VW AG insolvent ... in Russland … vielleicht

Ein neu gegründetes Moskauer Unternehmen will ein Insolvenzverfahren gegen die Volkswagen AG in Russland einleiten. Die Firma AO Kameya beantragte laut der Wirtschaftszeitung "Kommersant" beim Moskauer Arbitragegericht die Eröffnung des Verfahrens.
Hintergrund ist ein Urteil aus dem Jahr 2024, das den Konzern zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt. Juristen halten die Chancen jedoch für minimal, da Volkswagen kaum noch Vermögen in Russland besitzt.
Am 23. Juli 2024 hatte das Arbitragegericht der Region Nischni Nowgorod Volkswagen zur Zahlung von 16,9 Milliarden Rubel (rund 174 Millionen Euro) Schadensersatz und entgangenem Gewinn verurteilt. Hinzu kommen 40.050 Euro sowie 119.000 Rubel (etwa 1.200 Euro) Gerichtskosten. Der Anspruch geht auf die Kündigung eines Vertrags zur Montage von Skoda- und VW-Fahrzeugen beim russischen Hersteller GAZ im Frühjahr 2022 zurück – kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Forderung an Kameya verkauft
Ursprünglich hatte das Nischni Nowgoroder Automobilwerk NAZ (früher GAZ) die Forderung geltend gemacht. Im März 2025 verkaufte NAZ den Anspruch für 120 Millionen Rubel an Kameya. Das Unternehmen ist laut "Kommersant" auf den Aufkauf und die Eintreibung solcher Forderungen spezialisiert.
Juristisch will Kameya das Urteil in ein Insolvenzverfahren überführen. Experten sehen jedoch geringe Erfolgsaussichten, da Volkswagen bereits im Mai 2023 seine russischen Tochtergesellschaften, darunter das Werk in Kaluga, an den Investor Art-Finance (heute AGR Holding) verkauft hat.
Unsicherheiten um Porsche-Beteiligung
Laut "Kommersant" könnte Kameya versuchen, auf Anteile am Porsche-Zentrum Moskau zuzugreifen. Das Autohaus gehört zur Volkswagen-Gruppe und betreibt einen großen Showroom in der Hauptstadt. Ein früherer Arrest dieser Beteiligungen wurde jedoch im Sommer aufgehoben. Juristen sehen daher erhebliche rechtliche Hürden.
Volkswagen äußert sich nicht inhaltlich
Die Volkswagen AG wollte sich auf Anfrage der "Berliner Zeitung" nicht zu den Vorgängen äußern. Ein Sprecher erklärte: "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns seitens der Volkswagen AG zu laufenden Gerichtsverfahren grundsätzlich nicht äußern. Abgesehen vom bekannten Gerichtsverfahren mit der GAZ-Gruppe liegen uns keine Informationen über einen Insolvenzantrag von Kameya in Bezug auf die Volkswagen AG vor." Ob der Konzern noch Vermögenswerte in Russland besitzt oder Verbindungen zum Porsche-Händler in Moskau bestehen, ließ VW offen.
Der Moskauer Anwalt Georgi Suchow sagte laut "Kommersant", ein Insolvenzverfahren habe "alle Chancen, eingestellt zu werden", wenn kein eigenständiges Vermögen in Russland vorhanden sei. Andere Juristen betonen, dass solche Verfahren gegen ausländische Unternehmen nur möglich sind, wenn diese überwiegend im Land tätig sind oder ein ständiges Vertretungsbüro sowie relevante Vermögenswerte vor Ort haben.
Kameya selbst veröffentlicht keine Informationen zu ihren Eigentümern. Geschäftsführerin ist Oksana Kalinina, die im Juni auch die Firma AO Areka übernommen hat.
Wirtschaftlicher Kontext
Seit dem Rückzug von Volkswagen aus Russland haben auch andere Konzernmarken wie Porsche und MAN ihre Aktivitäten eingestellt. Gleichzeitig füllen chinesische Hersteller zunehmend die Lücke auf dem russischen Markt. Die russische Wirtschaft verzeichnet derzeit eine wachsende Zahl von Insolvenzen, ausgelöst durch gestiegene Kreditkosten und anhaltende Unsicherheit.