Mercedes-AMG GT R im Fahrbericht
Entwickelt auf der und für die Nordschleife, zeigt uns der Mercedes-AMG GT R genau dort, was er fahrdynamisch so draufhat. Fahrbericht des 585 PS starken Sportwagens.
Okay, die Salamischeiben werden immer dünner. Erste Fotos, erste technische Informationen, Sitzprobe, Fototermin, Mitfahrt – verdammt noch mal, wenn die Salami doch so lecker schmeckt, greifen wir immer wieder gierig zu. Beim Mercedes-AMG GT R, dem extrascharfen Bruder von GT und GT S, konnten wir jedenfalls nicht widerstehen. Marktstart ist erst im März 2017, noch durfte ihn niemand fahren, wir dürfen immerhin mitfahren.
Mercedes-AMG GT R mit Regler für die Traction Control
Und so trifft man sich an diesem herrlichen Donnerstagmittag an der Nürburgring-Nordschleife, T13 – dort, wo alle Tage herrlich sind. Der AMG fläzt sich in seiner Sonderfarbe Green Hell Magno lasziv in der Sonne, präsentiert seine breitere Spur, die optisch deutlich modifizierte Linie mit dominanteren Luftein- und -auslässen, speziellen Anbauteilen sowie sein Kühlergesicht, das dem der GT3-Renner ähnelt. Dieses wiederum zitiert Urvater SL 300, der 1952 die Carrera Panamericana gewann, obwohl ein Geier die Frontscheibe durchschlug und den Beifahrer Hans Klenk verletzte.
Geier wurden heute rund um Adenau keine gesichtet, also los, AMG-Test- und -Entwicklungsfahrer Thomas Jäger steht schon parat. Er kennt sich bestens aus mit Auto und Strecke, kümmert sich bei AMG unter anderem intensiv um den Kundensport, wo es darum geht, fahrdynamisches Potenzial für Amateurfahrer nutzbar zu machen. Kurzer Händedruck, große Vorfreude, Helm auf, und ab geht’s. Langes Hineingefrickel entfällt, die großen Türen durfte der Mercedes-AMG GT R behalten, bestens passende Sportschalen sind ebenso Serie wie das Klavierlack-Paket oder die ordentliche Kopffreiheit selbst mit Plastikmütze.
Wesentliches Novum: der Regler für die Traction Control, der das dreistufige ESP ergänzt. Das kleine Ding mit dem LED-Licht drum herum sieht so ähnlich aus wie im GT3 und stammt auch daher. Es justiert den Antriebsschlupf an der Hinterachse in neun Stufen, losgelöst von Eingriffen des ESP. Von eins für pitschnasse Piste bis neun für pitschnasse Hände, nein, für maximalen Schlupf an der Hinterachse ohne jeglichen Eingriff.
1,35 statt 1,2 bar Ladedruck
Was wählt Herr Jäger? Eine mittlere Stellung. „In dieser lässt die Elektronik noch genug Freiheit, das Auto sauber zu positionieren, andererseits schonen wir die Reifen an der Hinterachse und sorgen ganz nebenbei für eine gute Balance aller vier Gummis.“
Na, dann wollen wir mal sehen, was von den 585 PS und 700 Newtonmetern an den Michelin Pilot Sport Cup 2 (325/30 ZR 20) ankommt. Außer dem sensiblen Gasfuß des AMG-Profis arbeiten diverse Algorithmen im Hintergrund. Und zwar vorausschauend. Erreichen die Räder einen vorgegebenen Schlupfwert, zieht die Elektronik nicht einfach die Leine stramm, sondern lässt den Mercedes-AMG GT R unter Mithilfe der ebenfalls elektronisch kontrollierten Differenzialsperre mit dem gewünschten Schlupf weiterbeschleunigen.
Einfahrt Hatzenbach lassen wir noch verhältnismäßig ruhig angehen, wärmen noch kurz die Reifen an, im Geschlängel ginge es auch noch ohne Elektronik, doch schon im Bereich Hocheichen dürfte die Traktionskontrolle gerne ran. Dort will man schließlich so viel Schwung wie möglich auf die folgende Gerade mitnehmen. Und Schwung hat er. Neue Turbolader samt angepasster Peripherie (1,35 statt 1,2 bar Ladedruck) plus ein leichteres Zweimassenschwungrad pushen die Dynamik ebenso wie das modifizierte Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe mit schnelleren Schaltvorgängen und längerem ersten sowie kürzerem siebten Gang. Davon kosten wir nun Richtung Anfahrt Quiddelbacher Höhe.
Mercedes-AMG GT R: Leichter und aerodynamischer
Um insgesamt 15 Kilogramm wurde das Gewicht reduziert – 1.555 Kilogramm ohne Fahrer und Gepäck (wer nimmt in dem Ding schon Gepäck mit ...) –, zudem hat der GT R in Sachen Längsdynamik zugelegt, es drückt die Augäpfel beim Beschleunigen Richtung Schalensitz. Kein Problem, die Optionsbremse mit ihren 402er-Keramikscheiben vorn wird sie ja spätestens in Aremberg wieder nach vorn holen. Bis dahin beweist der GT R im Schwedenkreuz seine Hochgeschwindigkeitskompetenz.
Neben sichtbaren Aerodynamik-Elementen wie beweglichen Lamellen hinter der Frontschürze, dem Frontsplitter, Air Curtains sowie dem einstellbaren Heckflügel hilft ein unsichtbares Profil beim Festtackern auf der Piste. Das rund zwei Kilogramm schwere Carbonteil verbirgt sich im Unterboden und fährt im Sportmodus ab 80 km/h um 40 Millimeter nach unten aus. Damit entsteht der sogenannte Venturi-Effekt, mit dessen Hilfe sich der Mercedes-AMG GT R quasi an den Boden saugt, den Auftrieb an der Vorderachse bei 250 km/h um rund 40 Kilogramm reduziert.
Was kostet der Spaß? Wird noch nicht verraten
Und genau mit diesem Tempo knallen wir gerade Richtung Schwedenkreuz. Für Normalfahrer paradox: Je schneller der GT R fährt, umso satter ruht er auf der Piste – höhere Präzision, bessere Rückmeldung und einfachere Kontrollierbarkeit inklusive. Wir möchten in dieser schnellen Links nicht widersprechen, die der Hardcore-Sportwagen neutral und ohne Lenkkorrekturen nimmt. Hupps, wir ankern, die Augäpfel ploppen zurück in die Originalposition, bevor es runtergeht in die Fuchsröhre.
Hier helfen neben dem feinfühlig ansprechenden Gewindefahrwerk mit unterschiedlichen Dämpferkennlinien unter anderem die elektromechanisch mitlenkenden Hinterräder. In langsamen Ecken (gegensinniger Einschlag) erhöhen sie die Agilität, in schnellen Passagen (ab 100 km/h gleichsinnige Bewegung) die Stabilität, wie Frank Emhardt, der Entwicklungsleiter des AMG GT, erklärt. Ebenfalls zielführend: die hohe Steifigkeit des Alu-Spaceframe, die das Tunnelkreuz aus Carbon weiter steigert. Durch diesen Tunnel verläuft die ebenfalls aus Carbon gefertigte Torque Tube als Verbindung zwischen Motor und dem an der Hinterachse montierten Getriebe.
Und was kostet der Spaß? Wird noch nicht verraten. Salami halt.