Oldtimer-Reise in Südafrika
Südafrika lockt mit dem afrikanischen Sommer, einer vielfältigen, atemberaubenden Natur, einer intakten Infrastruktur und dem besten Straßennetz dieses Kontinents.Viele Europäer fliehen vor dem deutschen Winter ans Kap. Neu ist jetzt die Möglichkeit, auch im gemieteten Oldtimer das Land zu entdecken.
„Irgendwo da hinten muss er sein“, ist sich Ulli Walter sicher und verschwindet in den Tiefen seiner alten Fabrikhalle in einer Industrieecke von Kapstadt. Er ist Herr über mehr als 50 Oldtimer. Motor Classic in Kapstadt ist der größte Oldtimer.erleih der Welt.
Noch wenige Minuten, und mein Traum wird wahr – mit einem Jaguar E Type die Gegend um das Kap erkunden. Immer, wenn ich mich in einem zumeist japanischen Mietwagen die perfekt ausgebauten Straßen am Kap entlanggeschlängelt hatte, lief vor dem inneren Auge der gleiche Film ab: Stell dir vor, du säßest hier in einem Roadster. Doch meine stehen zwölf Flugstunden entfernt in der Garage im tiefen Winterschlaf. Aber jetzt klappt’s – endlich.
Boomendes Geschäft
Ulli drückt mir die Schlüssel in die Hand, und verschwindet mit einem kurzen „du kennst dich ja hier aus“ wieder in seinem Reich der Oldtimer. Zeit hat er keine, denn das Vermietgeschäft boomt. Gerade ist Hauptsaison. Film- und Werbecrews greifen oft auf seine Flotte zurück, doch auch immer mehr Touristen gönnen sich den Ausflug mit einem Klassiker. Vor einigen Jahren ist der Düsseldorfer Finanzberater nach Kapstadt ausgewandert: „In meinem Job ist es egal, wo auf der Welt man sich aufhält. Ich brauche vor allem Telefon und Internet.“
Zusammen mit einem Investor hatte der bekennende Autonarr die Idee, einen Oldtimer.erleih aufzuziehen. Drei Jahre hat es gedauert, bis sich bei den ständig am Kap drehenden Filmcrews rumgesprochen hatte, dass sich bei der Motor Classic Oldtimer.ermietung in der Regel das passende Auto zum Film findet.
Entdeckungstour durch die überschaubare Metropole
Der Mechaniker schließt vorsichtig die riesige Motorhaube – „ alles klar, viel Spaß“. Den werde ich haben, das ist jedenfalls mein festes Ziel. Geplant ist eine Tour um die Kaphalbinsel mit Stopps bei ein paar Freunden. Kapstadt ist erstaunlich überschaubar für eine 2,5-Millionen-Einwohner-Metropole. Keine zehn Minuten und der E-Type schnurrt an der Küstenpromenade entlang durch die Stadtteile Seapoint und Greenpoint.
Man kommt sich vor wie in Kalifornien, selbst die alten VW-Busse der 60er und 70er Jahre haben hier überlebt. Immer wieder kommen uns Oldtimer entgegen, die Südafrikaner lieben ihre Klassiker. Auffallend sind die vielen Ford Cobra rings um Kapstadt. Keine davon ist echt, die Südafrikaner sind Meister in der Kunst des Nachbaus.
Niedrige Lohnkosten, ein preiswerter V-8 (durch wenig Auspuffrohr gedämmt) und eine gefällige GFK-Haut, die sich vom Original in der Regel durch unmäßig dickere Backen über den Radläufen unterscheidet – mehr braucht’s nicht, um am Kap Eindruck zu schinden. Und dafür ist Camps Bay der ideale Ort. Südlich von Kapstadt liegt die Hauptstraße direkt zwischen Strand und Lokalzeile: die Meile fürs Schaulaufen, ob man will oder nicht.
E-Type schlägt Japan-Jazz
Auf dem Hinweg waren wir noch in einem Toyota Jazz unterwegs. Mietwagenweiß, schlicht und wenig cool für die Augen der hinter teuren Sonnenbrillen taxierenden Strandschickeria. Auch ein einarmiger Handstand auf der Motorhaube des Jazz hätte am vernichtenden Urteil über unseren Japaner nicht viel geändert. Der Rückweg im knallroten E-Type befriedigt die niedersten Instinkte des Cabrioletfahrers. Nein, es ist uns völlig egal, dass nun alle Augen synchron mit dem Auto mitwandern – aber es geht runter wie Öl. Rache für den kleinen Jazz.
Mit Meer.lick: Im E-Type über die Traumstraßen
An sich könnte man die Angebermeile im dritten Gang durchcruisen. Aber da immer ein Vordermann abbremst, um dann 20 Meter weit alles zu geben, läuft der Verkehr in Camps Bay nach dem Prinzip einer Ziehharmonika. Nach Kapstadts Angebermeile kommen endlich die Straßen, wegen denen ich den E-Type ausgefasst habe. Links steigen die ockergelben Felsen mit intensiv duftendem Fynboos-Bewuchs steil auf, rechts fallen sie fast senkrecht bis ins tiefblaue Meer. Dazwischen läuft ein schmales Band aus tief schwarzem Asphalt – gerade so breit, dass zwei Fahrzeuge gut aneinander vorbeikommen. Eine Kurve folgt der nächsten, und hinter jeder Felsnase tut sich ein neues, atemberaubendes Panorama auf. Felsen und Meer, dahinter verschwindet der Horizont im Flirren der heißen Luft.
Obwohl das Meer jetzt gut einhundert Meter tiefer liegt als die steil ansteigende Passstraße, legt sich die salzige Luft auf Lippen und Gesicht, und auch die Scheibe des Jaguar E-Type sulzt langsam zu. Der Chapmann’s Peak Drive ist sein Revier. Der Sechszylinder vermittelt mit dumpfem Grollen, dass ihn die Steigung nicht sonderlich interessiert. Man könnte die ganze Strecke im dritten Gang passieren, doch das ständige Schalten, Bremsen und aus der nächsten Kehre wieder Herausbeschleunigen macht einfach zu viel Spaß.
Geliebte Klassiker allerorten
Auffallend sind die vielen, gepflegten Fahrzeuge aus den 70er und 80er Jahren auf den Straßen. Genau wie der weiße 500 SL, der kurz vor der Passhöhe des Chapman Peak den Jaguar in seinem Vorwärtsdrang bremst. Darin ein Ehepaar, beide um die 60 mit sonnengegerbten Gesichtern in stilvoller Bekleidung. Die Sonnenbrillen sind genauso alt und passend wie der SL, das Kopftuch der Dame in klassisch britischem Design, ebenso wie die Schirmmütze des Chauffeurs. So sehen Herrenfahrer aus.
Der V8 des SL brabbelt vornehmdezent vor sich hin, die beiden Pensionäre nehmen sich für diese Strecke alle Zeit der Welt. Kalk Bay liegt an der warmen Ostseite der Kaphalbinsel. Vom Alter her fällt der 1970er E-Type hier gar nicht auf. Viele Alltagsautos am Rand der einzigen Durchgangsstraße sind aus den 60er und 70er Jahren. Oft noch in erster Hand. Nicht, dass die Besitzer bekennende Oldtimer.ans wären – es gab nur keinen Grund, den Wagen zu verkaufen. Ein moderates Klima, kein Schnee und Eis und die Größe, über ein paar Parkbeulen hinwegzusehen, das ließ Autos und Besitzer gemeinsam in die Jahre kommen.
Antiquitäten fürs Handgepäck
Zumeist sind die blechernen Lebensabschnittsbegleiter aus deutscher oder britischer Produktion. Die Südafrikaner stehen auf Nostalgie. In Kalk Bay und dem benachbarten Jamestown reihen sich liebenswert vollgestopfte Antiquitätenläden neben fantasievoll improvisierte Cafes und alle Arten von Galerien. Diese bieten neben künstlerischen Grausamkeiten wie aus Kupfer gedengelten Safariszenen durchaus bemerkenswerte, moderne afrikanische Kunst an. Flohmarktliebhaber werden hier zügig an die Übergepäck-Grenze verführt.
Am Ende der bunt bemalten Ladenzeile aus den Zwanzigern wohnt ein echter Samba Bus, der seinem deutlich jüngeren Besitzer als Tattoo-Studio dient. Ein paar Batiktücher in die Fenster, und fertig ist das Behandlungszimmer.
Triumph-Experte, der nicht „nein“ sagen konnte
Steil steigt eine Quertrasse von der Hauptstraße zu den Häusern auf, die im Felshang oberhalb der Route kleben. Ziel ist das Haus von Peter du Sautoy. Der ausgewanderte Brite ist Triumph- Fan mit Leib und Seele und ein wandelndes Triumph-Lexikon. Sein erster war ein TR2 – den hatte er 1955 neu gekauft. Seither hat er keinen TR ausgelassen und verfügte zeitweise über eine kleine Armada der britischen Roadster. Doch als die Kinder aus dem Haus waren, wollten Peter und seine Frau in ein kleines Haus am Meer umziehen – und nicht nur für die Kinder ist im neuen Heim wenig Platz. Geblieben ist ein dunkelblauer TR5, den er zusammen mit seinem technikbegeisterten Sohn aufgebaut hat.
„Was willst du mehr als diesen Blick“, schwärmt er von seiner neuen Aussicht. In der Tat – ein Traum. Dumm nur, dass zwischen Haus und Meer eine kleine Straße liegt. Dort kreuzte geradezu provozierend ein Lotus Elan. Britisch white und zudem mit einem Schild im Fenster – for sale, zum Verkauf. „Was sollte ich machen? Ich war wehrlos.“ „Peter, du hast das einzig Richtige getan.“ Britischer Humor kennt Nuancen, bei denen man als Deutscher schwer mithalten kann.
Traumstraßen durch die Winelands
Zusammen wollen wir einen Freund besuchen, der sich nicht entscheiden konnte, welcher TR ihm am besten gefällt – deshalb hat er fast alle. Peter will den Lotus ausführen – er braucht mal wieder etwas Strecke, denn der nervöse Vierzylinder mag Kurzausflüge gar nicht. Da bietet sich die Fahrt durch die Winelands an. Perfekt ausgebaute Routen inmitten einer hügeligen Landschaft. Eine Kurve nach der anderen oben in den Bergen, breite Alleen unten in den Rebflächen.
Bevor der E-Type seine gut 200 PS wieder am Kurvenausgang in Vortrieb umsetzen kann, ist der wieselflinke Lotus schon mit Elan an der nächsten Kehre. Durch den üppigen Bewuchs wirkt die Straße noch enger, als sie ist. Von den dunkelgrünen Bäumen wuchert alles mögliche Geränk bis auf die Fahrbahn hinab, ab und zu streifen ein paar Blätter den Scheibenrahmen des Jaguar. Auf einmal weicht der grüne Vorhang einer weiten, von Licht durchfluteten Landschaft – fast schlagartig verschwindet die feuchte Wald-Schwüle, die Luft im Cabrio wird wärmer und trockener.
Wir sind unten, in den Winelands bei Constantia. Weiter geht’s zu Geoff, dem TR-Sammler. Wir sitzen auf seiner riesigen Terrasse, oder korrekter: dem Dach seiner Garage. Darunter eine Kollektion mit einem TR3, zwei TR4 und einem TR6, den er gerade von Grund auf restauriert.
Britisches Understatement
„Fanatisch würde ich nicht sagen, können wir uns auf eine gewisse Vorliebe einigen?“, versucht Geoff Davis seine Sammelleidenschaft zu relativieren. Nun ja, wenn man extra für seine TR-Flotte eine Garage in Wohnungsgröße errichtet, ist die Vorliebe schon deutlich ausgeprägt.
Gegen zehn Uhr abends ist die Luft immer noch angenehm warm. Zeit, den Jaguar wieder in den Stall zu bringen. Ulli Walter ist froh, seinen E-Type wieder auf dem Hof zu sehen. Für morgen hat sich schon eine Filmproduktion bei Motor Classic Kapstadt angesagt, die mit dem Auto einen Werbespot im Stil der Sechziger drehen will. „Und, war’s schön?“ fragt er mit breitem Grinsen. „Du willst keine Antwort, oder?“ Manchmal kann er nerven.