Sharing is caring: Der Trend des Teilens

Wer teilt, ist glücklicher. Und so wie bereits andere alte Konzepte in modernem Gewandt heutzutage fröhliche Wiederauferstehung feiern, sieht es auch beim Teilen aus.
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir durch unseren Konsum den Planeten belastet: Alles was gekauft wird, muss schließlich auch produziert, transportiert werden – teilweise um den halben Globus. Aus dem Prinzip Reduce, Reuse, Recycle heraus, entstand deshalb ein weiterer Trend: Sharing. Teilen verbraucht deutlich weniger Ressourcen und belastet zudem die eigenen Kassen weniger. Vom geteilten Essen und Car-Sharing hin zur Strom-Cloud gibt es viele Konzepte. Was sie bringen, was praktikabel ist und wie man selbst zum Sharer wird, zeigen wir jetzt.
Nachhaltigkeit neu gedacht: Sharing
Menschlichkeit par Excellence
Schaut man sich das Prinzip des Teilens an fällt auf, dass es sich dabei um eine der ursprünglichsten mitmenschlichen Verhaltensweisen handelt. Nach schlechten Ernten teilten Menschen seit jeher Vorräte miteinander. Das Teilen eines warmen Tierfells sorgte in frostigen Steinzeitnächten nicht nur dafür, dass weniger Menschen frieren mussten, sondern dass es unter der Decke wärmer wurde.
Interessanter Weise ist Teilen damit ein Punkt, der uns von jedem anderen Lebewesen auf diesen Planeten abhebt: Kein Tier teilt aus uneigennützigen Gründen. Doch genau das, die Uneigennützigkeit, ist der Kern: Denn wer teilt, hat weniger für sich selbst. Eine vollkommen anti-egoistische Handlung, die dem Einzelnen zunächst Nachteile verschafft. Doch seit diesen frostigen Steinzeitnächten hat der Mensch eines gelernt: Teilen ist auf lange Sicht ein Element der Stärke. Und auch das macht den Menschen einzigartig: Er kann für die Zukunft planen.
Teilen im Wandel der Zeiten
Heutzutage ist Teilen eine karitative Maßnahme. Denn moderne Gesellschaften hängen nicht mehr so vom Einzelnen ab.
Je weiter sich die menschliche Gesellschaft entwickelte, desto mehr wandelte sich auch das Teilen. Spätestens mit dem Entstehen größerer Städte mit funktionierenden Wirtschaftskreisläufen verschwand die Notwendigkeit, durch Uneigennützigkeit allen einen Vorteil zu verschaffen. Mit dem Niveau wuchs jedoch das, was heute als „Moralischer Kompass“ definiert wird. Teilen war zwar nicht mehr lebenswichtig, Teilen war aber Ausdruck einer Mitmenschlichkeit geworden – auch durch verschiedene Religionen unterstützt. Im Christentum etwa ist das Brechen des Brotes eine der grundlegendsten Säulen der ganzen Religion.
Vor allem in den vergangenen hundert Jahren, in denen viele Nationen es an einen Punkt brachten, an dem die grundlegendste Versorgung problemlos möglich ist, trat das „Überlebens-Teilen“ immer mehr in den Hintergrund und das mildtätige, „soziale Teilen“ hervor. Natürlich bringt man seinen Kindern noch Teilen bei. Doch bedingt durch die gigantischen Bevölkerungszahlen wurde das ursprüngliche Prinzip schon rein technisch nicht mehr praktikabel. Gerade im Westen erblühte daher eine Kultur des „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Der Besitz half nicht mehr der Gemeinschaft, sondern nur noch dem eigenen Ansehen. Und das brachte eine weitere menschliche Handlungsweise hervor, die ebenso seit der Urzeit in uns steckt: den Egoismus.
Egoismus als globale Geißel
Die Menschheit mag sich zwar gewandelt haben, ihre Anzahl sich vermillionenfacht. Doch prinzipiell hat der Egoismus auch heute noch die gleichen langfristigen Auswirkungen wie damals in der Steinzeit:
- Heute – „zu Beginn des kalten Winters“ - möchte man das gleiche Ansehen wie sein Nachbar/Freund/Kollege haben. Also werden entsprechende Statussymbole angeschafft: Autos, Fernseher, Smartphones und Co.
- Wie die Ressourcen eines Steinzeit-Clans sind jedoch auch die globalen Ressourcen begrenzt. Wenn mehr produziert wird, müssen mehr Rohstoffe abgebaut werden.
- Morgen – „zu Beginn des Frühjahrs“ - sind die Ressourcen verbraucht, die Luft staubig, das Wasser verdreckt.
Und an diesem Punkt gerät auch die grundlegende Versorgung wieder ins Wanken. Heute etwa kann ein Großteil der Menschheit nur deshalb ernährt werden, weil massiv gedüngt wird. Morgen jedoch werden genau deshalb die Böden und Gewässer langfristig geschädigt sein. Der massenhafte Einsatz von Pestiziden wird zudem für das Bienensterben verantwortlich gemacht. Die Erträge brechen ein, es kommt zu Hungerkatastrophen. Genau das ist der Punkt, an dem Teilen dann wieder seinen ursprünglichen Zweck erreichen wird: Das Überleben einer Gruppe sicherzustellen.
Sharing als Gegentrend und Kombination
Mangelndes Teilen sorgt dafür, dass alles für jeden produziert werden muss. Bei sieben Milliarden Menschen ein gewaltiges Problem.
Nichts anderes als der Kampf gegen diesen Egoismus ist das moderne Sharing. Jene, die es praktizieren, haben verstanden, dass nicht jeder ein eigenes Auto benötigt, wo die tägliche Nutzungsdauer lediglich bei unter einer Stunde liegt. Sie haben verstanden, dass es günstiger ist, wenn mehrere Wohnparteien sich einen WLAN-Zugang teilen. Und sie haben auch verstanden, dass dieser Verzicht, der im Alltag meist kaum spürbar ist, je nach Produkt und Anwendung die Herstellung einer Handvoll bis hin zu mehreren tausend gleicher Produkte überflüssig macht und somit einer größeren Anzahl von Menschen diesen Luxus ermöglicht.
Und damit wird das moderne Sharing zu einem faszinierenden Mix: Denn es enthält sowohl Komponenten des ursprünglichen „Überlebens-Teilens“, als auch des sozialen Teilens.
Warum Reduzieren so wichtig ist
Mensch, Menschen!
Damit nehmen die heutigen „Sharer“ eigentlich nur etwas vorweg, was uns mittelfristig gar nicht erspart bleiben wird. Und zwar aus zwei Gründen:
- Zunehmende Technisierung
- Wachsende Weltbevölkerung
Zwei Punkte, die nur auf den ersten Blick wenig gemein haben, auf den zweiten jedoch untrennbar miteinander verflochten sind. Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung der Weltbevölkerung. Vom Beginn unserer Zeitrechnung an bis Anfang des 20. Jahrhunderts, also über einen Zeitraum von fast 2.000 Jahren, stieg sie gerade mal von 0,3 auf 1,65 Milliarden. Doch in den nur gut 100 Jahren zwischen 1900 und heute hat sie sich von diesen 1,65 auf fast 7,5 Milliarden vervielfacht.
In den gleichen Zeitraum fiel auch eine Phase der Hochtechnisierung, wie sie die Menschheit niemals zuvor in einem vergleichbar kurzen Zeitraum gesehen hatte. Das Segel, als Antriebsmittel von Schiffen etwa, wurde fast sieben Jahrtausende lang genutzt – den allergrößten Teil davon ausschließlich. Doch seit im 19. Jahrhundert die ersten Dampfschiffe aufkamen, hat sich allein diese Antriebsform gleich mehrfach gewandelt. Ähnlich sieht es im Ackerbau, der Medizin aus. Überall sorgte die Technisierung dafür, dass mehr Menschen nicht nur über-, sondern vergleichsweise gut leben konnten.
Es geht bergab
Und diese „Menschenexplosion“ hat ebenfalls zweierlei Dinge zur Folge:
- Es werden immer mehr neue Entwicklungen getätigt – klar: Unter 7,5 Milliarden Menschen finden sich mehr kluge Köpfe als unter 0,3 Milliarden.
- Immer mehr Menschen müssen versorgt werden.
Das ist eine Abwärtsspirale, die sich nur durch Reduktion der Bevölkerungszahl bremsen lässt oder dadurch, dass die Einzelnen sich damit begnügen, weniger Güter für ihre ausschließlich persönliche Verwendung zu besitzen.
Die Erde verfügt nun mal nicht über genug Ressourcen, um sieben oder noch mehr Milliarden Menschen ein eigenes Smartphone zu ermöglichen. „Seltene Erden“ heißen nicht so, weil es davon so viele gäbe, dass jeder ein privates E-Auto besitzen könnte. Teilen jedoch ist eine probate Möglichkeit, einem Großteil der Bevölkerung eine Teilhabe an all den Entwicklungen zu ermöglichen – auch langfristig.
Geteilte Bereiche
Doch genug der gesellschaftlichen Theorie. Werfen wir einen Blick darauf, welche Sharing-Konzepte bereits entstanden und in welchen Bereichen sie brillieren.
Carsharing
Bereits weiter oben wurde erwähnt, dass die meisten Privatautos 23 Stunden am Tag herumstehen. Genau das macht sich Car-Sharing zunutze und zwar überaus erfolgreich.
In der Praxis besitzt ein Car-Sharing-Anbieter eine Fahrzeugflotte, die von einer größeren Personengruppe genutzt werden können. Das können Kunden sein oder auch der Kreis einer WG. Die einzelnen Fahrer beanspruchen das Auto nur, wenn sie es benötigen. Etwa für die Fahrt zur Arbeit oder den Einkauf. Sobald das Auto wieder steht, kann der nächste Nutzer es verwenden. Die Vorteile:
- Es werden weniger Autos insgesamt benötigt, d.h. weniger Herstellungsaufwand.
- Die laufenden Kosten (TÜV, Steuern) werden auf viele verteilt und so für den Einzelnen günstiger.
- Es wird nur für die Zeit und Strecke bezahlt, die das Fahrzeug tatsächlich im Einsatz ist.
- Es besteht keine Notwendigkeit, zuhause einen Parkplatz zu haben.
Natürlich eignet sich das Prinzip nicht für jeden, es ist vor allem im städtischen Raum sinnvoll und hier eine günstige Alternative zum Privatauto. Und weil Deutschland zu immerhin 74 Prozent urbanisiert ist, kommen dafür eine Menge Leute in Frage.
Strom-Cloud
Die Strom-Cloud ist die Lösung für das Problem, dass es bislang noch keine adäquate Möglichkeit gibt, regenerativ erzeugten Strom wirklich langfristig zu speichern. Doch das Prinzip ist so einfach, dass es eigentlich verwunderlich ist, dass es erst seit kurzem aktuell ist.
Dabei wird ein spezieller Vertrag mit dem Stromanbieter eingegangen. Sämtliche Energie, die durch die eigene Photovoltaikanlage oder auch das private Windrad an Strom erzeugt und nicht sofort selbst verbraucht wird, fließt via Stromleitung an den Anbieter. Dies wird einem gutgeschrieben und sofort an andere Abnehmer verteilt, die gerade Bedarf haben.
Bei der Strom-Cloud produziert man heute für seinen Verbrauch von morgen. Alles wird gutschrieben.
Der Strom ist jedoch nicht „weg“. Denn sobald mehr Energie benötigt wird, als selbst erzeugt werden kann, springt das Stromguthaben ein. So wird also Strom geliefert, der genau dann, wenn man selbst Bedarf hat, erzeugt wird. Am Ende des Jahres wird ein Überschuss entweder ausbezahlt, oder Mehrverbräuche müssen nachgezahlt werden. Das sorgt nicht nur für eine bessere Ausnutzung vorhandener Kapazitäten, sondern nimmt auch den Druck aus der Entwicklung von Stromspeichern, die ja ebenfalls keine sonderlich umweltfreundlich herzustellenden Installationen sind.
Foodsharing
Foodsharing ist die Antwort auf die Tatsache, dass in der „Ersten Welt“ jährlich gut 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen werden – etwa ein Drittel der weltweiten Lebensmittelproduktion. In den allermeisten Fällen nicht, weil sie ungenießbar sind, sondern weil das Mindesthaltbarkeitsdatum unmittelbar bevorsteht oder sie aus rein optischen Gründen nicht mehr verkauft werden können.
Das Foodsharing-Konzept nimmt sich dieser Produkte an. Ob nun der gleichnamige Verein, „Die Tafeln“, oder andere Anbieter. Immer geht es darum, von den Händlern Lebensmittel, die auf dem Müll landen sollen zu bekommen und sie an andere zu verteilen. Produziert werden diese Lebensmittel so oder so, aber dank Foodsharing werden sie auch konsequent genutzt.
Unzählige Tonnen perfekt brauchbare Nahrung landen täglich im Müll. Foodsharing geht dagegen an und nimmt Supermärkten Überzähliges ab.
Geteiltes Glück ist doppeltes Glück?
Macht Sharing glücklich?
Stellt sich die Frage, was Sharing dem Teilenden bringt. Tatsächlich eine Menge. Denn wie erwähnt, haben die meisten von uns eine Erziehung des Teilens genossen. Damit berührt jede Form des Sharing eine ganz menschliche Seite an uns.
Gleichsam ist Sharing aber eben gelebter Umweltschutz. Wer dank Carsharing beispielsweise kein eigenes Auto benötigt, gibt Mutter Natur mehr, als wenn er noch so sehr Strom und Wasser spart, denn geteilte Waren basieren praktisch immer auf industrieller Produktion – und die ist letztlich der weitaus größere „Umwelt-Übeltäter“ als jeder Privatmensch.
Obendrein spart Sharing auch noch Geld. Und Geld sparen tut jeder gerne. Somit ist Sharing eigentlich nicht nur doppeltes, sondern dreifaches Glück.
Ist es praktikabel?
Natürlich muss auch die Frage gestattet sein, wie sich Sharing auf den Einzelnen auswirkt. Soviel vorweg: Teilen bedeutet ja, dass die eigenen Ansprüche zurückgeschraubt werden. In der Praxis wirkt sich dies folgendermaßen aus:
- Ein geteiltes Auto steht vielleicht genau dann nicht zur Verfügung, wenn es benötigt wird.
- Beim Foodsharing gibt es vielleicht genau die Zutat nicht, die ein bestimmtes Gericht so charakteristisch macht.
- Am geteilten WLAN hängen vielleicht genau dann alle Nachbarn, wenn selbst ein Film gestreamt werden soll – und die Bandbreite reicht dann nicht mehr aus.
Doch das Stichwort bei diesen und sämtlichen weiteren Kriterien des Sharing ist „vielleicht“. Denn es entsteht einem längst nicht immer ein Nachteil. Und vor allem lassen sich viele davon auch durch besseres Planen und eine gute Abstimmung vollkommen eliminieren.
Natürlich hat Sharing auch kleine Schattenseiten. Etwa wenn alle am gleichen WLAN hängen und die Bandbreite in den Keller geht.
Ausblick
Bleibt offen, wie die Zukunft des Sharing aussieht. Und da gibt es nur eine Antwort: Positiv. Denn mit jedem Menschen, der zur Weltbevölkerung hinzukommt, mit jedem Gramm Rohstoff, das mehr aus der Erde geholt wird, stellt Sharing ein immer notwendigeres Mittel dar, damit nicht nur wir in der Ersten Welt, sondern alle Menschen an diesem großen Kuchen namens Lebensqualität teilhaben können. Der Einzelne muss sich vielleicht einschränken – vielleicht auch nicht. Alle hingegen werden durch Sharing definitiv gewinnen.