Stellantis setzt auf Turbo‑Vierzylinder mit V6‑Erbe
Noch vor wenigen Jahren galten Sechszylinder als Maß der Dinge, wenn es um Leistung, Laufruhe und Prestige ging. Doch bei Stellantis zeichnet sich ein Wandel ab – mit einem Vierzylinder, der nicht nur mehr kann, sondern auch mehr Technik in sich trägt. Der neue Hurricane 4 Turbo basiert auf sportlicher DNA und soll in den USA sogar den bekannten V6 ablösen. Was steckt hinter dem kompakten Kraftpaket?
In der Ära amerikanischer Muscle Cars und SUVs war der Sechszylinder eine feste Größe – bei Dodge, Jeep und Chrysler gehörte der 3,6‑Liter‑V6 zum Standardangebot. Doch Stellantis, der Mutterkonzern hinter diesen Marken, denkt um. Der neue Hurricane 4 Turbo bringt auf nur 2,0 Litern Hubraum stolze 324 PS auf die Kurbelwelle. Und das ist kein Zufall, sondern Ergebnis eines klaren Strategiewechsels.
Der neue Motor ist kein bloßer Ersatz, sondern eine technologische Weiterentwicklung. Entwickelt wurde er nicht in Isolation, sondern unter Rückgriff auf erprobte High‑End‑Technik – unter anderem aus dem Maserati‑V6 "Nettuno", der auf die gleiche Grundarchitektur setzt. Statt schierer Größe zählen nun Verbrennungseffizienz, Turboaufladung und clevere Steuerung.
Verbrennung wie in der Formel 1
Herzstück des Hurricane 4 ist die sogenannte TJI‑Technologie – Turbulent Jet Ignition. Dabei handelt es sich um eine Vorbrennkammer, in der zunächst ein kleines Kraftstoff‑Luftgemisch gezündet wird. Die dabei entstehenden Flammen werden mit hoher Geschwindigkeit in den Hauptverbrennungsraum "geschossen", wo sie ein extrem gleichmäßiges und schnelles Abbrennen ermöglichen.
Die Methode erinnert an Technik aus dem Motorsport: Statt auf eine zentrale Zündkerze wie bei klassischen Ottomotoren, setzt Stellantis auf diese gezielte Vorzündung – eine Art Mini‑Explosion vor der eigentlichen Verbrennung. Das Ergebnis: geringere Klopfneigung, höhere Effizienz und die Möglichkeit, den Motor mit Normalbenzin zu betreiben – trotz einer hohen Verdichtung von 12:1. Eine technische Leistung, die sich sehen lassen kann.
Kleiner Hubraum, große Wirkung
Was der Hurricane 4 Turbo auf dem Prüfstand leistet, kann sich mehr als sehen lassen: 324 PS bei 6.000 U/min, 450 Nm Drehmoment zwischen 3.000 und 4.500 U/min. Möglich wird das nicht nur durch den 2,0‑Liter‑Block selbst, sondern durch ein fein abgestimmtes System aus Ladeluftkühlung, variabler Ölpumpe und – besonders bemerkenswert – einem Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG).
Letzteres ist eine Technologie, die bislang vor allem in Dieselmotoren oder Hochleistungssportwagen zum Einsatz kam. Der Vorteil: Durch die Verstellung der Turbinenflügel reagiert der Lader schneller bei niedriger Drehzahl, ohne bei höheren Lasten an Effizienz zu verlieren. Für einen Vierzylinder dieser Größe ist das eine absolute Ausnahme – und ein klares Signal, wohin die Reise geht.
Der Motor für die neue Mitte
Mit dem Hurricane 4 Turbo verabschiedet sich Stellantis nicht vom Verbrenner, sondern läutet eine neue Phase ein. Der Motor ist modular aufgebaut, passt in bestehende Plattformen und ist kompatibel mit Mild‑ und Plug‑in‑Hybrid‑Systemen. Erste Einsätze sind im Jeep Grand Cherokee für das Modelljahr 2026 vorgesehen, weitere Anwendungen in Hybridmodellen anderer Konzernmarken gelten als wahrscheinlich.
Dabei geht es nicht nur um technische Exzellenz, sondern auch um Marktpositionierung: Ein Vierzylinder mit dieser Leistung und Effizienz kann künftige CO₂‑Flottenziele besser bedienen, ohne auf Leistung zu verzichten. Und genau das könnte ihn zum Motor einer neuen Stellantis‑Generation machen – nicht nur in Nordamerika, sondern mittelfristig auch in Europa.
