EU plant Kei-Car-Klasse für Europa
Die EU will mit einer neuen Fahrzeugkategorie günstige, kompakte Elektroautos fördern – angelehnt an Japans erfolgreiche Kei-Car-Klasse.
Immer weniger Menschen können sich ein neues Auto leisten, zumal Elektrofahrzeuge bislang oft mehr als 30.000 Euro kosten. Nun will die EU-Kommission offenbar eine neue Fahrzeugklasse schaffen, die das ändern soll – die sogenannte "e-car"-Kategorie. Sie soll den Weg für kompakte, leichte und erschwingliche Elektroautos ebnen, mit einem Zielpreis um 15.000 Euro.
Ein neuer Ansatz für kleine Autos
Die Initiative ist Teil eines größeren industriepolitischen Pakets, das Europa unabhängiger von Importen machen soll. Besonders Fahrzeuge aus China setzen die europäischen Hersteller unter Druck. Deren günstige Kleinwagen mit Elektroantrieb finden zunehmend Käufer, während europäische Marken sich aus dem Segment der erschwinglichen Stadtautos großteils zurückgezogen haben. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren waren alleine in Deutschland noch rund 60 Modellreihen bei den Klein- und Kleinstwagen vertreten, der Marktanteil lag bei knapp 25 Prozent. Heute ist der Marktanteil der Stadtflitzer auf unter 14 Prozent gesunken, die Preise aber drastisch gestiegen. Produktionskosten und immer strengere Sicherheits- und Umweltnormen haben die Preise in die Höhe getrieben.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht von einem "Projekt für bezahlbare Mobilität". Hinter dem Vorhaben steckt jedoch auch der Versuch, die eigene Industrie zu schützen: Europa soll ein eigenes Angebot an kleinen Elektroautos aufbauen – und zwar möglichst schnell.
Vorbild aus Japan
Das Konzept erinnert deutlich an die japanischen Kei Cars. Diese sogenannten "Leichtautomobile" wurden bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt. Seit den 1950er-Jahren haben die Japaner damit Erfahrung gesammelt und Erfolge gefeiert. Die Fahrzeuge sind auf eine maximale Länge, Breite und Motorleistung begrenzt. Ursprünglich auf 3,40 Meter und 360 Kubikzentimeter Hubraum, heute auf rund 660 Kubikzentimeter oder eben Elektromotoren, Maximalleistung jeweils 64 PS. Dafür genießen sie steuerliche Vorteile, niedrigere Versicherungsbeiträge und erleichterte Zulassungsbedingungen.
Kei Cars sind in Japan weit verbreitet: Rund ein Drittel aller Neuwagen gehört in diese Kategorie. Sie sind besonders beliebt in dicht besiedelten Städten, wo Platz und Parkraum knapp sind. Die Modelle sind einfach konstruiert, sparsam und günstig – genau jene Qualitäten, die Europa nun im elektrischen Zeitalter wiederentdecken möchte.
Kleine Stromer mit klarer Aufgabe
Die geplante europäische e-car-Kategorie sieht kompakte Maße vor, zwischen 3,50 und 3,80 Metern Länge und etwa einer Tonne Gewicht. Zwei Untergruppen sind im Gespräch: Eine reine Stadtversion mit rund 40 bis 50 PS und eine leicht stärkere Variante, die auch für Autobahnen geeignet wäre.
Das unterscheidet diese geplante Fahrzeugkategorie deutlich von den L6e-Winzlingen wie dem Opel Rocks-E, die mit Minimaltechnik und 45-km/h-Limit als reine Stadtautos mit sehr geringer Reichweite konzipiert sind. Auch die größeren L7e-Modelle wie der Microlino mit höherem Maximaltempo fordern dennoch Kompromissbereitschaft und sind wegen der Kleinserien-Produktion überraschend teuer. Die angedachten e-car-Modelle könnten dagegen als vollwertige Autos mit Pendler-Qualitäten gelten und dank Großserienproduktion die magische 15.000-Euro-Marke knacken. Der Dacia Spring beispielsweise würde exakt in die neue Kategorie passen.
Zwischen Sicherheit und Erschwinglichkeit
Gerade bei der Sicherheit könnte es Diskussionen geben. Seit 2024 schreibt die EU eine Vielzahl von Assistenzsystemen für Neuwagen vor. Diese Technik kostet Geld und ist einer der Gründe, dass sich viele europäische Hersteller aus dem Segment verabschiedet haben – der Gewinn ist zu gering. Wenn Brüssel also die kleinen Elektroautos fördern will, müssen einige Normen angepasst werden, ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden.
Schon 2023 hatte der damalige Renault-CEO und Präsident des Herstellerverbands ACEA, Luca de Meo, deshalb pragmatische Regeln gefordert und sich ein "europäisches Kei-Car" gewünscht. Samt vergleichbaren Privilegien wie in Japan zum Beispiel im Bezug auf Parkplätze oder steuerliche Erleichterungen.
Industrielle und politische Interessen
Die Automobilindustrie reagiert vorsichtig optimistisch. Zwar begrüßen die Hersteller den politischen Willen, kleine Elektroautos zu fördern, mahnen jedoch zugleich mehr Tempo und Planungssicherheit an. Denn bisher sind weder technische Grenzwerte noch steuerliche Rahmenbedingungen konkret festgelegt.
Zur Veranschaulichung der japanischen Kei-Cars stellen wir Ihnen in der Bildergalerie den neuen Honda N-One e: vor, der exakt in das Raster der geplanten europäischen E-Car-Klasse passen würde.