Chevrolet Corvette 5.7 Cabrio,Jaguar XKR Cabrio, Mercedes SL 500, Porsche 911 Carrera Cabrio

Wer sich neben einem kühlen Kopf auch ein heißes Herz bewahrt hat, kommt an diesen edlen Vollblütern nicht vorbei. Dennoch interpretieren Chevrolet Corvette, Jaguar XKR, Mercedes SL 500 und Porsche 911 das Thema offener Sportwagen auf ganz unterschiedliche Art und Weise.
Der Stoff, aus dem automobile Träume sind, besteht aus Leistung, Luft und Linie. Stark müssen Traumwagen sein, schön natürlich und am besten offen, damit ein wenig von ihrem Glanz auch auf die Insassen fällt. Wenn sie dann noch ein Lorbeerkranz sportlicher Erfolge adelt, ist ihnen ein Platz im Auto-Olymp sicher. Vor 40 Jahren, als der Mercedes SL wirklich superleicht war, Jaguar mit dem XK Rennen gewann, Chevrolet mit der Corvette den ersten Kunststoff- Sportwagen baute und der kleine, wieselflinke Porsche 356 die großen Konkurrenten das Fürchten lehrte, wurden die Grundlagen für vier Legenden gelegt, die bis auf den heutigen Tag nichts von ihrer Faszination verloren haben. In jedem ihrer modernen Nachfolger lebt die Idee der Urväter weiter, wenn auch in zeitgemäßer Form. Schließlich ist es kein Dogma, daß ein Sportwagen laut, hart und spartanisch sein muss.
So verkörpert der Mercedes SL 500 seit neun Jahren eine hoch kultivierte Mischung aus Leistung, Sicherheit und Komfort. Zu dieser Philosophie gehört die serienmäßige Automatik ebenso wie das perfektionierte Nebeneinander von zwei Dächern. Ein elektrisches Faltverdeck nebst Hardtop für den Winter bringt nun auch der offene Porsche 911 mit, doch ansonsten ist er bis in die jüngste Generation das geblieben, was seine Vorgänger von Anbeginn waren: ein handlicher, ungemein agiler Sportwagen, der von seinem feinnervigen, drehfreudigen Boxermotor geprägt wird. Und der sitzt nach alter Firmentradition im Heck. Genauso selbstverständlich hat Jaguar den V8-Kompressormotor aus der Limousine unter die vordere Haube des XKR Cabrios gepackt. Seine betörende Karosserie weckt zwar Erinnerungen an den heissblütigen E-Type, zeigt allerdings mit ihren üppigen Dimensionen, dem konservativ-gediegenen Interieur und zwei Fondsitzen, daß der Brite eher für die große Reise als für den kleinen Sprint gedacht ist.
Umgekehrt verhält es sich mit der Corvette, die aber längst nicht mehr allein durch ihren großvolumigen, antrittstarken V8 und eine auffällige Optik imponiert. Vielmehr beweist die fünfte Generation des Klassikers, daß die amerikanische Autoindustrie nicht nur Massenware, sondern auch echte Sportwagen auf die Räder stellen kann, die keine Konkurrenz zu fürchten haben. Von den meisten Werten her ist der Chevrolet den europäischen Rivalen sogar überlegen, denn sein 344?PS starker Achtzylinder und die leichte Kunststoffkarosserie verhelfen ihm zum günstigsten Leistungsgewicht (4,3 Kilogramm/PS) in dieser Runde. Die 5,7 Liter des Stoßstangentriebwerks sorgen zum einen für das niedrigste Drehzahlniveau, zum anderen für unerbittlichen Durchzug schon knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl.
Mit einer wahren Urgewalt kommt die Corvette aus den Startlöchern und verwandelt sich zwischen 4000 und 6000 U/min zu einem brüllenden Ungetüm, dessen Auspuffton unmißverständlich die Autorität des großen Hubraums verkündet. Besser als die serienmäßige, aber zu weit gespreizte und nicht immer treffsichere Viergang- Automatik paßt dazu das manuelle, gut schaltbare Sechsganggetriebe (3100 Mark extra), mit dem sich das dynamische Potential von Motor und Fahrwerk viel effektiver ausschöpfen läßt. Anders als bei der Corvette, wo sich die extrem lang übersetzte höchste Fahrstufe nur zum gleichmäßigen Dahinrollen eignet, ist sie beim Porsche 911 als echter Fahrgang ausgelegt. Mit ihren kurzen Wegen, hervorragender Exaktheit und der engen Abstufung bietet die Schaltbox eine ideale Ergänzung zum nur 3,4 Liter großen, aber überaus drehfreudigen und spontan ansprechenden Sechszylinder. Man mag das einstige Rasseln und Röcheln beim Start vermissen, doch wenn der kultivierte Wasserboxer um 5000/min seine bevorzugte Drehzahlsphäre erreicht hat, fehlt es weder an betörender Beschallung noch an Vortrieb.
Ungezwungen und nahezu vibrationsfrei stößt der Motor bis zum Limit (7300 U/min) vor und verwandelt selbst kleinste Gasstöße umgehend in Beschleunigung. Die Fahrleistungen liegen auf dem Niveau des Chevrolet, während der Jaguar und besonders der Mercedes – nicht nur wegen ihrer Begrenzung auf 250 km/h Höchstgeschwindigkeit – nicht ganz mithalten können. Trotz der ermittelten Differenzen bietet zweifellos auch der SL 500 das Gefühl selten nutzbaren Leistungsüberflusses. Aber weit mehr als bei der Corvette und beim 911, die ihre Kraft ganz in den Vordergrund stellen, wird hier der starke Motor zu einem Komfortmerkmal. Er ist nicht der dominierende Bestandteil, sondern ganz einfach ein kultiviertes und harmonisches Instrument zur mühelosen Anpassung der Geschwindigkeit. Der Fünfliter-Achtzylinder aus der neuen Dreiventil-Generation hat zwar 14 PS Leistung und zehn Newtonmeter Drehmoment weniger als der gleich große Vorgänger, erbringt dies aber statt bei 3900 schon bei 2700/min. Eher sind das hohe Gewicht und die Fünfgang-Automatik einer sportlichen Fahrweise abträglich, denn selbst eine sehr gute Box wie die von Mercedes findet auf kurvenreichen Strecken nicht immer die passende Übersetzung.
Ansonsten überwiegen ihre Vorzüge, zumal sie die allemal sehr beachtlichen Fahrleistungen ganz leichtfüssig realisiert. Gelassenheit herrscht auch beim Jaguar vor, der sein gewaltiges Drehmoment (505 Nm bei 3600/min) über die gleiche Mercedes-Automatik an die Hinterräder weiterleitet. Andererseits fehlt es an Biß, Sound und Drehvermögen, weil der Kompressormotor seine Leistung völlig unspektakulär entfaltet und das Gewimmer des Laders auf Dauer mehr nervt als fasziniert. Davon abgesehen bietet der XKR Beschleunigungserlebnisse auf Weltklasse- Niveau und eine Laufkultur, die jener des verflossenen Zwölfzylinders nicht nachsteht. Zum Schnellfahren ist der Jaguar am wenigsten geeignet. Dabei stören neben dem mangelnden Seitenhalt und der nicht optimalen Sitzposition vor allem die wenig Fahrbahnkontakt und Rückmeldung vermittelnde Lenkung. Außerdem wird das Heck unter Lastwechseln sehr leicht, was bei schnellen Ausweichmanövern gefährlich werden kann. Wegen der breiten 18 Zoll-Reifen läuft er auch nicht so sauber geradeaus und federt deutlich straffer als der normale XK8. Das größte Handikap des SL ist seine um die Mittellage unexakte, zu stark servounterstützte Lenkung, die beim Kurvenfahren häufige Korrekturen erfordert und eine saubere Linie verhindert. Selbst in heiklen Situationen verhält er sich dank serienmäßigem ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm) gutmütig wie ein Märchenonkel, wirkt aber dadurch stark eingebremst und insgesamt etwas schwerfällig. Seine Domäne bleibt – trotz einer leichten Stuckerneigung und seines hellhörigen Verdecks – fraglos der Komfort.
Vom Porsche erwartet man da weniger Entgegenkommen, doch zumindest mit der Serienabstimmung federt er kurze wie lange Bodenwellen manierlich weg und rollt passabel ab. Noch größer ist der Fortschritt bei der Fahrsicherheit. Der neue 911 läuft bis in höchste Temporegionen tadellos geradeaus und wahrt ein leicht untersteuerndes, gut kontrollierbares Kurvenverhalten. Wo früher bisweilen heftige Lastwechselreaktionen zu Schweissausbrüchen führten, kündigt heute das Heck mit sanftem Druck und wohldosierbar den Grenzbereich an. Optimale Unterstützung liefert dabei die ungemein präzise Lenkung, die zentimetergenaues Dirigieren ermöglicht, ohne den markentypischen Fahrbahnkontakt zu verlieren. In Verbindung mit den extrem wirksamen Bremsen und den gut ausgeformten, aber etwas engen Sitzen ergibt das ein Handling, das nicht nur in dieser Runde seinesgleichen sucht.
Die ultimative Herausforderung ist der 911 nicht mehr, aber eine Fahrmaschine reinsten Wassers. Am nächsten kommt ihm in dieser Hinsicht noch die Corvette, die zwar auch aus der Sicht des Fahrers wie ein mit Anabolika vollgestopfter Muskelprotz wirkt, aber nichts von dessen Schwerfälligkeit zeigt. Wenn man sich erst einmal an die ausladenden Abmessungen, den großen Wendekreis und die stoßempfindliche Lenkung gewöhnt hat, kann man mit ihr sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten erreichen und bei Bedarf das Heck durch gezielte Gasstöße zum Mitlenken zwingen. Angesichts der konsequent dynamischen Auslegung und der trampelnden, versetzenden Hinterachse bleibt allerdings nur wenig Raum für Komfort. Auch an die Material- und Verarbeitungsqualität der Corvette darf man keine hohen Erwartungen stellen.
Das mechanisch betätigte Verdeck verursacht laute Windgeräusche, und die Kunststoffe riechen billig, doch in ihrer Verwindungssteifigkeit ist die Karosserie zumindest der des Jaguar überlegen. In ihm darf man sich freilich als Lord statt als Cowboy fühlen, denn die umfangreiche Ausstattung, das edle Interieur und das vollelektrische, gut isolierte Stoffdach vermitteln echt britische Clubatmosphäre. Die beiden Sitzgelegenheiten im Fond sollte man allerdings ebenso wie im Porsche, der sie wegen seines winzigen Frontkofferraums am nötigsten braucht, eher als zusätzliche Ablage betrachten. In ihrer Qualität und Funktionalität lassen sich hingegen SL und 911 von keinem etwas vormachen. Besonders durch ihre perfekte Verdeckkonstruktion und hohe Sicherheitsstandards (automatischer Überrollschutz, Seitenairbags) sammeln sie Punkte, wenngleich beim Porsche fast alle in dieser Preisklasse gängigen Goodies Aufpreis kosten. Seiner Faszination tut das keinen Abbruch, denn Erbsenzähler sind selten unter denen, die mehr als 100 000 Mark für einen zweisitzigen Sportwagen ausgeben. Stärker noch als bei ähnlich teuren Limousinen wird hier die Wahl zur Charakterfrage. Doch wie auch immer sie ausfällt – keinem der vier fehlt es an Ausstrahlung und Eigenständigkeit. Und so gibt es am Ende zwar nur einen Sieger, aber vier Champions.