Audi TT Roadster
Gutes Design ist möglichst wenig Design, und davon hat der smarte Audi TT Roadster genug. Er ist noch puristischer als das Coupé, mit dem er die Technik teilt.
Das Audi TT Coupé hat sein anmutiges Haupt auf dem Altar der Schönheit geopfert, um das der Gaffer und Gläubigen zu verdrehen. Die Schultern von der Last befreit, tarnt der Audi TT Roadster seine Blöße nur manchmal mit einer leichten Mütze.
Das Volk will seine Helden lieber kopflos sehen, denn erst so wächst aus der Bewunderung mystische Verklärung. Aber kann ein Torso schöner sein als das unversehrte Ganze? Die Frage polarisiert genauso wie das Auto, doch die Nachfrage gibt ein leichtes Plus für das bereits vor Jahresfrist eingeführte Coupé zu erkennen. Dabei fehlt es dem offenen Audi TT Roadster, der nun mit weitgehend identischer Technik auf den Markt kommt, keinesfalls an Eigenständigkeit und – in Gestalt der beiden silberglänzenden Überrollbügel etwa – an stilistischen Höhepunkten.
Einen weiteren darf zumindest noch der Kopf des Fahrers setzen, der ansonsten unterhalb der Flanken schicklich verborgen bleibt. Umgekehrt ist auch sein Ausblick über die hohe Gürtellinie des Audi TT Roadster etwas eingeschränkt, doch er findet Ablenkung im Innenraum. Noch das kleinste Detail wirkt edel und ordnet sich dem Gestaltungsprinzip sichtbar gemachter Funktion unter.
Dabei sind die Aluminium-Attribute mehr als bloßer Zierrat in der schwarzen, an die Schrumpflack- Optik klassischer Ferrari- Motoren erinnernden Cockpitlandschaft. Sie leiten durch die Bedienung und unterstützen taktil das Gefühl höchster Präzision. Hier verbinden sich schmale Blechfugen, peinlich genau eingepasste Innenverkleidungen und eine ungewöhnlich steife Karosseriestruktur zu einem Soliditätseindruck, der derzeit wohl von keinem anderen Cabrio übertroffen wird. Als Vertrauen bildende Maßnahme dienen beim Audi TT Roadster verstärkte Schweller, Seitenaufprallschutz sowie stabile Verankerungen des hochfesten vorderen Scheibenrahmens und der Überrollbügel in der Bodengruppe, subtil untermauert von den als Kniestütze ausgeformten Streben zwischen Armaturenträger und Getriebetunnel. Auch das sauber verarbeitete, straff sitzende Stoffverdeck vereint Formschönheit mit Funktionalität.
Der Audi TT Roadster hat eine heizbare Glasheckscheibe, bleibt selbst bei Wolkenbrüchen dicht und verursacht viel weniger Windgeräusche als das eines BMW Z3.
Mit seinem unverkleideten Gestänge verkörpert es einmal mehr die zum Stilprinzip erhobene Schlichtheit des TT, die durch die Raffinesse hindurchgegangen ist. Die Bedienung macht wenig Mühe: den Griff am vorderen Dachrahmen um 180 Grad drehen, zurückklappen – fertig. Da verzichtet man gern auf die elektrische Betätigung (1450 Mark), zumal die Öffnung dann 15 statt zehn Sekunden dauert und der Fahrer ohnehin aussteigen muss, um die fummelige Persenning zu montieren. Immerhin fügt sie sich nicht nur in die Karosserielinie, sondern auch in den geräumigen Kofferraum (bei Frontantrieb 220 Liter) sauber und problemlos ein.
Mit dem Platzangebot im Innenraum haben zwei Insassen ebenso wenig Probleme. Ein Gefühl von Enge tritt schon wegen der weit nach vorn gerückten Windschutzscheibe nicht auf, und die lederbezogenen Sitze bieten neben Bequemlichkeit und guter Seitenführung einen Verstellbereich, der selbst sehr großen Fahrern eine passende Sitzposition ermöglicht. Armaturen und Bedienhebel sind sinnvoll angeordnet, aber man vermisst eine Führung der Gurte in Schulterhöhe. Roadster-Fahrer der alten Schule bemängeln zudem die mäßige Frischluftzufuhr. Statt eines Orkans auf stürmischen Höhen dringt nur ein laues Lüftchen ins Cockpit.
Schon mit hochgefahrenen Seitenscheiben bleibt kaum noch die Chance auf Sonderurlaub via Krankenschein, der Mehrpreis für das elektrisch in Position gebrachte Glaswindschott (850 Mark) erspart sogar Reparaturen der Föhnfrisur. Immerhin: Man badet in Licht, Luft und Farben, und der Duft von Fichtennadeln kommt nicht aus der Flasche. Doch an einer Überdosis Natur geht hier niemand zu Grunde, zumal Audi gegen weitere Risiken und Nebenwirkungen vorgebeugt hat. Wer auf den Ohrenschmaus eines betörenden Sounds hofft, wird jedenfalls von beiden derzeit lieferbaren Antriebsquellen des TT enttäuscht. Es handelt sich jeweils um 1,8-Liter-Vierzylinder mit Turboaufladung, die im technisch verwandten A3 keine schlechte Figur abgeben.
Auch im TT Roadster kann man schon mit den 180 PS des Basismodells gut leben, aber den motorischen Reiz eines BMW Z3 mit dem leistungsmäßig vergleichbaren 2,8-Liter-Sechszylinder vermag es nicht zu entfalten.
Dazu fehlt es an Klang und Drehmoment, obwohl der Maximalwert (235 Nm) schon bei 1950/min anliegt und danach ein kräftiger Schub einsetzt. Gemessen am Hubraum und dem nicht gerade geringen Gewicht des Roadsters sind die Fahrleistungen fraglos adäquat, doch als waschechten Sportwagen qualifizieren sie den Basis- TT nicht. Mehr noch verhindert das in den Augen von Traditionalisten der Frontantrieb, weil man dem Heck nicht mittels Lenkeinschlag und Gaspedal zu einem munteren Eigenlenkverhalten verhelfen kann. Für Geradeauslauf oder Fahrsicherheit ist dies hingegen von Vorteil: Der frontgetriebene Audi bleibt im Gegensatz zum Quattro (siehe „ Neues vom Auto“ ab Seite 10) über einen weiten Bereich lammfromm in der Spur und drückt nur bei Lastwechseln in schnellen Kurven mit dem Heck nach außen. Davon sollte man sich nicht erschrecken lassen, denn erst bei starkem Gegenlenken neigt er zum Kontern. Unterstützt wird der Fahrer von einer angenehm exakten, sehr feinfühlig arbeitenden Lenkung und kräftig zupackenden Bremsen, die auch bei starker Beanspruchung nichts von ihrer Standfestigkeit verlie- ren. An die Handlichkeit eines Z3 reicht er allerdings nicht heran – dazu ist seine Karosserie zu unübersichtlich und die Schaltung nicht ganz so präzise.
Man braucht mehr Kraft und Gefühl, vor allem beim Wechsel vom vierten in den fünften Gang. Das macht er mit seiner ausgewogenen Federungscharakteristik wieder wett, auch wenn Komfort sicher nicht ganz oben auf der Wunschliste eines Roadster-Fahrers steht. Aber heute gilt es nicht mehr unbedingt als sportlich, sich gnadenlos durchprügeln zu lassen. So behandelt der TT seine Besatzung mit erfreulicher Nachgiebigkeit, und selbst mit 225/45-Breitreifen auf den aufpreispflichtigen 17-Zoll-Alufelgen bleibt sie von groben Stößen verschont.
Er verschont sie auch vor ungebührlichem Aderlass, denn in Kaufpreis und Unterhaltskosten ist der TT keinesfalls entrückt. Der Einstieg ins Roadstervergnügen gelingt bereits 5000 Mark unter BMW Z3 2.8 oder Mercedes SLK 230, aber wegen der langen Lieferfrist nicht schneller. Das Volk will seine Helden eben nicht nur sehen, sondern auch fahren.