Toyota GT86 R3 im Tracktest
Mit dem Toyota GT86 R3 betritt zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert wieder ein Neuling mit Heckantrieb die Rallye-Bühne. auto motor und sport durfte vor allen anderen ans Steuer.
Toyota baut wieder Rallye-Autos. Das an sich ist schon eine Geschichte. Seit der Einführung der Marken-Weltmeisterschaft 1973 holten die Japaner auf unbefestigten Straßen Siege. Bis zum Ende des Jahrtausends waren es fünf Fahrer- und drei Hersteller-Titel. Doch mit dem letzten WM-Gewinn kam Ende 1999 auch der Rückzug, und es begann ein langes, erfolgloses Rundstreckenkapitel mit acht Formel-1-Jahren ohne Sieg. Fünf Anläufe in Le Mans wurden ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt. Bei der Toyota Motorsport GmbH träumte man sich zurück auf geschotterte Pfade, wo das von dem Schweden Ove Andersson gegründete und in Köln beheimatete Toyota-Team Europe eine Macht war.
Die Sportabteilung des größten Autoherstellers der Welt heißt heute Toyota Motorsport GmbH, und in Köln-Marsdorf kann sich von 230 Mitarbeitern allenfalls noch ein gutes Dutzend alter Kämpen an die goldenen Rallye-Jahre erinnern, aber dennoch wabert die Leidenschaft für Schlamm und Staub noch durch die antiseptisch weißen Hallen. Den Auftrag, einen globalen Rennmotor zu entwickeln, nutzte man bei TMG flugs, um gleich ein mögliches World Rally Car drum herum zu bauen. Seit einem halben Jahr fegt ein Yaris-Prototyp zu Testzwecken über europäische Wertungsprüfungen.
Während der Turbo-Floh mit Allradantrieb bisher reines Muskelspiel und im besten Fall Zukunftsmusik ist, hat TMG mit einem zweiten Modell gleich vollendete Tatsachen geschaffen.
Alleingang in Köln
In Eigenregie entwickelten die Kölner eine Rallye-Version des Toyota GT86. Das japanische Coupé erfreut sich unter Freunden sportlicher Autos großer Beliebtheit und Anerkennung, weil es sich gegen den Frontantriebs-Mainstream wendet. In Zeiten, wo nichts mehr heilig ist, wo immer mehr Supersportwagen mit Allrad auf die Straße geschickt werden und sogar BMW auf Vorderradantrieb umrüstet, schwenkt Toyotas GT86 zurück auf den guten alten Heckantrieb, und das jetzt auch auf Rallye-Pfaden.
„Es soll Spaß machen, und es geht auch darum, gegen den Strom zu schwimmen“, sagt Projektleiter Nico Ehlert. Und so richtet sich das brandneue Sportgerät in weiß-rot-grauer Kriegsbemalung auch nicht in erster Linie an Nachwuchstalente, sondern rüstige Mittvierziger, die sich noch an die guten alten Zeiten erinnern, als sich Escort, Kadett GT/E und Celica mit ihren Hinterteilen voran in die Kurven schmissen.
Toyota GT86 mit 225 PS
Der Zweiliter-Boxer entwickelt mit modifizierten Kolben und geschärften Nockenwellen zurzeit um die 225 PS. Ein sequenzielles Sechsganggetriebe von Drenth schickt 260 Newtonmeter auf die Kardanwelle, eine Lamellensperre verteilt die Kraft an den Hinterrädern. Für einen Sport-Sauger ist der Punch ganz in Ordnung, der Auspuffsound dagegen ist beeindruckend.
Wer denkt, ein zackiges Lenkmanöver auf einem schmutzigen Asphaltweg und ein kräftiger Gasstoß würden reichen, um das Heck zum Schwenk zu verleiten, sieht sich getäuscht, das Fahrwerk des niederländischen Rallye-Spezialisten Reiger ist auf strikte Neutralität getrimmt.
Das bestätigt auch Isolde Holderied. Die frühere Damen-Weltmeisterin übernimmt nach auto motor und sport das Auto und attestiert nach drei Tagen Vorausfahrt auf den deutschen WM-Prüfungen: „Eine typische Heckschleuder ist er nicht. Man muss ihn schon provozieren. Aber im Drift lässt er sich prima kontrollieren – wie mein letztes World Rally Car mit Allradantrieb.“
Gemäß seinen Schöpfern soll der Toyota GT86 ja auch nicht in erster Linie wild sein, sondern vor allen Dingen schnell. Er soll kein reines Markenpokal-Auto werden, sondern konkurrenzfähig. Bei der FIA musste man das seriennahe R3-Reglement erst einmal umschreiben.
Hecktriebler sind in Paris seit 1988 nicht homologiert worden. In der R3-Klasse für Zweiradantrieb heißt der Gegner Citroën DS3 R3, und das bedeutet: 1,6-Liter-Turbo und 400 Newtonmeter. „Da können wir mit dem Sauger nicht hin“, gibt Nico Ehlert zu. Aber der TMG-Ingenieur will mit anderen Qualitäten punkten: Sein Baby ist bei nur sechs Prozent Gewichtsüberschuss vorn bestens ausbalanciert, „und wir haben einen sensationell niedrigen Schwerpunkt“.
Preis als Kit ab 79.000 Euro
Das allerdings hat auch seine Schattenseiten, wenn man gut über eins achtzig misst. Das Dach und damit die Tür sind 15 Zentimeter niedriger als bei den rallyeüblichen Kleinwagen vom Schlage eines Ford Fiesta oder Citroën DS3. Als Saisonvorbereitung für lange Kerle sind Yoga und das Bauch-weg-in-sechs-Wochen-Programm aus dem Männermagazin „Men’s Health“ praktisch unerlässlich, sonst will der linke Fuß einfach nicht am vorderen Käfigrohr vorbei.
Die Reaktionen auf den Toyota GT86 R3 sind erstaunlich. Klaus Osterhaus, dessen Firma HJS den Rennauspuff liefert, hat für Deutschland gleich einen Markenpokal ausgerufen. Er kalkuliert 2015 vorsichtig mit zehn Teilnehmern, angerufen haben schon 50. Nico Ehlerts Rechnung sieht so aus: „Wenn wir 50 verkaufen, sind wir glücklich. Sind es 100, machen wir eine Flasche auf.“
Im WM-Service-Park in Trier gaben sich von Mechanikern bis Ingenieuren Mitarbeiter der Top-Teams ein Stelldichein und bombardierten auch den Tester mit Fragen: Wie viel? „Bis Ende Januar kostet das Auto als Kit 79.000 Euro plus Steuern.“ Wie stark? „In der endgültigen Ausbaustufe 250 PS bei 8.200 Touren.“ Wie schnell? „Mit dem langen Getriebe 185 km/h Spitze, mit dem kurzen 175.“ Gewicht? „1.080 Kilo, wie das Reglement mindestens fordert.“
Selten hat ein Auto für den Breitensport für so viel Interesse und Wohlwollen gesorgt, und so strahlt auch ein bisschen Glanz auf den Probefahrer von auto motor und sport ab. Kim Vatanen ist der Sohn des früheren Rallye-Weltmeisters Ari Vatanen und Manager von Weltmeister Sébastien Ogier. Der Finne fragt unverblümt: „Was, bist du jetzt Toyota-Werksfahrer? Da müssen wir doch mal übers Geschäft reden.“
Rätselraten um Toyotas WM-Rückkehr
Firmenerbe und Präsident Akio Toyoda versicherte vergeblich, seine Visite bei der Rallye Finnland sei nur privater Natur. Der viermalige Weltmeister Tommi Mäkinen nahm den Japaner in einem selbst entwickelten Turbo-GT86 mit Subaru-Allradantrieb über ein paar Rallye-Pfade mit und heizte die Gerüchteküche zu WRC-Ambitionen seiner Firma Tommi Mäkinen Racing an. Motorsport-Fan Toyoda winkte ab: Es sei doch alles nur Spaß gewesen. Die Tests des Yaris WRC sind – wenn auch finanziell auf Sparflamme – durchaus ernst gemeint. Im Raum steht eine WM-Rückkehr mit Einführung eines modifizierten Reglements 2017. Favorit ist aber nicht der GT86, sondern der nächste Yaris. Toyoda gab zu Protokoll: „Rallye-Sport gehört zum genetischen Code unserer Firma.“ Der 54-Jährige ließ sich am Ende von VW-Sportchef Jost Capito den Servicepark zeigen. Volkswagen will Toyota zur Rückkehr bewegen. Toyoda kokettiert: „ Ich würde ja gern, aber auf mich hört in dieser Firma leider keiner.“