Test VW Passat Variant TDI
Beim neuen VW Passat ließ Volkswagen die Finger von der Plattform, behielt die technische Basis bei. Dafür bekam er eine schickere Optik plus Nachschlag bei den Assistenzsystemen. Was der neue Mittelklasse-Kombi kann, klärt der Test der 2.0 Blue TDI-Variante.
Er wirkt wie ein guter Freund, der neue VW Passat Variant. Wie einer, den man schon seit mindestens fünf Jahren kennt. Einer, der einem zu Beginn der Bekanntschaft noch etwas suspekt vorkam mit seinem langen, fußgängerschützenden Vorbau, dem knubbeligen Zündschlüssel samt Starterschacht. Und erst die elektrische Feststellbremse mit Taste links am Armaturenbrett und der Verzicht aufs serienmäßige Radio, der Knauserer zu trällernder Selbsthilfe verdonnerte. Andererseits – bis auf diese kleinen Schnurren fuhr der Mittelklasse-VW mit feinen Manieren, viel Platz und gutem Komfort mittenmang in die Herzen der Mittelklasse-Kundschaft. Zumal Volkswagen nicht nachließ, den VW Passat antriebsseitig am Puls des Fortschritts zu halten. Ganz gleich ob mit kleinvolumigen Turbomotoren, Doppelkupplungsgetrieben oder Energiespar-Ausrüstung.
Evolution statt Revolution im neuen VW Passat
Damit ist klar, dass es VW Passat Nummer sieben beim Abnabeln schwer haben muss. Vielleicht haben sie ihn deshalb nur sanft gepflegt statt radikal revolutioniert. Wozu auch das Rad neu erfinden? Passat, da weiß man, was man hat – fertig. So entschieden sich die Strategen für ein Edel-Facelift im Wortsinn, beginnend beim Kühlergesicht. Hinfort mit dem chromglänzenden Lätzchen samt dessen mildem Lächeln, her mit dem strengen Look der aktuellen VW-Flotte plus leicht staatstragendem Touch. Verziert mit neuen Scheinwerfern samt LED-Tagfahrlicht, gegen Aufpreis mit Bixenon und umfangreichen Adaptiv-Funktionen, dürfen es im VW Passat nun auch Familienväter und Außendienst-Profis im Stil der Oberklasse strahlen lassen.
Alles außer Weiß kostet im Passat extra
Im Innenraum ebbt die Aufwertung dann etwas ab. Passat-Kenner beherrschen die Bedienung wie im Schlaf, notorische VW-Verweigerer fallen vor Langeweile eher in einen solchen. Während der Fahrt steht dem im VW Passat ein Müdigkeitsassistent entgegen. Er ist ab der mittleren Ausstattungslinie Comfortlinie serienmäßig (sonst in Verbindung mit dem Tempomat 250 Euro teuer, jedoch nicht in Kombination mit dem Spurhalteassistent). Ebenfalls serienmäßig: die Lackfarbe Candyweiß – alle Alternativen kosten extra. Ebenso wie eine üppige Extra-Armada, die den Grundpreis des VW Passat Variant 2.0 Blue TDI Highline von 34.725 Euro weiter hochtreibt.
Wie gehabt platziert der VW Passat seine Insassen ebenso bequem wie ergonomisch korrekt ohne jegliches Gefühl der Enge. Instrumente und Bedienelemente sind durchweg vorbildlich angeordnet, die Menus durchschaubar strukturiert. Große Runduhren informieren ebenso schick wie eindeutig, unterstützt vom neuen farbigen Mittendisplay, bekannt aus den feinen Geschwistern Touareg und Phaeton. Bekannt aus dem Vorgänger: die solide Verarbeitung sowie großzügige Ablagen in Türen und Mittelkonsole des VW Passat, die Atlanten und Wasserflaschen ohne Quetschungen aufnehmen. Nun, Atlanten kann sich sparen, wer in die GPS-Navigation investiert. Das vertraute Top-System RNS 510 etwa lotst für 2.410 Euro mit Berührungsbildschirm und deutlicher Grafik.
Assistenz-Armada im neuen VW Passat
Diese erstreckt sich auch auf die Unterhaltungsabteilung, die per Festplatte, USB-Stick oder iPod musiziert. Das für Passat Nummer sieben weniger harsch abgestimmte Dynaudio-Soundsystem kostet 1.185 Euro. Angesichts der harten, verfärbten Stimmenwiedergabe könnte man trotz ordentlichem Bass und gutem Raumklang das Geld auch anderweitig investieren. Etwa in die Assistenzsysteme des neuen VW Passat, wo VW ein großer Schritt nach vorn gelang – ob beim bis zum Stand abbremsenden Abstandsregeltempomat, dem Notbremsassistent oder der automatischen Notbremsfunktion (Siehe Subartikel “ Assistenzsysteme“). Vor dem Bremsen kommt aber erst mal das Fahren, und da merkt der Kenner nach wenigen Metern: Hurra, es ist ein VW Passat! Allerdings eine ganze Klasse leiser, dank neuer mehrlagiger Frontscheibe mit Akustikfolie plus anderen Dämmmaterialien (Serie) sowie vorderen Seitenscheiben mit Doppelverglasung (Option).
VW Passat spurtet in 10,5 Sekunden auf Tempo 100
Im übrigen ist der VW Passat noch ganz der Alte. Verzichtet auf den letzten Rest trockenen Biss bei Lenkung und Handling, entspannt den Fahrer dafür mit einer beruhigend verlässlich wirkenden, proportional reagierenden elektromechanischen Lenkung. Sie teilt ihm das mit, was er wissen muss – mehr nicht. Stößigkeit, heftige Antriebseinflüsse? Keine Spur. Auch das komfortabel abgestimmte Fahrwerk des VW Passat mit Vierlenker-Hinterachse und optionalen Adaptivdämpfern (DCC) entspricht dem des Vorgängers. Gut so, denn der 4,77 Meter lange 1,7-Tonner rollt bis auf gelegentliches Vorderachs-Stuckern sauber ab, kassiert kurze wie lange Unebenheiten willig, spielt selbst im Sportmodus nicht den Plombenrüttler.
Damit kommen sogar aufgekratzte Fahrer standesgemäß voran, wobei der 140 PS starke Zweiliter-TDI mit Harnstoffeinspritzung nicht zu den krawalligen Ziehern gehört. Dank dem optionalen Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe im VW Passat weitgehend von seiner leichten Anfahrschwäche befreit, kombiniert er durch penible SCR-Abgassäuberung Euro 6-Reinheit mit ausreichend Leistung sowie 320 Newtonmeter Drehmoment. Genug für den Null-auf-100-Sprint in 10,5 Sekunden und problemlose Zwischenspurts, vor allem aber für effektive Temposchnitte auf der Langstrecke. Hilfreich dabei: das niedrige Drehzahlniveau und der Freilauf beim Gaswegnehmen.
VW Passat mit 7,1 Liter Testverbrauch
Letzterer missfällt beim automatischen Wiedereinkuppeln jedoch durch ein kurzes ungewohntes Bremsmoment. Das serienmäßige Start-Stopp-System des VW Passat arbeitet hingegen schnell und unauffällig. Insgesamt erzielt der VW Passat Blue TDI günstige Kraftstoffverbräuche zwischen 5,4 und rund neun Liter, im Schnitt verlangt er 7,1 L/100 km.
Fahrdynamisch erfüllt der VW Passat Variant mit seiner Bereifung im Format 235/45-17 – serienmäßig und mit selbstheilendem Innenleben – mehr als den Längs- und Querbeschleunigungsbedarf durchschnittlicher Familien. Es sei denn, sie möchten den Innenraum nach jeder ambitioniert genommenen Kurvenstrecke auf dem Weg zu Kindi oder Omi auskärchern. Wobei sich der VW hier pflegeleicht gibt – zumindest die unteren Passagen im Cockpit und sonstigen Innenraum bestehen aus wischfreundlichem Hartkunststoff.
VW Passat bietet bis zu 1.731 Liter Kofferraumvolumen
Der Kofferraum des VW Passat besteht hingegen vor allem aus Platz – viel Platz. Hinter der großen Heckklappe warten 603 Liter, sobald die Rücksitzlehnen flachliegen, sind es bis zu 1.731. Der Befehl dazu kann nunmehr per Zug an einer Taste im Laderaum erfolgen. Nach wie vor müssen danach zugunsten einer ebenen Ladefläche die Sitzflächen runter, die Kopfstützen raus und rein in fummelige Halterungen. Eines gibt es beim neuen, zielführend gepflegten VW Passat Variant im Gegensatz zur Limousine allerdings nicht einmal gegen Aufpreis: die Möglichkeit, den Kofferraum beim schlüssellosen Zugang per kickartiger Fußbewegung zu öffnen. Schon klar – irgendein Kunststückchen müssen sie sich ja noch für Passat Nummer acht aufheben.
Auch Kostenvorteile bei Versicherung, Steuer und Wartung tragen zu seiner Attraktivität bei. So fällt allein die Versicherungsrechnung bei 10.000 Kilometer Jahreslaufleistung für den Passat 60 Euro niedriger aus als beim Opel, im Vergleich zum Ford sind es 89 Euro, und gegenüber dem Citroën beträgt die Ersparnis sogar 105 Euro jährlich.
Bei leichter Gefahr und einem Tempo über 30 km/h warnt er per Ton plus rotem Signal im Display und legt die Bremsbeläge an. Bremst der Fahrer nicht, folgt ein Warnruck, bevor der VW selbstständig verzögert – erst leicht, dann mit 3,5 m/s2. Tritt der Fahrer aufs Bremspedal, erhöht der Passat den Druck im Rahmen einer so genannten Zielbremsung. Sie soll einen Aufprall vermeiden, zumindest aber dessen Folgen verringern.
Automatischer Stopp bei Gefahr
Ähnlich läuft es bei der City-Notbremsung (unter 30 km/h). Hier reagiert das System auch bei stehenden Hindernissen. Bremst der Fahrer bei einer potenziellen Kollision zu zögerlich, passt das so genannte City-ANB die Bremskraft an. Bremst er überhaupt nicht, leitet das System einen automatischen Stopp mit kräftigen sechs m/s2 ein. Das System funktionierte im auto motor und sport-Test mit einem entsprechend ausgestatteten Modell zuverlässig, lieferte stets eine reproduzierbare Verzögerung. Menschen, sehr schmale Objekte (Fahrräder ohne Gepäckträger) oder entgegenkommenden sowie querenden Verkehr kann das System allerdings nicht erkennen. Die Bedienung über Menüs ist etwas umständlich. Auch im Angebot: Spurwechsel- und -halteassistent mit deutlichem Lenkeingriff.
Seine Karosserie bleibt kompakt und übersichtlich genug, um Parkhäuser ohne Blessuren zu erobern. Parkpiepser sind dennoch sinnvoll, Rückfahrkamera oder selbstlenkender Parkassistent sind weitere Optionen. Sie funktionieren jedenfalls einwandfrei und zielführend. Ähnlich klappt die Beladung, die von der großen Heckklappe und dem glattflächigen Boden profitiert. Die Rückenlehnen lassen sich nunmehr auch von ganz hinten entriegeln, die Sitzflächen müssen allerdings noch von Hand aufgestellt, die Kopfstützen herausgenommen und in Halterungen gesteckt werden. Der Einstieg vorn wie hinten erfolgt verrenkungsfrei, die Komfortsitze mit Lordosenstütze ermöglichen lange schmerzfreie Törns. Die geschmeidige Federung (gegen Aufpreis mit Adaptivdämpfern) sowie das hörbar reduzierte Innengeräuschniveau schärfen das Profil des Passat als Kilometerfresser zusätzlich.