Ab diesem Alter sind Kinder bereit für ein Smartphone

Ab welchem Alter sollten Kinder ein eigenes Handy besitzen? Diese Frage stellen sich viele Eltern. "Wenn es bis zwölf ohne Smartphone funktioniert, ist das ideal", sagt Medienpädagogin Dr. Maya Götz dazu. Im Interview mit spot on news erklärt sie zudem, wie Eltern den Nachwuchs im Umgang mit Medien unterstützen können.
Kinder bekommen ihr erstes Smartphone immer früher. Unter den 8- bis 9-Jährigen sind es einer Bitkom-Studie zufolge fast 70 Prozent. Ab wann ist die Nutzung gerechtfertigt?
Dr. Maya Götz: So spät wie es geht. Wenn es bis zwölf ohne Smartphone funktioniert, ist das ideal. Denn in dem Alter besitzen sie genug Kompetenz, um damit umgehen zu können. Das heißt aber nicht, dass sie vorher nicht beispielsweise lernen sollten, wie man in einer WhatsApp-Gruppe kommuniziert. Denn viele Viertklässler haben einen Klassenchat. Eltern können sich dafür ihr Handy mit den Kindern teilen und mit ihnen darüber reden, wenn etwas Unangebrachtes geschrieben wird. Dann können sie das ansprechen und fragen: "Wie würde es dir gehen, wenn du das liest?"
Wie sollten Eltern damit umgehen, wenn sich ihr Kind schon früher als mit zwölf Jahren ein Handy wünscht - zum Beispiel, weil alle anderen bereits eins besitzen?
Götz: Man muss nicht allem nachgeben. Eltern sollten ihren Kindern ganz klar sagen: "Es ist schön, dass es bei anderen so ist. Jede Familie hat aber ihre eigenen Regeln und bei uns ist es so." Gleichzeitig sollten sie auch sehen, dass hinter dem Wunsch ein Bedürfnis steht. Deshalb ist es für Eltern wichtig, sich mit Fragen auseinanderzusetzen wie: Wie kann ich diesem Bedürfnis nachkommen? Wie können sie vorher Medienkompetenzen lernen, bevor sie ihr eigenes Handy bekommen? So kann dann ein Weg gefunden werden, wie das eigene Kind in die Smartphone-Kultur reinwachsen kann.
Was halten Sie von technischen Hilfsmitteln wie Bildschirmzeit-Begrenzungen oder Kindersicherungen?
Götz: Sie sind auf jeden Fall sinnvoll. Je jünger die Kinder, desto mehr sollten sie genutzt werden. In dem Augenblick, in dem ein Kind ein Medium entdeckt, muss die Medienerziehung beginnen. Es muss lernen, auszuschalten und auch auszuwählen. Zu schauen: Wie geht es mir damit? Was tut mir gut und was nicht? Da brauchen Kinder Unterstützung und bei der Dauer des Konsums kann eine Bildschirmzeit-Regelung helfen. Zusätzlich sollten Eltern die Inhalte prüfen, die ihr Kind konsumiert. Dabei hilft unter anderem das ARD Kinderprofil. Dieses unterstützt die Eltern bei der Auswahl von kindgerechten Inhalten, da sie dort bereits altersgerecht angepasst und kuratiert wurden.
Inwiefern sollten Eltern die Inhalte prüfen?
Götz: Die FSK- oder FSF-Einteilung sind keine Empfehlung. Sondern sie sagen: Sind Kinder zu jung und sehen sich das Programm trotzdem an, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie ein traumatisches Medienerlebnis haben. Das heißt, dass sie davon beeinträchtigt werden. Deshalb sollten die FSK und FSF immer beachtet werden. Ganz wichtig ist es zudem, den Kindern eine Vielfalt anzubieten. Eltern sollten Medien heraussuchen, in denen die Kinder etwas über die Welt erfahren, wie in Wissenssendungen und Dokumentationen. Eltern können mit ihnen aber auch mal eine Spielshow ansehen. So bekommen Kinder ein Bild davon, was es alles gibt. Außerdem können sie so in sich hineinhorchen und erkennen, was ihnen gefällt.
Wie sollten sich Eltern verhalten, wenn Kinder in ein Alter kommen, in dem sie gegen ihre Regeln rebellieren?
Götz: Medien sind eines der größten Streitthemen in Familien. Eltern sollten sich klar machen: Mein Kind hat Rechte und es ist super, wenn es anfängt zu verhandeln, da es das sein Leben lang braucht. Das bedeutet nicht, dass sie immer nachgeben müssen. Wenn für sie eine rote Linie überschritten ist, sollten sie das äußern und vor allem begründen. Sie sollten erklären, warum etwas nicht zu den eigenen Werten passt. Dafür müssen sie sich natürlich etwas mit Medien auskennen und möglichst lange mit ihren Kindern zusammen schauen. Denn dann kann man auch anders argumentieren. Darüber reden und gemeinsam Wege finden - diese Dinge gehören zu den wichtigsten Erziehungsmomenten.
Wie können Eltern ihre Kinder aufklären, wenn sie selbst wenig technisches Knowhow oder Berührungspunkte mit dem Internet und Social Media haben?
Götz: Wenn es um das Handy und um soziale Medien geht, sind uns Kinder schnell weit voraus. Sie sind von Anfang an mit diesen digitalen Welten aufgewachsen und werden, wenn sie älter werden, uns in technischen Kompetenzen meist überlegen sein. Das ist eine tolle Chance sich die jeweilige Sache von den Kindern erklären zu lassen. Das ist auch ein ganz wichtiger Moment für das Kind, denn es kann etwas von sich erzählen. Es kann erzählen, mit welchen Themen es sich gerade beschäftigt. Gleichzeitig zeigt es den Eltern dann, wie etwas funktioniert.
Sollte Kindern Medienkompetenz auch in der Schule vermittelt werden?
Götz: Ich bin überzeugt davon, dass es auch in der Schule behandelt werden sollte. Die Schule ist einer der wenigen Orte, an dem Menschen aus allen Milieus unserer Gesellschaft und allen Bildungsgraden zusammenkommen. Das ist eine große Chance, die Probleme, aber auch die schönen Dinge zu entdecken. Dafür sind Vertretungsstunden da: Statt Galgenmännchen zu spielen, können die Lehrer eine Einheit über Fake News halten oder den Kindern zeigen, wie man am besten fotografiert und wie man damit Kunst schafft - es gibt so viel Wichtiges. Das gehört in die Welt, in der Kinder heute aufwachsen. Je mehr wir die Medienkompetenz, die wir jetzt haben, erweitern können, umso besser. Denn mit dem Aufschwung von Künstlicher Intelligenz wird noch so viel mehr benötigt werden.