Das sagt der Verkehrsminister - und das die Statistik

Im Gespräch mit auto motor und sport lehnt Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder verpflichtende Rückmeldefahrten für ältere Autofahrer ab.
Der CDU-Politiker setzt auf Eigenverantwortung – Studien zeigen, dass ältere Autofahrer bei Unfällen häufiger Schuld haben und sich schwerer verletzen als andere Altersgruppen.
Keine Grundlage für Pflichten
Schnieder sieht aktuell keine belastbare Grundlage für eine Pflichtmaßnahme. Wörtlich sagt er im Interview mit auto motor und sport: "Laut Statistik ist die Anzahl der Unfälle bei älteren Menschen nicht signifikant höher als bei anderen. Solange ich diese Signifikanz nicht habe, sind solche Maßnahmen nicht notwendig. Andernfalls würde man Menschen Möglichkeiten nehmen und zudem zusätzlichen bürokratischen Aufwand schaffen. Ich sehe dafür im Ergebnis keine Grundlage. Die Zahlen geben das nicht her."
Zudem verweist er auf Selbstverantwortung und individuelle Unterschiede: "Es gibt viele Ältere, die mit diesem Thema sehr verantwortungsbewusst umgehen und sich selbst richtig einschätzen, nicht mehr fahren oder sogar den Führerschein abgeben. […] Wenn Sie heute einen 75-Jährigen sehen, ist das jemand anders als vor 20 Jahren. Starre Maßnahmen halte ich immer für schwierig."
Unfallverursachung und Risiken
Parallel zur politischen Debatte wächst der Anteil älterer Autofahrer (hier geht´s zu den besten Senioren-Autos). Nach KBA-Angaben waren im Jahr 2023 rund ein Viertel der Autofahrenden 65 Jahre und älter. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands zeigt: Eine große Mehrheit wünscht sich zusätzliche Sicherheitspuffer – neun von zehn Befragten würden ihren Führerschein unter bestimmten Bedingungen freiwillig abgeben, und 85 Prozent (85 %) halten verpflichtende Rückmeldefahrten ab 75 für sinnvoll.
Daten des Statistischen Bundesamts, ausgewertet von auto motor und sport, zeigen: Sind über 65-Jährige in Unfälle mit Personenschaden verwickelt, gelten sie in rund zwei Drittel der Fälle als Hauptverursacher. Für über 75-Jährige liegt dieser Anteil bei gut drei von vier Fällen. Gleichzeitig unterscheiden sich die typischen Fehlerbilder: Häufiger sind Vorfahrtsverstöße sowie Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Anfahren; seltener sind Tempoverstöße, zu geringer Abstand oder Alkohol als Ursache.
Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) verweist auf ein deutlich steigendes Verletzungsrisiko mit zunehmendem Alter: Für Insassen jenseits der 50 Jahre ist es je nach Crashkonstellation bis zu dreieinhalbmal höher als bei Jüngeren. Trotz sichererer Fahrzeuge hat sich die Schutzwirkung klassischer Rückhaltesysteme wie Gurte und Airbags für ältere Körper wenig weiterentwickelt, was die Folgen eines Unfalls verschärfen kann.
Rückmeldefahrten als Sicherheitsinstrument
Die Debatte wird durch die EU-Führerscheinrichtlinie befeuert. Während die Kommission zwischenzeitlich Gesundheitsprüfungen und Tests ab 70 diskutierte, plädiert der TÜV-Verband für verpflichtende, aber nicht sanktionsbewehrte Rückmeldefahrten ab 75 – begleitet von geschulten Fahrtbeobachtern und mit individueller Beratung. Dafür gibt es in der Bevölkerung breite Zustimmung, auch bei über 65-Jährigen, so der TÜV-Verband.
Die Position des Ministers stellt die Wahrung von Mobilität und die Vermeidung pauschaler Pflichten in den Vordergrund. Die Zahlenlage verweist zugleich auf spezifische Risikoprofile älterer Fahrer – weniger Unfälle insgesamt, aber höhere Verursacheranteile in den Fällen mit Personenschaden sowie ein erhöhtes Verletzungsrisiko. In der Praxis spricht vieles für niedrigschwellige Instrumente wie Rückmeldefahrten und gezielte Aufklärung, ohne formale Prüfpflichten oder Sanktionen.
Senioren-Selbsttest
Wer eine oder mehrere der folgenden Fragen mit "Ja" beantwortet, sollte zeitnah ärztlichen Rat einholen oder eine freiwillige Rückmeldefahrt mit Fahrtrainer in Betracht ziehen:
- Verlieren Sie beim Fahren gelegentlich die Orientierung?
- Erkennen Sie andere Verkehrsteilnehmer, Ampeln oder Schilder zu spät?
- Haben Sie Probleme, Gas-, Kupplungs- oder Bremspedal sicher zu bedienen?
- Hören Sie Warnsignale oder Verkehrssituation akustisch verzögert?
- Fällt es schwer, Schulterblicke auszuführen oder den Kopf weit genug zu drehen?
- Werden Sie auf unbekannten Strecken schnell nervös?
- Hupen andere häufig wegen Ihres Fahrstils?
- Gab es zuletzt mehr Beinahe-Unfälle?
- Fühlen Sie sich am Steuer unsicher, schläfrig oder schwindelig?