren, müssen die Bremsen an der Vorderachse nun komplett neu gemacht werden. Dies könnte nach Einschätzung von Thomas B. zirka 5.000 Euro kosten – wenig im Vergleich dazu, was mit den nicht funktionstüchtigen Bremsen hätte alles passieren können.
