Ferrari 458 Speciale A
Den turbobefeuerten Nachfolger des Speciale A hatte Ferrari in Genf vorgestellt weshalb wir hier vom 458 Abschied nehmen. Vom V8-Sauger. Und vom 458 generell.
Abschiednehmen fällt selten leicht, auch nicht von einem Auto. Zumal es ein so spezielles Auto ist, dass es das Wort Speciale im Namen trägt und nur 499 Mal gebaut wird. Das Sondermodell läutet die letzte Runde der 458-Baureihe ein, ihr Nachfolger wird auf dem Automobilsalon in Genf präsentiert – mit Biturbo-V8. Eine doppelt schwere Trennung, denn ein großartiger Sauger muss in Rente gehen.
Wir haben den Ferrari 458 Speciale A zum Gardasee bestellt. Das nebelverhangene Venedig wäre im Winter zwar der klassische Ort für emotionsgeladene Abschiedsszenen, doch das dortige Straßennetz gibt nicht viel her. Macht nichts: Auch der Gardasee hat in der Nebensaison seine melancholischen Momente. Aber vor allem gibt es dort Tunnels.
Inferno bei 9.000/min
Das ist wichtig, denn der Ferrari 458 Speciale A ist ein Blechdachcabrio. Sein A steht für aperta – also: offen –, aber auch für Rabatz. Und es bedarf wenig Fantasie, um sich das Inferno von acht Hochdrehzahl-Hitzköpfen bei 9.000/min vorzustellen, wenn das Getöse von Tunnelwänden so hart zurückgrollt, dass in Mittelitalien noch die Seismografen reagieren. Denn das haben wir vor: Wir krawallen ein letztes Mal durch die Stollen, bis uns die eigenen Schallwellen aus dem Sitz hebeln. Herrlich infantil, nicht wahr?
Zunächst aber geht es dezent am Seeufer entlang. Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt halten uns nicht davon ab, das Dach elektrohydraulisch aufsurren zu lassen. Es ist eisig, doch die hereinstrahlende Sonne versöhnt die Haut. Kragen hochklappen – und los. Hauptsache die Ohren sind frei. Eine Mütze verbietet sich, sie würde den Klang dämmen. So aber pustet der Vento, der frühmorgendliche Nordwind, das niedertourige Gurren des Achtzylinders direkt in den rechten Gehörgang.
Hier scheint der Ansaugtrakt zu enden – eine akustische Täuschung, die sich das Team um den scheidenden Cheftechniker Roberto Fedeli ausgedacht hat. Anders als der Italia schnappt der Ferrari 458 Speciale A nicht auf Höhe der beiden B-Säulen nach Luft, sondern durch zwei Schlünde auf der Motorhaube.
Ferrari 458 Speciale A mit einem Verdichtungsverhältnis von 14:1
So führt der 4,5-Liter einen Schlagabtausch mit dem Fahrer: Nur wenige (Renn-) Triebwerke antworten ähnlich reaktiv auf Modulationen des Gaspedals. Der V8-Sauger des Ferrari 458 Speciale A elektrisiert schon bei niedrigen Drehzahlen und fühlt sich wie etwas Besonderes an – auch weil schon kleine Drehzahlsprünge einen höheren oder tieferen Grundton bewirken. Das ist wichtig, schließlich kann man die Zügel nicht immer und überall locker lassen. Bei anderen Sportwagen resultiert daraus Frustration.
Wenn sich allerdings die Gelegenheit für Vollgas bietet, explodiert der Achtzylinder geradezu, pocht, hämmert dem Begrenzer entgegen. Im Vorwärtsdrang spürt man die enorme Verdichtung von 14:1. Die Gier, mit der er Frischluft inhaliert. Und die Entschlossenheit, mit der er Abgase auspufft. Alles untermalt der V8 des Ferrari 458 Speciale A mit einem hollywoodreifen Soundtrack, der jedes Kino zum Beben bringen würde.
Wir wollen den Pegel in die Sättigung fahren, steuern die Galerien-Kette des Westufers an. Hier reiht sich Durchbruch an Durchbruch. Wir tauchen ein in den Tunnelschlund; die schummrige Beleuchtung dramatisiert zusätzlich die Szenerie mit fahlem Orange. Bislang kam der Ton in Stereo, jetzt in Dolby Atmos: Das Inferno hallt von allen Seiten. Vorne, hinten, oben, unten – von überall ferrarisiert es in die Fahrgastzelle des Zweisitzers herein.
Gehörschutz? Empfehlenswert!
Nicht zu vergessen die dumpfen Schaltsalven, wenn das Doppelkupplungsgetriebe den nächsten Gang in den Antriebsstrang rammt. Und dann röhrt es wieder in der Röhre. Hohe Drehzahlen fahren wie Nadelstiche ins Ohr, der Ferrari 458 Speciale A duckt sich unter seinem eigenen Schallgewitter. Er schiebt eine Klangwolke vor sich her, die es längst vorne aus dem Tunnel drücken muss. Lärm, Schmerz, Adrenalin. Man kann nicht anders, muss immer wieder bis 9.000/min drehen. Fällt das bereits unter zwanghafte Selbstverstümmelung?
Nicht nur bei Heavy-Metal-Konzerten, sondern auch im Ferrari 458 Speciale A wäre Gehörschutz empfehlenswert – er liegt zu Hause. Nun gut, da müssen die Ohren dieses Mal eben durch. Dieses allerletzte Mal. Oder einmal noch? Okay. Noch ein einziger Tunnel, dann ist aber Schluss. Wir nehmen den Abzweig kurz nach dem Tunnelende und biegen in die Berge ab, denn der Erlebniswert des Mittelmotor- Zweisitzers beschränkt sich nicht auf die Akustik. Unterm Hintern haben wir das derzeit schärfste Achtzylindergerät von Ferrari. Und das kann mehr als nur wunderbaren Krach erzeugen.
Neben seinem ekstatisierenden Motor bietet der Ferrari 458 Speciale A schließlich noch das Lenkrad als Schnittstelle der Mensch-Maschine-Interaktion. Sie ist nicht minder reaktiv, aber vor allem sehr kommunikativ. Die Aufgaben sind perfekt zwischen den beiden Achsen verteilt: hinten Antrieb, vorne Rückmeldung.
Ferrari 458 Speciale A unterstützt mit gut abgestimmter Elektronik
Trotz der enormen Leistung fühlt man sich in diesem offenen Supersportler weder allein gelassen noch von der Elektronik bevormundet. Traktionskontrolle und mechanische Hinterachssperre greifen so geschmeidig ineinander, dass das ESP praktisch nichts zu tun hat. So motiviert der 4,5-Liter-V8 auch hochdreht, so unverrückbar krallen sich die hinteren Gummiwalzen am Kurvenausgang in den Asphalt.
Die schmalen Pässe springt der Ferrari 458 Speciale A wie ein Bergrennwagen hoch, limitiert nur durch seine enorme Breite. Und so beschleichen einen weniger Bedenken wegen des Grenzbereichs – er liegt fast utopisch hoch – als vielmehr die Befürchtung, am Felsen hängen zu bleiben und sich den Außenspiegel abzufahren. Wir haben es ja bereits mehrfach kritisiert: Für schmale Straßen sind heutige Supersportwagen viel zu groß, doch genau hier wäre ihr Revier, denn hier finden sich die schönsten Kurven.
Ob Ferrari beim 458-Nachfolger Ähnliches gelingt wie beim F12? Der Zwölfzylinder-Supersportler schrumpfte im Vergleich zu seinem Vorgänger deutlich – und der Fahrspaß potenzierte sich. Kleiner, leichter, noch reaktiver – das wäre es doch. Denken wir einfach positiv und freuen uns auf den Neuen. Das verdrängt auf jeden Fall schon mal den Abschiedsschmerz.