Zwischen eiserner Vorgabe und politischem Gummi

Am Freitag (12.09.2025) hat die EU-Kommission in Brüssel Spitzenvertreter der Automobilindustrie zu einem strategischen Dialog empfangen. Im Zentrum stand das geplante Aus für Neuzulassungen von Benzin- und Dieselfahrzeugen ab 2035.
Nach dem Treffen bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Industriekommissar Stéphane Séjourné mit führenden Managern und Verbandsvertretern kündigte die Kommission an, die bereits vorgesehene Überprüfung der 2035-Regeln vorzuziehen. Anstatt wie geplant 2026 soll die Revision bereits 2025 beginnen. Ursula von der Leyen erklärte anschließend: "Wir werden Dekarbonisierung und Technologieneutralität miteinander verbinden." Zugleich stellte sie klar, dass es angesichts des technologischen Wandels kein "Business as usual" geben könne.
2035 bleibt als Termin bestehen
Kommissionsvizepräsident Séjourné bekräftigte, dass das Jahr 2035 nicht infrage stehe: "Ich bin überzeugt: 2035 muss bleiben." Flexibilität sei aber notwendig, um soziale und wirtschaftliche Brüche zu vermeiden.
Die Kommission will in der anstehenden Revision unter anderem die besonderen Herausforderungen im Bereich Vans, die Schaffung eines Segments für kleine E-Autos sowie die Rolle möglicher CO₂-neutraler Kraftstoffe prüfen. Bereits im Mai hatte Brüssel den Herstellern mehr Flexibilität beim Erreichen der 2025-Flottenziele eingeräumt, indem die Werte über drei Jahre gemittelt werden dürfen.
Kritik schon vor dem Autogipfel
Aus der Industrie kamen im Vorfeld und nach dem Gipfel zahlreiche kritische Stimmen. Der Verband der Automobilindustrie monierte mangelnde Klarheit seitens der EU. VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte: "Eine starre CO₂-Regulierung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Transformation der gesamten Industrie." Sie forderte, beim nächsten Treffen im Dezember müsse die EU-Kommission "Klarheit schaffen".
Auch ACEA-Präsident und Mercedes-Chef Ola Källenius stellte das Ziel der Klimapolitik nicht infrage, kritisierte jedoch die gewählte Methode. "Es gibt keinen Zweifel, dass wir auf null Emissionen zusteuern. Aber ein reines Verbrenner-Verbot zu einem fixen Zeitpunkt ist zu eindimensional." Zudem verwies er auf die 250 Millionen Fahrzeuge, die in Europa bereits auf der Straße seien. Wer den CO₂-Fußabdruck wirklich verbessern wolle, müsse den gesamten Bestand berücksichtigen.
Schnieder will Rücknahme, Söder Abkehr
Auf der politischen Ebene forderte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) eine Rücknahme des Verbots. "Wir wollen eben, dass es auch möglich ist, über 2035 hinaus mit Verbrennungstechnologie zu arbeiten", sagte er im ARD-Interview. Unterstützung erhielt die Branche zudem von Vertretern der Unionsparteien sowie aus der EVP. CSU-Chef Markus Söder sprach sich bereits bei der IAA in München für eine komplette Abkehr von dem Beschluss aus.
Gegenteilige Positionen kamen aus der Industrie ebenfalls zu Wort. Audi-Chef Gernot Döllner sagte der "Wirtschaftswoche": "Ich kenne keine bessere Technik als das Elektroauto, um in den nächsten Jahren bei der CO₂-Reduzierung im Verkehr voranzukommen." Die ständige Debatte um den Erhalt des Verbrenners sei "kontraproduktiv und verunsichert die Kunden".
Auch der ADAC plädierte für eine zügige Klärung. Technikpräsident Karsten Schulze erklärte: "Die Zulassungszahlen steigen, die Fahrzeugkäufer lassen sich stärker auf Elektromobilität ein. Deshalb sollte der EU-Rechtsrahmen jetzt zügig geklärt und die ständigen Grundsatzdebatten dann beendet werden." Er forderte einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur, transparente und bezahlbare Ladepreise sowie verlässliche steuerliche Anreize.
Zusätzlich zur politischen Debatte verweisen Analysen darauf, dass die Branche trotz Unsicherheiten ihre Klimaziele erreichen könnte. Nach Daten der Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) sind fast alle Hersteller auf Kurs, ihre 2025 – 2027-Flottenziele zu erfüllen. Das International Council on Clean Transportation (ICCT) kommt für Lkw-Hersteller zu einem ähnlichen Ergebnis.