Warum Ferrari dem Testarossa nur einen Spiegel gab

Nur ein Außenspiegel und trotzdem eine Ikone: Der Ferrari Testarossa Monospecchio treibt die Reduktion auf die Spitze. Doch hinter dem asymmetrischen Design steckt mehr als Ästhetik: ein technisches Statement, das bis heute polarisiert – und bei Sammlern für Höchstpreise sorgt.
Im Jahr 1984 präsentierte Ferrari den Testarossa – einen Sportwagen mit auffälliger Breite, seitlichen Lufteinlässen und einem Design, das sofort als radikal galt. Noch radikaler war aber eine kleine, scheinbar nebensächliche Entscheidung: Nur auf der Fahrerseite montierte Ferrari einen Außenspiegel. Diese asymmetrische Lösung wurde als "Monospecchio" bekannt – abgeleitet vom italienischen "uno specchio", also "ein Spiegel".
Was auf den ersten Blick wie ein Konstruktionsfehler wirkt, war tatsächlich eine Kombination aus technischer Notwendigkeit und gestalterischem Mut. Der Monospecchio war auf halber Höhe der A-Säule montiert, um dem Fahrer trotz des breiten Hecks eine bestmögliche Rücksicht zu ermöglichen. Der zweite Spiegel auf der Beifahrerseite fehlte – nicht etwa aus Kostengründen, sondern wegen der damaligen italienischen Zulassungsrichtlinien, die nur einen Spiegel vorschrieben. Ferrari nutzte diese Lücke und schuf damit ein Designmerkmal mit Kultstatus.
Technik trifft Design: Aerodynamik als Argument
Die Entscheidung gegen einen zweiten Spiegel hatte aber nicht nur optische Gründe. Im Windkanal zeigte sich: Je weniger Karosserieanbauten, desto besser der Luftfluss. Der Testarossa war mit seiner Breite von 1,97 Metern ohnehin eine Herausforderung für die Aerodynamik. Der Monospecchio-Spiegel war aerodynamisch günstiger als die späteren Doppellösungen.
Für den Fahrer bedeutete das allerdings Einschränkungen. Der tote Winkel auf der Beifahrerseite war mit nur einem Spiegel kaum zu überblicken – vor allem beim Spurwechsel oder beim Rangieren war volle Aufmerksamkeit gefragt. In der Praxis war die Monospecchio-Lösung damit ein Stil-Statement, aber keine Komfortlösung.
Vom Technik-Detail zum Sammler-Traum
Die Monospecchio-Version wurde nur in den ersten Produktionsjahren von 1984 bis etwa 1986 gebaut – genaue Zahlen schwanken je nach Quelle. Besonders selten sind Exemplare in ungewöhnlichen Farben wie Weiß. Nur 15 Stück wurden laut Ferrari in dieser Lackierung ausgeliefert.
Ein solches Fahrzeug kommt nun bei RM Sotheby’s unter den Hammer: Ein weißer Testarossa Monospecchio mit nur 55.318 Kilometern, überholtem Motor und Ferrari Classiche-Zertifikat. Der geschätzte Auktionserlös liegt bei 300.000 bis 400.000 Euro – weit über dem Durchschnittswert eines normalen Testarossa dieser Baujahre, der laut Classic Analytics bei etwa 166.800 Euro liegt.
Dieser enorme Preisaufschlag zeigt: Technische Eigenheiten wie der Monospecchio-Spiegel wirken auf Sammler wie ein Echtheitszertifikat. Je spezieller das Bauteil, desto exklusiver das Fahrzeug. Und was einst als pragmatische Lösung begann, ist heute ein Preistreiber erster Güte.