VW Passat Coupé 3.6 V6 im Test
Nun steigt auch VW mit dem Passat-Derivat CC in die junge Gattung der viertürigen Coupés ein. Mit viel Technik wird das Comfort Coupé zum Top-Modell hochgerüstet. Ein Erfolgsrezept?
„Und das soll ein Passat sein?“ Der Fahrer eines Passat Variant umschleicht den parkenden CC wie der Luchs seine Beute. Dann ein erhobener Daumen. „Hätte ich nicht gedacht, dass so was aus Wolfsburg kommt.“ Der Achtungserfolg scheint auf jeden Fall gesichert. Ein potenzieller Kunde also für das viertürige Coupé? Wohl eher nicht – zumindest nicht für die 300?PS starke und in Grundpreis 40.800 Euro teure Top-Version, dem neuen Wolfsburger Aushängeschild.
Komfort wird groß geschrieben
Denn das Comfort Coupé CC soll in einem anderen Revier wildern. Dort, wo Mercedes mit dem CLS den Boden bereitet hat. Eine VW-Strategie mit Tradition: Abwarten und dem Trend mit einem Nachzügler folgen. Bei Touran, Touareg und Tiguan hat das Rezept geklappt, bei der Luxuslimousine Phaeton jedoch weniger. Also birgt die Sache mit dem CC gewisse Risiken, denn der soll kein veredelter Passat sein, sondern eine Art kleiner Phaeton. Schick anzusehen, zweifellos, aber eben auch ein Fanal: Wir können auch anderes als nur 15 Millionen erfolgreiche Biedermänner bauen. Vollgepackt mit Innovationen soll der CC sogar zum Technologieträger werden.
Viel Passat ist äußerlich trotz der bewährten Plattform nicht geblieben. Nur der Radstand bleibt unverändert, in Länge und Breite hat die gänzlich eigenständige Karosserie leicht zugelegt, dafür duckt sie sich 55 Millimeter tiefer als die Limousine. Das lässt den VW-Neuling gestreckter erscheinen als den zwölf Zentimeter längeren Mercedes CLS. So viel Design-Ästhetik hat ihren Preis. Vor allem für die Insassen im Fond. Kann man sich noch daran gewöhnen, dass beim Zusteigen der Kopf über Gebühr eingezogen werden muss, ist das auf den beiden Einzelsitzen schon schwieriger.
Zu wenig Kopffreiheit
Menschen der Dimension 180+ erleben hautnah die Bedeutung des Begriffs Coupé – beschnitten. Trotz zufriedenstellendem Fußraum und gut ausgeformten Sitzen: Kopffreiheit ist für sie nicht wirklich vorhanden. Selbst vorn ist sie nicht üppig, aber ausreichend. In den Sitzen ruht man wie in Abrahams Schoß. Seitenführung, Lehnenverstellung einschließlich Lordosenunterstützung, Sitzergonomie – da passt praktisch alles, auf Wunsch elektrisch einstellbar. Und das im Prinzip von der Limousine übernommene zweifarbige Cockpit imponiert in seiner unaffektiert zurückhaltenden Eleganz.
Ins Bild passt das erfreulich aufgeräumte Dreispeichen-Multifunktionslenkrad. Imponierend, dass die Fülle einstellbarer Funktionen auch ohne Drucktasten-Schlachtfeld auskommt. Die Klimaanlagen-Klaviatur auf der Mittelkonsole erklärt sich selbst. Das Touchscreen-Display samt Tasten-Umfeld erfordert Eingewöhnung, ist aber logisch aufgebaut. Seltener gebrauchte und deshalb komplexere Einstellungen (wie Front-Assist oder Spurhaltesystem) werden über Lenkradtasten aktiviert. Das ist sinnvollerweise nur im Stand möglich.
3,6-Liter-V6 mit Doppelkupplung und Allradantrieb
Wer bislang noch Zweifel an den Premium-Qualitäten des Biedermann-Ablegers hat, dem werden sie spätestens mit der Top-Version genommen. Zum begabten Sportler macht ihn nicht allein der 3,6-Liter-V6, es ist das Gesamtpaket mit dem automatisierten Doppelkupplungsgetriebe, dem fast unmerklich, aber wirkungsvoll eingreifenden Allradantrieb und der erstmals bei VW verfügbaren adaptiven Dämpferregelung. Deren einstellbare Stufen (Comfort, Normal und Sport) kann man getrost als Beschäftigungstherapie abhaken.
Wer Comfort einstellt, für den sorgt das System auf Schlechtwegstrecken ohnehin gezielt für die nötige Dämpferanpassung und sicheren Kontakt. Da scheint sich der CC auf Kurven geradezu zu freuen. Dabei bietet das Fahrwerk allzeit einen perfekten Kompromiss aus Direktheit und Komfort.
Mit seiner (geschwindigkeitsabhängig variierenden) elektromechanischen Lenkung nimmt der CC präzise jede Biegung, vermittelt dabei eine Agilität, die seine knapp 1,7 Tonnen Gewicht fast vergessen lassen. Der präsente, aber unaufdringliche Motor ist Herz und Seele.
Dynamischer Antritt
Er legt dynamisch los, als sei Masse kein irdisches Limit. Für ein Allradauto mit 300 PS ist ein Durchschnittsverbrauch von 13 Litern/100 km noch so manierlich, wie es sich fürs Portemonnaie von Kunden ziemt, die nicht den Stern oder den weiß-blauen Propeller im Blick haben. Fürs Sortieren der sechs Gänge – üblicherweise automatisch – ist das Doppelkupplungsgetriebe zuständig. Die Geschmeidigkeit einer Wandlerautomatik geht ihm freilich ab, dem Verbrauch allerdings soll das nutzen. Wer den Tacho aus den Augen lässt, ist schneller auf 180, als er glaubt, weil sich der Passat CC akustisch eher verhalten gibt. Die elektronische Begrenzung auf 250 km/h ist premiumübliches Understatement. Mit Allrad-Traktion, Agilität, Temperament und vor allem einem Preisvorteil von gut 20.000 Euro gegenüber dem Mercedes CLS 350 CGI dürfte er ein ernsthafter Bewerber im Segment viertüriger Coupés werden.
Wem das nicht genug Premium ist, für den stehen jede Menge zusätzliche Ausstattungsattribute zur Wahl wie eine radarbasierte Distanzregelung plus Front- Assist, der notfalls bis zum Stillstand bremst, ein automatisch einlenkender Einparkassistent, Rückfahrkamera, Klimasitze und viele Goodies mehr. Ein stetiges, aber laues Windchen ist der Passat damit beileibe nicht mehr. Eher hätten sich die VW-Strategen beim CC zu einem anderen Namen durchringen können. Wie wär’s zum Beispiel mit Mistral?