Toyota treibt Entwicklung von Feststoffakkus voran
Die Japaner fahren mehrgleisig in die Zukunft: Mit Hybrid-Modellen und rein elektrischen Autos. Und mit unterschiedlichen Batterie-Technologien.
Toyota hat viele Jahre an seinen Hybrid-Modellen festgehalten und rein elektrische Modelle links liegen gelassen. Das ändert sich gerade: 2030 will der Hersteller weltweit insgesamt acht Millionen elektrifizierte Autos verkaufen – bei einer Million von ihnen soll die Antriebsenergie ausschließlich aus einem Akku kommen. Das erhöht den Bedarf: Die Japaner rechnen damit, zu diesem Zeitpunkt insgesamt rund 200 Gigawattstunden an Batteriekapazität in ihren Autos zu verbauen. Aber auch bei der Technik der Akkus ist Diversität von Vorteil.
Lithium-Ionen-Akkus mit gasförmigem Wasserstoff
Kurzfristig soll jene Lithium-Ionen-Technologie helfen, die kürzlich mit dem Prius/Yaris-Zwitter namens Aqua auf dem Heimatmarkt debütierte. Dessen Akkuzellen nutzen gasförmigen Wasserstoff als aktives Material und verfügen über bipolare Elektroden: Die Kathode und die Anode sitzen jeweils gegenüber direkt am jeweiligen Stromabnehmer. Zuvor waren diese Teile voneinander getrennt, weshalb mehr Stromabnehmer verbaut sein mussten. Die Neuerung bietet nicht nur die Möglichkeit, eine höhere Anzahl der dadurch kompakteren Zellen in die Batterie zu integrieren. So ergeben sich zudem eine größere aktive Oberfläche und geringere Widerstände. Toyota zufolge ist der Akku doppelt so leistungsstark wie jener des Vorgängers, was bei Hybrid-Modellen nicht nur in längeren rein elektrischen Fahrphasen, sondern auch in einer verbesserte Gasannahme resultieren soll.
Das ist jedoch nur ein erster Schritt bei der Lithium-Ionen-Technologie. In der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre will Toyota eine komplett neue Generation an Energiespeichern dieser Bauart in seinen Autos anbieten. Dabei sollen fünf Punkte in die perfekte Balance gebracht werden: Sicherheit, Lebensdauer, ein hohes Qualitätsniveau, eine starke Performance und bezahlbare Kosten. Obwohl der erste Aspekt die Hauptrolle spielt, kommt doch vieles auf den letzten Punkt an. Die Kosten für Elektroauto-Batterien will Toyota bis 2030 um 50 Prozent pro Auto senken. Gleichzeitig soll die Leistungseffizienz um 30 Prozent gesteigert werden, um die Kapazität der Akkus um diesen Anteil verringern zu können – bei gleicher Reichweite, versteht sich. Um das zu erreichen, nimmt Toyota auch seine Zulieferer in die Pflicht; unter anderem sind CATL, Panasonic und Toshiba als Kooperationspartner bei den E-Auto-Akkus an Bord.
Erster Feststoff-Prototyp kommt 2022
Ebenfalls in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre will Toyota Festkörper-Batterien serienreif haben. Diese gelten als heiliger Gral der Akkuforscher, denn an den aktuell in den meisten E-Autos verwendeten Li-NMC-Batterien (Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt) stört zweierlei: Gewisse Grenzen bei der Erweiterung der Leistungsfähigkeit und ein flüssiger Elektrolyt, der potenziell feuergefährlich ist. Bei der Festkörper-Batterie ist dieser – der Name sagt es – fest. Allerdings gibt es Lithium-Polymer-Batterien (wie beim Mercedes eCitaro), bei denen der Elektrolyt aus nichtflüssigen, aber elastischen Stoffen besteht, die theoretisch auch zu den Festkörper-Batterien gezählt werden können. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zu den "echten" Feststoff-Akkus: Der Elektrolyt der Lithium-Polymer-Batterien ist dennoch brennbar.
Anders verhält es sich mit keramischen Elektrolyten. Neben der Brandsicherheit haben solche Festkörper-Batterien theoretisch auch eine höhere Leistung. Maximilian Fichtner, Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm und stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung, erklärt das so: "Der feste Elektrolyt ist eigentlich ein Hilfsmittel. Er soll die Struktur aus Graphit auf der Minuspolseite überflüssig machen, man könnte sie dann durch reines Lithium ersetzen. Die Speicherkapazität von reinem Lithium beträgt nämlich 2860 mAh/g. In aktuellen Anoden, in denen Graphit das Lithium speichert, kommt man nur auf 370 mAh/g. Das heißt, wir verlieren im Augenblick quasi aus Sicherheitsgründen auf der Minuspolseite den Faktor acht."
Das Graphit setzt man ein, "weil reines Lithium in einem Flüssigelektrolyt nadelartige Strukturen auf der Oberfläche bildet, wenn man es immer wieder anlagert und auslöst. Diese so genannten Dendriten wachsen in die Zelle, durchbohren Grenzschichten. Dadurch entstehen Kurzschlüsse, die Zelle wird heiß, der Elektrolyt verdampft, die Batterie platzt und beginnt zu brennen. Mit der keramischen Schicht des festen Elektrolyten hofft man, eine mechanische Sperre gegen die Dendritbildung zu haben und die Minuspol-Seite ließe sich wie beschrieben massiv verbessern," so Fichtner.
Mit welchen Schwierigkeiten Toyota kämpft
Der feste Elektrolyt habe aber auch Nachteile: "Wenn die Batterie sich ein wenig ausdehnt oder schrumpft, kann eine Flüssigkeit dem folgen, die Oberflächen bleiben immer benetzt. Beim festen Elektrolyt besteht das Risiko, dass der Oberflächenkontakt abreißt, dann gibt es keinen Ladungstransport mehr." Mit diesen Schwierigkeiten und Forschungsthemen beschäftigt sich auch Toyota – wohl am intensivsten unter den Autobauern. Die Japaner haben dabei festgestellt, dass Feststoff-Akkus mit einer geringeren Lebensdauer zu kämpfen haben. "Wir wollen unsere Entwicklung vor allem auf diesen Aspekt fokussieren", sagt Masahiko Maeda, Chief Technical Officer bei Toyota.
Meldeten BMW oder VW beispielsweise Millionen-Investitionen in entsprechende Firmen oder Beteiligungen, hat Toyota angeblich 23 Milliarden in einen lang angelegten Forschungsplan gesteckt. Eigentlich wollten die Japaner bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio als Hauptsponsor die bisherigen Ergebnisse präsentieren – auch in Form von Prototypen. Corona-bedingt wurde Olympia verschoben, doch auch beim Nachholer ein Jahr später blieb die Präsentation aus. Aktuell plant Toyota, im nächsten Jahr erste Versuchsträger mit den neuen Akkus auf Probefahrt zu schicken.
Das Fachmagazin Automotive News Europe befragte im Juli 2020 Keiji Kaita, Vorstand bei Toyota und verantwortlich für die Antriebsstrangentwicklung sowie die Batteriesparte, nach dem Stand der Dinge und was die Kommerzialisierung von Festkörperbatterien aktuell noch verhindert. Kaita erwartet, dass die Festkörper-Batterien leichter, sicherer, haltbarer und damit letztlich billiger werden als die aktuellen Li-NMC-Akkus. Die Prototypen von Festkörper-Zellen lassen sich laut Kaita zudem deutlich schneller laden. Leere Zellen seien bereits nach 15 Minuten wieder voll geladen, das sei signifikant schneller als bei aktuellen Zellen, so Kaita.
Verbesserungsbedarf bei Sicherheit und Haltbarkeit./strong>
Das ist eher überraschend für Festkörper-Batterien – bei der Lithium-Polymer-Batterie des eCitaro sind Ladeleistung und damit Ladegeschwindigkeit um etwa den Faktor vier geringer als beim gleichzeitig angebotenen Li-NMC-Akku. Professor Fichtner vermutet, dass sich die Japaner zunutze machen, "dass die Leitfähigkeit des Elektrolyts bei erhöhten Temperaturen stark ansteigt. Während hohe Temperaturen bei Zellen mit Flüssigelektrolyt vermieden werden, kann eine Festkörperzelle erhöhte Temperaturen vertragen. Man muss keine beziheungsweise weniger Nebenreaktionen befürchten, wie sie beim Flüssigelektrolyt auftreten".
Allerdings bestehe noch Verbesserungsbedarf bei Sicherheit und Haltbarkeit. Dabei beschreibt Kaita genau die Probleme, die Fichtner nennt: Der Elektrolyt – bei Toyota eine Glaskeramik aus einer Phosphor-Schwefel-Verbindung – müsse unter hohem Druck komprimiert werden, damit die Ionen möglichst leicht hindurchwandern können. Gleichzeitig muss er flexibel genug bleiben, um Ausdehnung und Kontraktion der Anode während Ladung und Entladung ausgleichen zu können oder eine möglichst geringe Deformation zu erreichen. Der Durchbruch könne in neuen Materialien oder in einem speziellen Design liegen.
Aktuell sind die Zellen harte, plattenartige Rechtecke in der Dicke eines Spiralblocks. Sie sind in Beuteln versiegelt, um keine Feuchtigkeit einzulassen, und dann zu Modulen angeordnet. Ihre Herstellung ist aufwändig und muss in absolut trockener Umgebung ablaufen. Aktuell passiert das noch in einer Art von transparenten Ständen, in die Arbeiter durch Löcher mit Handschuhen greifen müssen – nichts, was irgendwie in Massenproduktion vorstellbar ist.
Toyota im Plan, aber nicht schnell
Trotzdem sieht Kaita Toyota noch im Plan. 2025 soll eine Kleinserienproduktion beginnen. Die Japaner entwickeln die Feststoff-Batterien in einem Joint-Venture mit Panasonic namens Prime Planet Energy & Solutions Inc. Es hat 5.100 Angestellte, 2.400 davon bei einem chinesischen Subunternehmen. Panasonic nahm im April den Betrieb auf.
Anfangs, ohne Massenproduktion, werden die Festkörper-Batterien teurer sein als Lithium-Ionen-Akkus. Kaita vermutet, dass das Produktionsvolumen in den ersten Jahren gering bleiben wird und dass die Kosten erst deutlich unter 100 Dollar pro Kilowattstunde fallen müssen, um mit Antriebssträngen mit Verbrennungsmotoren konkurrieren zu können.
Das könnte umso schwieriger werden, als Toyota das Ziel hat, Batterien zu bauen, die auf sehr lange Sicht mehr als 90 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit behalten – und mit sehr langer Sicht sind Zeiträume von 30 Jahren gemeint. Erreichen will Kaita das, indem die Leistung der Batterien sich anpasst – oder durch ein ausgeklügeltes Kühlsystem. Alternativ ließe sich das auch über ein entsprechendes Nutzungs- und Ladeprofil erreichen – so oder so brauche es einen ganzheitlichen Ansatz, so der Experte.