Motorräder in der Kaufberatung
Zweirädrige Einheitsware? Vergessen Sie’s. Die Zweirad-Szene ist vielfältiger denn je.
Was in diesem Jahr trendy ist? Na alles! Der Kehrbesen der Euro-4-Norm plus ABS-Pflicht ist so langsam durch. Egal ob Retro oder Futur, die Motorradmode präsentiert sich unprätentiös. Alles ist erlaubt, vom coolen Bobber-Umbau ab Werk über den dreizylindrigen Landstraßenräuber bis zu Fulldresser-Reise-Enduro und Hypersportler. Superlative? Kann, muss aber nicht. Betrachten wir nur mal die Herde pfiffiger Alltagsmotorräder, gern auch als 48-PS-Variante für unsere Freunde mit A2-Führerschein. Galten Mittelklasse-Bikes mit Zweizylinder früher nicht unbedingt als Pulsbeschleuniger, so hat sich das inzwischen geändert. Clevere Produktionsmethoden helfen, dass sich Bezahlbarkeit und cooler Auftritt nicht mehr ausschließen.
Nehmen wir nur mal die Kawasaki Z 650 und Ninja, die die ER-6-Geschwister (Platz vier in Deutschland) beerben. 20 Kilo runter dank neuem Gitterrohrrahmen und veränderten Anbauteilen (187 Kilo gesamt), mehr Drehmoment und Leistung untenrum plus verbesserte Kupplung sowie leichtere Räder sorgen für unbeschwerten Fahrspaß sowie attackige Fahrleistungen (0–100 km/h in 3,9 Sekunden). Und der Preis ist mit 6.695 Euro für das Naked Bike auch noch heiß. Ninja-Fans schwingen sich für einen halben Tausender mehr auf die vollverkleidete Variante inklusive verstellbarer Frontscheibe.
Die Husky beißt zu
Verstellbare Frontscheibe. Für Fans der Husqvarna 701 Supermoto unnötiger Tinnef. Wenn die etwas verstellen, dann höchstens die Federelemente ihrer bissigen Einzylinder-Supermoto. Ein 9.695-Euro-Exot? Nicht unbedingt, eher der moderne, Euro-4-konforme Ableger des 2016er-Gassenhauers 690 SMC R von Konzernschwester KTM, der im letzten Jahr auf Platz sechs der deutschen Zulassungsstatistik ballerte. Zu Recht, jubeln alle, die das 160 Kilogramm schlanke Gerät schon über kurvige Landstraßen zwirbeln durften. Steifer Gitterrahmen, solide Ausstattung, feinfühliges Fahrwerk und ein 75 PS starker Einzylinder, der mit den Eintöpfen früherer Tage nichts mehr gemein hat, enormen Punch mit guten Manieren verbindet.
Mit identischer Spitzenleistung, aber doch komplett anders brummt die Ducati Scrambler jetzt neu auch als Desert Sled mit Offroad-Aroma los.
Ducati im XT 500-Look
Den Älteren unter uns, also Ü30, dürfte die Farbkombi bekannt vorkommen. Goldene Speichenfelgen und silberner Tank – na? Richtig: Yamaha XT 500, der Enduro-Klassiker. Das Thema ist durch, doch die Stichworte Ducati, Scrambler und Retro bleiben aktuell. Vor allem bei einem so gekonnten Mix aus luftgekühltem 803-Kubik-V2, 200 Millimetern Federweg, breitem Enduro-Lenker, haftstarken Allround-Reifen plus coolem Zeug wie dem Lampengitter (mit ABE). Wer mit diesem trendigen Multitool herumbrummen will, sollte je nach Wunschlackierung knapp 11.000 Euro oder mehr bereithalten. Ähnlich die Triumph Street Scrambler: ebenfalls zweizylindrig, allerdings in Reihe, wassergekühlt und überschaubare 55 PS stark. Aber das Drehmoment: 80 Newtonmeter bei 2.850 Umdrehungen. Viel und früh – klasse für Biker, die tiefenentspannt durch die Gegend schlurfen, vielleicht sogar mal über einen Schotterweg scramblern wollen. Und sich dabei denken: Warum nicht gleich so? Im Vergleich zur wenig perfekt arbeitenden Vorgängerin hat sich die Neue rausgemacht: optisch mindestens so toll, dazu solide verarbeitet, mit liebevollen Details und jetzt auch angemessen geschmeidig fahrend.Übrigens dürfen alle, denen das Gescramble, vollbehaarte Gesichter und Tunnelohrringe auf den Keks gehen, gern zur Street Cup greifen. Statt 19-Zoll-Vorderrad und hochgelegtem Auspuff trägt sie dezenten Straßensport samt Soziushöcker zur Schau – auch nett.
Nett, okay – doch macht das schneller? Fragen Supersport-Fans und geben sich selbst die Antwort. Etwa mit dem Revival der Suzuki GSX-R 1000, 203 PS stark mit variablen Einlasssteuerzeiten. Dank Schaltassistent kann der Pilot die Gänge bei Volllast durchladen, braucht beim Runterschalten keine Kupplung.
Reise-Enduros für den Abenteurer
Traktionskontrolle hilft, die Leistung ohne Schlupf oder Wheelie auf den Asphalt zu bringen, das ABS erkennt Schräglagen. Ach so, Sie möchten lieber reisen als flitzen. Nun, dann empfehlen wir kleine Reise-Enduros wie die Kawasaki Versys-X 300 für das Fernweh zwischendurch, Suzuki V-Strom 650, BMW F 700 oder 800 GS sowie Yamaha Tracer 700 für den spaßigen Abmarsch durch die Mitte. Oder gleich das endureske Oberhaus mit Honda Africa Twin, KTM 1290 Super Adventure, Ducati Multistrada oder BMW R 1200 GS.
Die letzten drei bieten ähnlich einem Top-SUV ein All-inclusive-Paket bei Leistung, Komfort, Ausstattung und Hilfselektronik, während die Honda das Thema reduzierter, aber trotzdem konsequent angeht. Relativ schlank und leicht, mit einem 95 PS starken Reihenzweizylinder statt hubraumstarker Powerblöcke von BMW (125 PS) oder KTM (160 PS). Stopp, BMW hat bereits erkannt, dass es ein Leben abseits des technischen Overkills gibt, und bringt mit der R nineT Urban G/S ein griffiges Zitat der R 80 G/S von 1980, mit der die zweizylindrige Enduro-Welle einst startete. So, und wann starten Sie jetzt endlich?