Rennanalyse GP Brasilien 2016
Der GP Brasilien wurde vom Regen, Unfällen, fünf Safety Car-Phasen und zwei Rennunterbrechungen geprägt. Es war nicht immer einfach, alles im Blick zu behalten. In unserer Rennanalyse widmen wir uns den wichtigsten Themen.
Wieso rutschten die Piloten immer zwischen Kurve 12 und 15 aus?
Es war immer wieder der gleiche Streckenabschnitt. Zwischen Kurve 12 und 15 hatten die Piloten die meisten Schwierigkeiten, ihre Autos auf der Strecke zu halten. Gleich mehrere Akteure verunfallten oder kreiselten dort neben die Piste. Romain Grosjean feuerte seinen Rennwagen bereits auf dem Weg in der Startaufstellung weg. Kimi Räikkönen, Felipe Massa und Marcus Ericsson zerstörten ihre Autos während des Rennens. Sergio Perez, Sebastian Vettel und Fernando Alonso rutschten ebenfalls im selben Streckenteil aus. Und Max Verstappen sowie Nico Rosberg fingen ihre Renner nach wilden Querstehern gerade noch ab, ohne in die Bande zu krachen.
Viele im Fahrerlager richteten den Finger auf Pirelli. Es war nicht das erste Mal in dieser Saison. Vettel monierte bereits vor einigen Monaten, dass die Regenreifen nicht genügend Wasser verdrängen würden und das Risiko von Aquaplaning hoch sei. „Sie sind komplett unberechenbar“, schimpfte Rosberg nach seinem Fast-Abflug in Sao Paulo. „Sobald du auf eine Stelle kommst, wo plötzlich mehr Wasser steht, droht der Abflug.“
Doch aus dem Mercedes-Lager kam auch Zuspruch für den italienischen Reifenlieferanten. „Eigentlich ist der Vollregenreifen ein sehr guter Reifen“, äußerte sich ein Ingenieur. „Wir sind in Monaco damals mit Hamilton sehr lange draußen geblieben. Sogar als es trocken war.“ Der Ingenieur sah vielmehr die Streckencharakteristik, denn die Reifen als Hauptverursacher für die Abflüge. „Sao Paulo ist sehr schwierig im Regen, weil von Kurve 15 das Wasser bis nach unten zu Kurve 12 abfließt. Deshalb sammelt sich in diesem Bereich viel Wasser und es kommt zu Aquaplaning.“
Wieso wurde das Rennen ein zweites Mal unterbrochen?
Die Fans auf den Tribünen senkten den Daumen und pfiffen als der GP Brasilien ein zweites Mal abgebrochen wurde. Die Fahrer klagten an. „Warum kam die rote Flagge? Für mich ist das normales Regenwetter“, kritisierte Valtteri Bottas. Auch Lewis Hamilton war nicht einverstanden. „Die Formel 1 sollte extrem sein.“ Sprich: Die besten Lenkrad-Akteure der Welt sollten auch bei Regen dauerhaft fahren.
FIA-Rennleiter Charlie Whiting verteidigte die Entscheidung: „ Der Regen hat dauernd seine Intensität verändert. Wir wussten nicht, wo die Reise hingeht. Und wir müssen auch auf andere Fahrer hören und nicht nur auf die schnellsten.“ Esteban Ocon zum Beispiel meldete in der 23. Runde, dass die Sicht schlechter als vor der ersten Rennunterbrechung sei. Auch wollten es Whiting und sein Team verhindern, dass zu viele Runden hinter dem Safety Car abgestrampelt werden. Damit hinten heraus mehr Runden im Renntempo abgespult werden, was wiederum der Action zugute kommt.
Was wurde an Rosbergs und Hamiltons Auto getauscht?
In der ersten Rotphase arbeiteten die Mercedes-Mechaniker an beiden Autos. „Wir haben etwas am Setup verändert“, berichtete Rosberg. Jo Bauer, Technischer Delegierter, schaute genau hin. Die FIA hatte sogar eine Waage parat. Und was genau machten die Mechaniker? Sie tauschten die Stabilisatoren. Wie übrigens auch Ferrari an beiden Autos.
Eine solche Veränderung ist während einer Unterbrechung erlaubt. Die ausgetauschten neuen Teile mussten gewogen werden, weil sie nicht leichter sein durften als die alten Stabis. Ansonsten hätte es ja sein können, dass Mercedes Gewicht erschwindelt, um auf das Mindestgewicht zu kommen.
Hamilton wechselte in der ersten Unterbrechung noch seinen Helm. Weil ihm zuvor etwas Wasser durch das Visier auf das Gesicht tröpfelte. „Das war aber kein großes Problem“, gab der Sieger zu Protokoll. Daniel Ricciardo im Red Bull kämpfte dagegen mehr mit seinem Helm. Das Wasser wollte auf dem Visier nicht richtig auflaufen. Zudem beschlug es. „Daniel hat Max erst gesehen, als er neben ihm war“, berichtete Red Bull-Teamchef Christian Horner vom teaminternen Zweikampf in Runde 59.
Wieso hat Red Bull auf Intermediates gewechselt?
Red Bull geht in den letzten Rennen immer mehr Risiko, um Mercedes in die Knie zu zwingen. In Mexiko zum Beispiel startete man auf Supersofts, während die Silberpfeile mit Soft-Gummis begannen. In Brasilien riskierte Red Bull wieder viel, um in der Schlussphase Mercedes zu bezwingen. In der 40. Runde rief man Daniel Ricciardo in die Box, um auf Intermediates zu wechseln. Der Australier lag bis dahin auf dem fünften Rang. „Massa wurde auf diesen Reifen schneller und schneller, deshalb haben wir getauscht“ , rechtfertigte Christian Horner den Schritt. Der Brasilianer hatte schon neun Umläufe zuvor auf Intermediates gesetzt.
Drei Runden nach Ricciardo holte Red Bull auch Verstappen rein, um Intermediates aufzuziehen. Der Holländer war zu diesem Zeitpunkt Zweiter. „Daniel legte schnellste Sektorzeiten hin. Das hat uns verführt, Max auf dieselbe Strategie zu setzen“, begründete der Teamchef. Der Poker ging nicht auf. Zwar fiel Verstappen nur auf Position fünf zurück, doch das Wetter spielte nicht mit. „Leider hat die Regenintensität wieder leicht zugenommen.“
Im dritten Sektor wurde es für die Red Bull-Piloten besonders knifflig. Als das Safety Car nach Massas Unfall ein fünftes Mal das Feld anführte, korrigierte Red Bull die Strategie. „Wir haben uns für ein sicheres Ankommen und gegen die Streckenposition entschieden.“ Die Entscheidung zahlte sich aus. Beim letzten Restart waren Ricciardo und Verstappen Elfter und 14. Es folgte insbesondere vom Holländer eine furiose Aufholjagd. Er rettete sich noch auf das Podest. Verstappen überholte wie einst Senna und Schumacher. Häufig wählte er eine andere Linie als die Konkurrenten. In Kurve drei zum Beispiel fand er auf der Außenseite viel Grip und brauste an einigen Autos vorbei.
Die Mercedes-Strategen konnten die Red Bull-Taktik mit dem Wechsel auf Intermediates nachvollziehen. Mit einer Einschränkung: „ Wir hätten die Strategie gesplittet.“ Bei den Silberpfeilen war man vor allem über Verstappens Stopp froh. „Er hätte für Lewis auf den Vollregenreifen noch eine echte Bedrohung werden können.“
Hätte es Hülkenberg ohne Reifenpanne aufs Podium geschafft?
Bei Force India war man überzeugt, dass Nico Hülkenberg die Pace für sein erstes Podest hatte. „Er war bei freier Fahrt rund eine Sekunde schneller als Sergio“, rechnete Sportdirektor Otmar Szafnauer vor. „Ohne seine Reifenpanne hätte er einen viel größeren Vorsprung auf Verstappen herausgefahren als Sergio und wäre Dritter geworden.“ Hülkenbergs Pechs: Er schlitzte sich in der ersten Runde nach der ersten Wiederaufnahme des GP den rechten Hinterreifen auf. Es musste sich um ein Wrackteil von Räikkönens Ferrari gehandelt haben. „Es fehlte ein großes Stück der Lauffläche“, berichtete Teamchef Bob Fernley. Hülkenberg musste an vierter Stelle liegend in die Box und kam als 15. zurück. Trotzdem wurde er noch Siebter.