Aston Martin DBS Superleggera im Test
Mit dem DBS Superleggera will Aston Martin den Über-Gran-Turismo schlechthin geschaffen haben. Ob die bescheidenen Briten recht behalten, was die Talente des von einem V12- Biturbomotor angetriebenen Coupés betrifft?
Reichtum zählt ja zu den Fieslingen dieser Welt, tritt er doch meist nur singulär auf. Reich an Geld, Schönheit und Intelligenz zusammen? Passiert eher selten. Erschreckend selten. Trifft ein bisschen auch auf die Sportwagen von Aston Martin zu. Etwaige Kritik an ihrer Ästhetik lassen sie gerne an ihren perfekten Proportionen abperlen, auf den wenigen scharfen Kanten verdampfen oder über die zahlreichen exakt geschwungenen Rundungen wegsickern. Haken dran, so weit, so Traumwagen. Auch und vor allem der neue DBS Superleggera.
Findet sich da noch mehr als unzweifelhaftes Design? Beim Vorgänger: nein. Beim DBS: müsste zumindest. Und da der humorlose Deutsche, der in erheblicher Anzahl die auto motor und sport-Redaktion bevölkert, es immer ganz genau wissen will, schiebt der den zusätzlich Superleggera (in Anlehnung an die Karosserieschmiede Touring) betitelten 2+2 auf die Waage. Daraufhin formen die strengen Digitalziffern ihres Displays die Kombination 1.896, Kilogramm natürlich.
Da denkst du dir, dass der von den Briten selbst entwickelte V12-Biturbomotor ganz schön was zu tun bekommt, wenn noch der Fahrer und bei den Messfahrten sogar noch ein Beifahrer drinsitzt. Immerhin, die Gewichtsverteilung durch das nach dem Transaxle-Prinzip an der Hinterachse montierte Achtstufen-Automatikgetriebe passt: 51,5 Prozent vorn, 48,5 hinten.
Drin und weg
Einsteigen, kurz per Tasten am Mitteltunnel die Sitzposition zurechtfummeln. Sie findet sich schnell, tief, wunderbar integriert, und den Sitzen selbst traust du jetzt schon weit mehr zu, als in ihrer eigenwilligen Lederprägung auffällig aussehen zu können. Den prominenten Startknopf drücken. Helles Sirren des Anlassers. Das mit 9,2 : 1 verdichtete 5,2-Liter-Triebwerk zündet in der Reihenfolge 1-7-5-11-3-9-6-12-2-8-4-10, bricht aus seiner Ruhe heraus, tief gurgelnd, verharrt bei 750 Umdrehungen. Je zwei Tasten links und rechts vom Startknopf geben dem Getriebe Order. Ganz rechts: D.
Einrollen. Keine Aggressivität, keine Hetze. Trotz 725 PS Höchstleistung, einem maximalen Drehmoment von 900 Newtonmetern (bei 1.800/min), der Bereitschaft, 7.200 Touren drehen zu wollen: Der DBS macht es dir einfach, einfach zu fahren. Weil er dir vom ersten Meter an das Gefühl gibt, dass du es bist, der seinen Reichtum verwaltet. Seinen Reichtum an Leistung und fahrdynamischem Talent, obwohl er alles das, was der fix ansprechende kurzhubig ausgelegte V12 bietet, an die Hinterachse schickt. Immer, jederzeit.
Und alles kommt da an, wo es hinsoll – auf der Straße. Weil: an alles gedacht, die Aston-Jungs. Und Mädels. Dem Aluminium-Chassis hohe Steifigkeit in die Profile zu kneten, in die Vorderachse mit doppelten Dreiecksquerlenkern und die Multilenker-Hinterachse samt Stabis, adaptiven Dämpfern und Stahlfedern ein Set-up hineinzukonstruieren, das die mechanische Traktion weit oben hält. Kein Haftungsabriss bei schnellen Etappen auf welliger Autobahn, ein in Kurven erst spät wegwischendes Heck. Und bei alledem: Federungskomfort, erstaunlich viel, speziell im GT genannten Aufstart- Modus. Auf Sport oder Sport Plus straffen sich die Dämpfer, klar, jedoch nicht bis zur Unkenntlichkeit, eben so weit, wie es wohl die meisten bei einem Sportwagen dieser Leistungsklasse erwarten würden.
Ach ja, Sportwagen, da war doch was. Auch wenn Aston Martin den DBS eher als die Krönung der Gattung Gran Turismo betrachtet. Also: scharf schalten. Der Antrieb lässt sich separat von den Dämpfern in drei Modi konfigurieren, die Regelelektronik ebenfalls. Hahn auf, Schub. Du spürst, wie sich das exaltierte Ledermuster durch die Klamotten im Rücken abzeichnet, der V12 rast feurig durch sein breites Drehzahlband, wenngleich es das Getriebe nie zur Gänze ausnutzt – auch weil es nicht muss. Das Drehmoment, Sie wissen schon. Dessen Fülle lässt eine rasche Leistungsexplosion mit ebenso rascher Talfahrt der Drehmomentkurve erwarten. Stattdessen: höllische Harmonie, Gewalt mit Streichorchester, homogenes Zelebrieren von Leistung, begleitet von metallisch-mechanisch tobender Wut, aber eben nicht: Zorn.
Das Getriebe lädt durch, jetzt, am Limit immer passend. Im Alltag dagegen hier und da mal etwas unentschlossen, aber immer sanft und fix. Selbst schalten? Geht auch, mit langohrigen Metallpaddeln, die aus der Lenksäule wachsen. Beim Abbremsen feuert der V12 fetzige Zwischengastuschs aus den vier Endrohren, auf dass der Asphalt salutiere. Dann übrigens ploppt das Ledermuster wieder aus deinem Rücken heraus, so tapfer verzögert der schwere Wagen. Beim Beschleunigen indes hoffst du noch, dass es an der wunderbaren Leistungsentfaltung des V12 liegt, dass das Gefühl der ultimativen Wucht ausbleibt, sich jedoch mit dem Auslesen der Messwerte relativiert.
Tja, und dann liest du aus – und nichts relativiert sich. Schon beim Sprint von null auf 100 km/h reißt der DBS die Vorgabe mal eben um vier Zehntel, schafft die Disziplin nicht schneller als in 3,9 Sekunden. Und auf 200? Wo doch der Schub des Biturbo scheinbar erst im letzten Winkel des alten Empires enden will? Da benötigt der DBS 11,1 Sekunden. Ja, schnell, irgendwie. Und auch: packend. Nur: Bedeutend schwerere und erschreckend günstigere Limousinen toben nochmals gewaltiger die Messgeraden hinauf. Und auch wieder hinunter.
Rum ums Eck
Also doch nur wieder reich an Schönheit, dieser Aston? Beinahe. Da aber das Leben bei allem Reichtum nicht nur aus Geraden besteht, kann der DBS fahrdynamisch seinen Preis rechtfertigen. Macht er. Und wie. Denn der Superleggera lebt trotz seiner Masse Kurven, verzichtet dabei auf überbordende Technik (wo zum Teufel kommt das Gewicht her?). Es fällt leicht, ihn in die Ideallinie einzuklinken, engagiert grippen die Vorderräder, die Leistung rufst du gefühlvoll mit dem rechten großen Zeh ab, spürst über die wunderbar exakt kalibrierte elektromechanische Lenkung, was vorne, im Gesäß, was hinten passiert. Klassischer Sportwagenbau, ohne Wankstabilisierung, ohne Hinterachslenkung, ohne alles.
Du bist das Zentrum, die Technik spielt dir zu, nur die schiere Größe des DBS zwickt gelegentlich zu viel von der Konzentration ab, die du auf das Fahrerlebnis verwenden wolltest. Darauf, wenn doch die Gleitreibung vorbeischaut und das mechanische Sperrdifferenzial (40 % Zug, 38 % Schub. ein paar Ecken in den Kurvenverlauf boxt, weil es sofort wieder Grip an die Hinterräder kleben will.
Aber selbst dann: Freude, weil du alles, aber auch wirklich alles spürst, was passiert. Wer jetzt mault, dass eine Hydrauliklenkung alles besser könne, zahlt die nächste Runde. Denn er wird den Beweis schuldig bleiben. Also dann die Regelelektronik verteufeln? Nicht wenn sie derart pingelig appliziert ist wie im DBS, im Track-Modus viel Freiheit erlaubt, schnell die Leistung wieder freigibt – oder gar nicht erst gewalttätig kappt. Abschalten? Geht auch.
Stichwort schalten: Jetzt, wenn du von einer Kurve zur nächsten tobst, solltest du selbst die Gänge wählen. Warum? Das Getriebe wirkt zuweilen unentschlossen, wenn du es machen lässt, hängt hier mal übertrieben im kleinen Gang, schaltet dann wieder zu schnell hoch. Also selber machen, selbst fahren, selbst erleben.
Er beschenkt dich reich, der Aston. Spart sich dabei Assistenzsysteme und ein modernes Infotainment – abgesehen vom Regenschirm im Kofferraum, der Zuziehhilfe für die Motorhaube, der elektrisch betätigten Abdeckung der Mittelkonsole sowie der irren B & O-Audioanlage.
Für den ultimativen GT, den Aston Martin im Superleggera sieht, erscheint das zu wenig. Speziell in Anbetracht des Preises, für den der Käufer teils absurde Spaltmaße und Luftausströmer ertragen muss, deren haptische Wertigkeit die eines Eiskratzers problemlos unterbietet. Schauspielerin Sharon Stone lag also nicht daneben, als sie zu Protokoll gab, dass es „gar nicht so leicht ist, so schön zu sein, wie man aussieht“.