ML, X5 und Range Rover im Test
Action im Hafen: Die neue Mercedes M-Klasse ist eingelaufen und
wird gleich von den Luxusschiffen Range Rover Sport und BMW X5
begrüßt. Der Benz macht keine große Welle, will aber die
Punkte-Regatta gewinnen. Hören Sie die dicken Diesel fauchen?
Ist es nicht ein tolles Gefühl zu wissen, dass die nächsten Pfützen noch so tief sein können? Diesem SUV werden sie nichts anhaben können. Er galoppiert unerschrocken hindurch – fast wie der schwarze Hengst des Marlboro-Cowboys.
Demnach ist die neue Mercedes M-Klasse genau das richtige Fluchtfahrzeug für Pferdezüchter und Bürohengste. Raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer. Auch wenn das meist schon auf dem hohen Bordstein vorm Eiskaffee endet – das Gefühl zählt genauso wie die inneren Werte, von denen der neue Mercedes reichlich hat: saubere Motoren, mehr Assistenzsysteme, ein schmuckes Interieur mit reichlich Chrom und Alu-Zierrat sowie als Option ein Navigationssystem, das online gehen kann. Die Eintrittskarte ist jedoch kein Schnäppchen, denn für den Mercedes ML 350 Bluetec mit dem nach Euro 6 zertifizierten V6-Diesel werden mindestens 58.727 Euro fällig.
Mercedes ML will der Chef in der schweren SUV-Clique werden
Wer bei diesem Grundpreis aufstöhnt und an den 4.227 Euro günstigeren BMW X5 30d als Alternative denkt: Wir haben ihn hier dabei, um zu sehen, was er noch kann; schließlich gibt es ihn schon seit 2007. Noch länger (seit 2005) wird bereits der Range Rover Sport gebaut, der wie der BMW ständig aktualisiert wird und gerade einen stärkeren Diesel sowie eine Achtstufen-Automatik bekam. Zudem hat der 3.0 SDV6 für 62.900 Euro nicht nur das intelligente Allradsystem Terrain Response an Bord, sondern auch Luftfederung, Ledersitze, Navigationssystem und 19-Zoll-Aluräder.
Der X5 nimmt‘s gelassen, Matsch und Dreck mag er irgendwie gar nicht, weshalb er keine zusätzlichen Sperren an seinen Antriebsstrang lässt. Mercedes bietet hingegen für 2.261 Euro ein On&Offroad-Paket mit 100-Prozent-Sperren an beiden Achsen und am Mittendifferenzial, kraxelt aber mit ähnlicher Ausstattung wie der Brite locker über die 70.000er Marke.
Das Ziel ist klar: Der Mercedes will der Chef in der schweren SUV-Clique werden. Seinem Vorgänger gelang das beim letzten Vergleichstest nicht, damals unterlag er dem BMW X5 und dem VW Touareg.
BMW X5 hat beim Ampelsprint die Nase vorn
Dass die dritte Mercedes ML-Generation sich diese Blöße nicht mehr geben will, zeigt schon ihr feiner V6-Diesel. Ein prächtiger Motor, leise im Stadtverkehr, leise auf der Autobahn und beim kleinsten Gasstoß kräftig wie neun VW Polo. Mit 620 Newtonmeter Drehmoment übertrumpft er seine Gegner zwar auf dem Papier, kann sie aber nur bei der Endgeschwindigkeit und dem Verbrauch abhängen – zurückhaltend gefahren genügen dem Klotz sieben L/100 km.
Beim Ampelsprint und den Durchzugsmessungen hat der schwächere BMW X5 (540 Nm) ganz leicht die Nase vorn, wobei sein Reihensechszylinder etwas zorniger knurrt. Warum der 600 Nm starke V6-Motor des Range Rover Sport immer etwas hinterherhängt? Er muss über 2,3 Tonnen Leergewicht anschieben, während der Mercedes ML mit 2.176 nur 76 Kilogramm schwerer ist als der BMW.
Auf der Landstraße fühlt sich der BMW X5 eine Tonne leichter an, wenn er scheinbar losgelöst von physikalischen Grenzen und Seitenneigungen ums Eck huscht. Dabei bietet sein adaptives Fahrwerk für 3.290 Euro den perfekten Mix aus Sportlichkeit und Komfort. Mercedes steckt dem Test-ML nicht nur Luftfederung und ebenfalls adaptive Dämpfer für 2.023 Euro unters Blech, sondern verbaut auch noch eine aktive Wankstabilisierung für 3.689 Euro.
Range Rover Sport sollte eher Range Rover Tour heißen
Diese Technik soll auf schlechten Wegen das Hin- und Herschaukeln des Brummers unterbinden, doch auf Kopfsteinpflaster regelt das System so übereifrig, dass sich das Fahrwerk unangenehm fremdgesteuert anfühlt und der Wagen nicht mehr zur Ruhe kommt. Über glatte Straßen gleitet der Mercedes ML dagegen satt wie eine Yacht bei ruhiger See. Dazu passt seine homogen ausgelegte Lenkung.
Im Range Rover Sport fühlt sich dieselbe See viel rauer an, der Wagen neigt sich in Kurven bisweilen wie ein beladener Kutter zur Seite. Zudem reagiert seine Lenkung eher träge auf Kursänderungen. Warum heißt der nochmal Sport? Der Name Tour wäre passender, denn auf großen Reisen verträgt der Range bis zu 805 Kilogramm Zuladung. Nicht viel weniger darf der Mercedes ML transportieren (774 Kilo), während die Zuladung des BMW X5 mit 655 Kilo für diese Klasse etwas knapp ausfällt.
Und wie sieht‘s innen aus? Mercedes hat nicht zu viel versprochen, der neue ML wirkt deutlich moderner. Überall glitzern kleine Chromleisten, man thront auf gut geformten Sitzen und legt die Fahrstufen der serienmäßigen Siebengang-Automatik wie früher per Wählhebel am Lenkrad ein. Sein Pendant auf der linken Seite für Scheibenwischer und Blinker hat unterhalb einen neuen kleinen Hebel für den Tempomat bekommen – den langen weiter oben gibt‘s nicht mehr.
Den größten Fond bietet der Mercedes ML
Schwächen leistet sich nur die Steuerung des Bordmenüs, die ein wenig Training fordert. In Sitzreihe zwei setzt die Mercedes M-Klasse dann wieder Maßstäbe: Bequemer und luftiger kann man derzeit wohl in keinem anderen SUV-Fond reisen. Nicht mal im BMW X5, dessen Rücksitzbank weit davon entfernt ist, eng und unbequem zu sein. Aber hier geht es eben nicht ganz so luftig wie im Mercedes ML zu. Dafür kann der X5 weiter vorn überzeugen: Von weichen Vordersitzen aus genießt man die beste Übersicht auf ein angenehm klares Armaturenbrett und freut sich über den zentralen Bedienknopf für das i-Drive.
Wer die Türen des Range Rover Sport schließt, fühlt sich hingegen eine SUV-Generation zurückversetzt. Denn trotz seiner wuchtigen Karosse ist der Fondraum beengt und durch kleinere Türausschnitte schwer zu erreichen. Vorn erinnert die breite Mittelkonsole an einen Kommando-Stand mit arg kleinen Tastfeldern auf dem Berührungsbildschirm. Darüber tröstet auch der coole Automatik-Wählknopf nicht hinweg, der im Übrigen etwas schneller ausfahren sollte – denn erst dann kann man ihn auf D stellen und losbrausen.
Mercedes ML überzeugt mit ausgewogenem Charakter
Dass wir nach dem Test am liebsten im Mercedes ML verreisen würden, liegt an seinem ausgewogenen Charakter. Er ist ein erstklassiger Gleiter, dazu geräumig, leise, antrittsstark sowie sehr sparsam und sicher. Wer die Wankstabilisierung nicht bestellt, wird auch mit dem Komfort des Fahrwerks glücklich.
Fast genauso erstaunlich ist die Vorstellung des BMW X5, der in diesem Test den besten Mix aus Komfort und Sportlichkeit bietet, günstiger ist und deutlich leichtfüßiger um Kurven huscht. Wer das bei einem SUV dieser Größe schätzt, sollte ihn wählen. Der Range Rover Sport setzt hingegen auf seinen Dampfer-Charme und seine Offroad-Qualitäten, hinkt in anderen Disziplinen aber hinterher.