Mercedes schlägt Ferrari-Rekord
Mercedes sind die beiden WM-Titel in diesem Jahr nicht mehr zu nehmen. In Suzuka zeigte der deutsch-britische Rennstall mal wieder, warum man so stark ist, auch wenn sich das nicht ganz im Ergebnis widerspiegelte.
Die ersten 300 Meter von Suzuka kann man als Spiegelbild der vergangenen sechs Jahre sehen. Mercedes hatte vier Stunden zuvor im Qualifying eine bittere Niederlage kassiert. Die Konkurrenz witterte kurz Morgenluft. Doch dann rissen die schon totgeglaubten Silberpfeile das Ruder wieder einmal erfolgreich um.
Während Valtteri Bottas von Startplatz drei an die Spitze schoss, stellten sich Sebastian Vettel, Charles Leclerc und Max Verstappen gegenseitig ein Bein. Am Ende stellte sich nur die Frage, ob der WM-Titel mit einem Doppelsieg gefeiert wird, oder ob man sich mit den Plätzen eins und drei zufriedengibt.
Am Ende wurde das maximal mögliche Ergebnis verpasst. Doch das Team blieb seiner Philosophie treu, und spielte ein faires Spiel mit seinen Fahrern. Wenn Lewis Hamilton am Ende durchgefahren wäre, hätte der Champion den Grand Prix vielleicht vor Bottas und Vettel gewonnen. Entsprechend angesäuert war der Brite während und nach dem Rennen.
Hamilton wird zurückgepfiffen
Wolff erklärte, warum sich das Team entschieden hat, seinen Star-Piloten noch einmal an die Box zu rufen: „Wenn man wie Valtteri führt, dann muss man seine Position verteidigen. Liegt man wie Lewis auf Rang drei, dann kann man mehr riskieren. Wir haben bei Valtteri entschieden, die Führung zu verteidigen und ihm dann gesagt, er soll die Pace reduzieren. Da war es klar, dass die Sache für Valtteri läuft. Wir spielen die Team.ollegen in Sachen Strategie nicht gegeneinander aus.“
Der zweite Stopp von Hamilton sicherte nicht nur den Team.rieden, er war auch die sichere Variante. „Es war eine 50/50-Entscheidung. Wir hätten ihn auch draußen lassen und am Ende beide Fahrer bitten können, ihre Position zu tauschen. Dann hätten wir vielleicht Sebastian hinter uns gelassen. Vielleicht hätte es gegen Sebastian aber auch nicht gereicht.“
Mercedes entschied sich lieber, hinter Vettel zurückzufallen und ihn mit frischen Reifen angreifen zu lassen, anstatt ihn mit alten Gummis auf eine Verteidigungsschlacht zu schicken. „In dem Moment hat es sich wie die richtige Entscheidung angefühlt“, erklärt Wolff. „Die Reifen haben schlagartig Grip verloren. Das haben beide Fahrer im ersten Stint berichtet. Wenn es zu diesem Punkt gekommen wäre, dann wäre es am Ende schwer geworden, sich gegen Sebastian zu verteidigen.“
Faires Spiel im Titelkampf
Dass Hamilton etwas angenervt vom Verlauf des Rennens war, sieht Wolff locker: „Wir akzeptieren natürlich, dass ein Fahrer mit allen Mitteln gewinnen und die Ergebnisse maximieren will. Wenn er das nicht wäre, dann wäre das noch viel nerviger. Lewis versteht, dass es an der Boxenmauer nicht immer einfach ist, die richtigen Entscheidungen aus Sicht des ganzen Team. zu treffen. Aber wenn man für die Argumente der anderen Seite offen ist, kann man gut miteinander diskutieren. Das haben wir immer gemacht.“
Auch wenn der Fahrer-Titel nun nur noch zwischen den beiden Silberpfeil-Piloten ausgefochten wird, gelten die gleichen Regeln: „ Wir werden wie bisher ein faires Spiel mit den Fahrern spielen. Wir geben beiden das gleiche Material und sie fechten das dann auf der Strecke aus. Allerdings ist Valtteri mit 64 Punkten Rückstand natürlich der Außenseiter. Das sind zweieinhalb Siege bei nur noch vier Rennen.“
Das Prinzip der Offenheit, der Transparenz und des Respekts ist eines der Erfolgsgeheimnisse von Mercedes. Laut Wolff gehört aber noch mehr zu den Leitlinien der Firma: „Bei uns wird jeder Stein zweimal umgedreht, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Da geht es oft um Kleinigkeiten. Dazu haben wir eine Kultur, in der niemand bei Fehlern angeklagt wird. Leute bekommen Eigenverantwortung, auch wenn das nicht immer einfach ist, weil man selbst Dinge kontrollieren will.“
Grüße an Niki Lauda
Das System Mercedes ist über die Jahre gewachsen. Der Misserfolg der ersten Jahre hat das Werksteam zu einer verschworenen Einheit geformt: „Die Philosophie lässt sich nicht einfach über einen Power-Point-Vortrag einimpfen. Es muss überall fest verankert sein. Jeder muss es leben, auch in schwierigen Momenten. Die Stärke liegt auch in den vielen Stolpersteinen begründet, die wir in den vergangenen Jahren zu bewältigen hatten. Wir haben die Probleme jedes Mal genau analysiert und sind danach stärker zurückgekommen.“
Auch wenn Wollf in der Stunde des Erfolges keinen einzelnen seiner Mannschaft herausheben wollte, so gab es doch einen Namen der in der Presserunde besondere Beachtung fand: „Natürlich vermissen wir Niki. Und jetzt einen 15 Jahre alten Ferrari-Rekord zu schlagen, fühlt sich ganz besonders an.“
Sechs Fahrer-Titel in Folge, das schaffte noch kein anderes Team. Michael Schumacher hatte bei Ferrari mit fünf Titeln zwischen 2000 und 2004 den alten Rekord gehalten. „Es ist nicht so einfach, sich Jahr für Jahr neu zu erfinden, sich wieder neu zu motivieren und dann in eine lange Saison zu starten“, erklärt Wolff.
Komischerweise konnte das Team.berhaupt seine Freude nicht nach außen tragen. Wolff hatte aber auch einen Grund parat: „Nach dem schwierigen Qualifying heute Morgen lässt es sich noch gar nicht richtig begreifen. Wir sind alle so ehrgeizig, dass uns diese schwache Vorstellung immer noch in den Knochen steckt. Aber wir werden den Erfolg vielleicht realisieren, wenn wir heute Nacht im Flieger sitzen.“