Hymer ML-T 580 4x4 im Test

Der Sprinter mit Vorderradantrieb und Alko-Chassis taucht bei immer mehr Marken im Programm auf. Hymer hält daneben auch dem Konzept mit Heck- oder Allradantrieb die Treue.
Mit der Vorstellung der ML-T-Baureihe auf dem Sprinter Anfang 2014 startete eine neue Ära der Kooperation zwischen den beiden schwäbischen Fahrzeugbau-Größen Hymer und Mercedes. Inzwischen setzen sieben der zehn aktuellen Baureihen aus Bad Waldsee ganz oder teilweise auf den Sprinter als Basis – in den meisten Fällen mit Vorderradantrieb und SLC-Spezial-Tiefrahmen. Braucht es da überhaupt noch den ML-T?
Mit seinem schmalen Aufbau – 2,22 Meter Außenbreite – auf dem hinterradgetriebenen Sprinter spricht der ML-T speziell zwei Zielgruppen an: Paare, die einen handlich und komfortabel zu fahrenden Teilintegrierten suchen und den Sechszylindermotor mit Automatikgetriebe schätzen. Oder jene, die mit ihrem TI auch etwas abgelegenere Reiseziele ansteuern wollen und deshalb den respektablen Mercedes.Allradantrieb mit Höherlegung und Untersetzung wählen – wie im Test-ML-T 580 4 x 4.
So fährt sich der Allrad-Sprinter
Die Fahreigenschaften machen also einen wesentlichen Teil des ML-T-Reizes aus. In der getesteten Konfiguration treibt zwar nur der stärkste Vierzylinder mit 163 PS das Fahrzeug an, doch das reicht für gepflegtes Vorankommen auch ohne Sechszylinder-Glanz. Viel mehr empfiehlt sich dazu die Siebengang-Wandlerautomatik, die jetzt – anders als beim Vorgänger – auch mit dem Allrad gepaart werden kann. Ein spürbarer Komfortgewinn in allen Lebenslagen. Beim feinfühligen Rangieren im Gelände ebenso wie bei der Nutzung der Assistenzsysteme, insbesondere des Abstandsregeltempomaten.
Etwas nerven kann schon mal der Spurhalteassistent, der bei Annäherung an die Fahrbahnbegrenzungslinien durch Anzeige im Display und Vibration am Lenkrad warnt, um dann recht rabiat durch Bremseingriff die Fuhre wieder in die Spur zu zwingen – unter spürbarem Tempoverlust. Systeme mit aktiver Lenkung arbeiten da deutlich eleganter.
Die bekannt komfortable Federung des heckgetriebenen Sprinter zeichnet im Prinzip auch die Allradversion aus, ist hier allenfalls eine Spur straffer. Auch die Geräuschkulisse bleibt zurückhaltend, wozu der solide Hymer.Auf- und -Ausbau seinen Teil beiträgt, ebenso wie die Serienbereifung, die in den vorderen Radhäusern allerdings etwas verloren wirkt. Wer öfter Abstecher ins Gelände plant, sollte unbedingt über eine passende All-Terrain-Bereifung nachdenken. Die Onroad-Pneus werden abseits befestigter Wege schnell zum limitierenden Faktor. Nicht nur, dass sie empfindlicher sind für Schäden, sondern das Profil setzt sich auf matschigem Grund auch schnell zu, und dann helfen auf Steilstücken Allrad, Untersetzung und selektive Bremseingriffe auch nicht mehr weiter.
Bei genügend Grip krabbelt der ML-T dagegen, insbesondere mit der empfehlenswerten Geländereduktion (1:1,42), langsam, kontrolliert und stoisch über Stock und Stein. Dank der Höherlegung um 15,5 Zentimeter vorn und 13,5 hinten wachsen die Überhangs- und Rampenwinkel auf beruhigende Werte, ohne dass der ML-T 4 x 4 gleich zum „Offroad-Tier“ wird. Die geringere Höherlegung hinten sorgt jedoch für eine generelle Schräglage, die etwas unharmonisch wirkt.
Noch mehr Geländetalent?
Wer noch mehr Geländetalent anstrebt, sollte eines der beiden 24 Zentimeter kürzeren ML-T-Modelle wählen und eventuell über eine, allerdings noch kostspieligere Allradumrüstung von Spezialist Iglhaut nachdenken, die unter anderem eine stärkere Höherlegung ermöglicht. Klar sein muss man sich aber auch über die Nachteile: Schon beim Werksallrad ist der Zustieg ins Fahrerhaus und in den Aufbau spürbar mühsamer. Neben einem höheren Spritverbrauch kostet der Allrad aber auch Zuladung – mindestens 140 Kilo.
Eine Zulassung als 3,5-Tonner ist zwar auch dann noch möglich, doch wenn man sich noch ein paar weitere Annehmlichkeiten gönnen möchte –wie Automatikgetriebe, Smart-Battery-System und Markise wie im Testwagen –, sorgt die Auflastung auf 4,1 Tonnen für angemessene Verhältnisse.
Der ML-T 580 ist für zwei Personen ausgelegt
Ein Hubbett über der Sitzgruppe gibt es nicht. Wer noch jemand mitnehmen möchte, kann die Sitzgruppe in ein Notbett verwandeln oder den Enkel im zugebauten Graben zwischen den Einzelbetten nächtigen lassen. Letztere strecken sich mit 1,85 und 1,89 Meter aber nicht gerade auf Gardemaß. Wem das nicht reicht, der kann auf das deutlich längere Einzelbettenmodell 620 zurückgreifen oder die Option XXL-Bett wählen, die zumindest das rechte Exemplar um stattliche 23 Zentimeter verlängert – zu Lasten des angrenzenden Kleiderschranks.
Dank der 14,5 Zentimeter dicken, hochwertigen Matratzen schläft man trotz schlichtem Abstandsgewirke darunter recht bequem. Dennoch lohnt es sich, die optionalen Tellerfederroste in Erwägung zu ziehen. Darüber hinaus ist die Ausstattung mit Beleuchtung, Steckdosen und Ablagen rundum praxisgerecht.
Das Bad links davor kann formal wie funktional überzeugen. Die Tür mit Klinkenschloss vermittelt ähnliche Solidität wie das Waschbecken aus Mineralwerkstoff. Die Banktoilette vereinfacht das Sauberhalten. Davor gibt es reichlich Beinfreiheit, denn die Dusche wird im Normalfall mitgenutzt – zur Not ist auch eine Parallelnutzung möglich. Die Duschkabine selbst ist für korpulentere Naturen etwas knapp. Weitgehend komplett zeigt sich die Ausstattung mit Ablagen, Kleiderhaken, Spiegeln, Klorollenhalter und Netzsteckdose.
Gegenüber macht sich die Küche so lang wie möglich – ein klappbares Brett erweitert die Arbeitsplatte noch in den Einstieg hinein. Das ist auch nötig, denn Arbeitsfläche gibt es ansonsten nur auf den Glasabdeckungen von Kocher und Spüle. Letztere geizt etwas mit Beckenbreite. Große Pfannen sind darin nur mühsam zu spülen. Der geräumige Hängeschrank und drei breite Schubladen kümmern sich bereitwillig um die Kochgerätschaften. Für verderbliche Waren steht direkt im Anschluss ein 142-Liter-Kühlschrank parat.
Die Sitzgruppe mit ihrer mittelgroßen, nicht erweiterbaren Tischplatte reicht gut für zwei und nimmt bei Bedarf noch zwei Gäste auf. Die optionale L-Bankvariante ist für Paare die gemütlichere Wahl. Einen Seitensitz gegenüber etwa zum Füße hochlegen gibt es aber nicht. Das TV-Gerät an der Badwand lässt sich per Auszug auf bequeme Sichthöhe bringen. Das optionale Skyroof über dem Cockpit zusammen mit dem serienmäßigen Dachfenster macht die Sitzgruppe hell und luftig. Schränke gibt es im T-Hauben-Ausbau zwar keine, und auch auf Bodenfächer muss die Besatzung mangels Keller verzichten. Zwei gut zugängliche Kleider- und sieben Hängeschränke bieten für zwei Reisende aber angemessenen Stauraum.
Die geräumige Heckgarage, die mit sieben Kleinteilfächern aufwartet und auch sonst rundum gut ausgestattet ist, kommt noch hinzu. Optional lässt sich deren Traglast sogar von 350 auf 450 Kilo erhöhen. Gut möglich aber, dass vorher die Hinterachse überladen ist. Mit gewichtigen Extras, die am Heck angebaut sind, wie Anhängekupplung und Ersatzrad, plus schwerem Gepäck in der Garage muss man die Situation hier im Auge behalten. Eine weitere Auflastung über 4,1 Tonnen hinaus gibt es nicht.
Aufbau- und Bordtechnik
Auch der ML-T setzt inzwischen auf den stabilen Alu-PU-Alu-Aufbau mit GfK-Unterboden – eine gute Basis, damit sich auch bei mäßigen Geländefahrten nichts verwindet und der Ausbau nicht anfängt, Geräusche zu machen.
Zum Offroad-Spirit passt auch perfekt das sogenannte Smart-Battery-System von Hymer. Grundidee des Systems ist, die serienmäßige 95-Ah-AGM-Batterie durch einen 135-Ah-Lithium-Akku zu ergänzen, natürlich inklusive passender Ladetechnik. Durch die intelligente Steuerung können beide Batterietypen ihre Vorteile voll ausspielen. Als optimale Ergänzung empfiehlt sich dazu eine Solaranlage und für noch mehr Autarkie eine zweite AGM-Batterie, eventuell plus Wechselrichter. Sorgen um den Stromnachschub sind damit passé. Alle drei Batterien kommen beim ML-T platzsparend in einem Schürzenfach unter.
Die Wassertanks haben mit 120 Liter Frisch- und 100 Liter Abwasser eine für zwei Personen angemessene Größe. Angenehm: Der Ablassschieber für das Grauwasser lässt sich via Schalter im Cockpit elektrisch bedienen. Für Wintercamper gibt es das ausgetüftelte Arktis-Paket mit Warmwasserheizung inklusive Bodenerwärmung bis hin zur Garage und Isoliermatten für das Fahrerhaus. Für das umfangreiche Paket werden allerdings 5.690 Euro extra fällig.
Die wichtigsten Infos auf einen Blick:
- Gurte/Schlafplätze: 4/2–3
- Zul. Gesamtgewicht: 3.500–4.100 kg
- Länge/Breite/Höhe: 6,98/2,22/2,90 m
- Grundpreis ab: 68.990 Euro
Abmessungen und Aufbau
- Küche 925/1200 x 930 x 345–560 mm, 2 Hängeschränke, 3 Schubladen, Absorberkühlschrank 142 L, Gefrierfach 15 L
- Kleiderschränke vorn: 210 x 1660 x 300–560 mm (ca. 150 L), hinten: 675 x 760 x 550–720 mm (ca. 325 L), 7 Hängeschränke, 1 Stufenfach
- Sitzgruppe Bankbreite 920–1070 mm, Polster 130 mm, 2 Dreipunktgurte, Tisch 750–860 x 760 x 640 mm, Umbaubett 1780 x 500–1100 mm
- Sanitärraum 1250 x 1850 x 850 mm, 1 Hänge-, 1 Unterschrank, 6 Ablagen, integrierte Dusche 810 x 1880 x 600 mm, Kassettentoilette
- Heckgarage 990–1265 x 1270 x 2040 mm (ca. 3240 L), 2 Zugänge (max. 980 x 1220 mm), 1 Außenstaufach 460 x 275 x 400 mm (ca. 50 L)
- Einzelbetten links: 1890 x 630–780 mm, rechts: 1850 x 789 mm, Matratzen 145 mm, Kaltschaum, Abstandsgewirke, Kopffreiheit 500–835 mm
- Außenbreite: 2215 mm
Daten und Messwerte
- Auf- und Ausbau: Sandwich-Bauweise, PU-Verstärkungen, außen und innen Alu, Boden GfK, Isoliermaterial Wand/Dach/Boden PU/PU/XPS, Wandstärke Wand/Dach/Boden 34/34/41 mm, kein Doppelboden, 4 Kunststoff-Isolierfenster mit Alu-Rahmen, 2 Dachhauben, 2 Panorama-Dachfenster.
- Bordtechnik: Gas-Gebläseheizung/Boiler Truma Combi 6, 9 Ausströmer (2 x Fahrerhaus, Sitzgruppe, Einstieg, hinterer Gang, Bad, 2 x Heckbetten, Garage), Wasseranlage: Frisch- und Abwasserschläuche, Tauchpumpe.
- Basisfahrzeug: Mercedes Sprinter 416 CDI 4 x 4, Leiterrahmen, zuschaltbarer Allradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2143 cm3, Leistung120 kW/163 PS bei 3800/min, Drehmoment 380 Nm bei 1400–2400/min, Siebengang-Automatikgetriebe.
- Fahrleistungen: Beschleunigung 0–50/80/100 km/h 6,1/13,6/22,0 s; Elastizität 60–80/100 km/h (4.//5. Gang) 5,0/12,2//5,6/13,5 s, (6. Gang) 80–100 km/h 7,9 s; Testverbrauch 12,2 L/100 km.
Preise und Ausstattung
- Grundpreis: 68.990 Euro (Mercedes Sprinter 414 CDI, Motor 105 kW/143 PS) mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II
- Testwagenpreis 112.560 Euro
Preisliste:
163-/190-PS-Motor (3/24 kg): 990/5.280 Euro Auflastung 3,88/4,10 t zGG (0/0 kg): 0/260 Euro Allradantrieb/Untersetzung (141/5 kg): 11.390/600 Euro Automatikget./el. Parkbremse (48/0 kg): 2.690/320 Euro Bettverlängerung rechts/Tellerfederrost: 295/490 Euro Smart-Battery-System (25 kg): 2.490 Euro Garantieverläng. um 12/24/36 Monate: 549/999/1.499 Euro Arktis-Paket mit Warmwasserheizung inkl. Fuß- und Garagenboden, Motorwärmetauscher u. a. (112 kg): 5.690 Euro
Wertung