Wann lohnt es sich, einen Stau zu umfahren?

Autobahn dicht, Navi schlägt Umweg vor – aber lohnt sich das wirklich? Wer im Stau die richtige Entscheidung trifft, spart mehr als nur Zeit.
Bei Stau auf der Autobahn bleiben oder besser abfahren? Wer regelmäßig lange Strecken fährt, kennt dieses Dilemma. Die Entscheidung ist nicht nur eine Frage der Geduld, sondern auch der Logik. Denn was im Navi nach einem cleveren Schachzug aussieht, kann in der Realität auch das Gegenteil bewirken.
Während das Fahrzeug auf der Autobahn in der Stop-and-go-Kolonne verharrt, juckt es vielen im Gasfuß: einfach raus, frei fahren, Zeit gutmachen. Doch laut Stauforschern wie Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen bringt das nur selten einen echten Vorteil. "Wer bei einem normalen Stau die Autobahn verlässt, fährt oft in noch größere Probleme", sagt der Forscher gegenüber der dpa. Der Grund: Nachgeordnete Landstraßen sind nicht auf hohes Verkehrsaufkommen ausgelegt. Ampeln, Zebrastreifen, landwirtschaftlicher Verkehr – die Summe dieser Hindernisse drückt die Durchschnittsgeschwindigkeit drastisch.
Ein Vergleich macht das deutlich. Im zähfließenden Verkehr lassen sich im Schnitt noch rund 10 km/h erreichen. Bei fünf Kilometern Stau bedeutet das etwa 30 Minuten Fahrtzeit. Verlässt man jedoch die Autobahn und trifft auf eine Ortschaft mit Tempo 30, stockendem Verkehr und vier Ampeln, ist dieser Zeitvorteil schnell verspielt. Dazu kommt: Während man auf der Autobahn früher oder später wieder rollt, sind Alternativstrecken nicht selten Dauerbaustellen und das kann noch mehr Zeit und Nerven kosten.
Wann sich Abfahren trotzdem lohnt
Die einzige Konstellation, in der sich das Verlassen der Autobahn tatsächlich lohnt, ist die Vollsperrung – zum Beispiel nach einem Unfall oder bei einer polizeilichen Maßnahme. In solchen Fällen geben Navi-Apps mit Echtzeitdaten wie Google Maps, TomTom oder die ADAC-App wichtige Hinweise. Dabei gilt: je großräumiger die Umleitung, desto besser. Ein Abstecher über parallele Landstraßen funktioniert nur dann, wenn sie nicht bereits von anderen genervten Fahrern verstopft sind.
Ein unterschätzter Faktor bleibt die Uhrzeit. Wer antizyklisch unterwegs ist – etwa nachts oder am späten Vormittag – hat bessere Chancen, auf Nebenrouten wirklich Zeit zu sparen. Auch die Wahl des Wochentags kann entscheidend sein: Freitagnachmittags und am Wochenende herrscht auf Nebenstrecken oft mehr Verkehr als auf der Autobahn.
Und dann ist da noch der Erlebnisfaktor. Wer Zeit hat und nicht zwingend auf Minuten achten muss, kann mit dem Abfahren gewinnen – zumindest emotional. Entschleunigtes Fahren über Land, unbekannte Ortschaften, der spontane Zwischenstopp beim Dorfbäcker – das kann entspannender sein als der Blick auf das dritte Bremslicht in der Stauschlange.