Wie viele Ventile braucht ein Motor wirklich?
Wie viele Ventile benötigt eigentlich ein Motor? Die Antwort hängt von vielen Faktoren ab, denn nicht die Anzahl allein entscheidet über Leistung, Drehmoment oder Effizienz eines Motors.
Zwei, vier oder sogar fünf – welche Zahl ist die richtige? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach, denn es kommt ganz darauf an, was der Motor leisten soll. Ventile spielen eine zentrale Rolle im Viertaktmotor. Sie steuern den Gaswechsel. Frischluft strömt durch die Einlassventile in den Brennraum, die Abgase verlassen ihn wieder durch die Auslassventile. Je besser dieser Luftaustausch funktioniert, desto mehr Leistung kann der Motor entfalten. Denn mehr Luft bedeutet mehr Sauerstoff – und dieser ist der wichtigste Bestandteil des Kraftstoff-Luft-Gemischs, das im Zylinder verbrannt wird. Die einfache Regel, die angehende Ingenieure schon im ersten Semester lernen, lautet deshalb: Luft ist Leistung.
Ob ein Motor zwei, drei, vier oder fünf Ventile pro Zylinder besitzt, hat großen Einfluss darauf, wie effizient dieser Luftaustausch abläuft. Doch wie so oft gilt hier: Mehr ist nicht immer besser. Zweiventilmotoren – also ein Einlass- und ein Auslassventil pro Zylinder – waren lange Zeit der Standard. Sie sind einfach aufgebaut, robust, günstig in der Herstellung und brauchen weniger Bauteile. Ihr besonderer Vorteil zeigt sich bei niedrigen Drehzahlen. Durch den kleineren Ventilquerschnitt strömt das Frischgas schneller in den Zylinder. Diese hohe Strömungsgeschwindigkeit sorgt für eine starke Verwirbelung des Gemischs, was die Verbrennung verbessert. Das Ergebnis ist ein Motor, der besonders spontan aufs Gas anspricht – ideal im Stadtverkehr oder beim Anfahren.
Sind vier Ventile besser?
Doch dieser Vorteil verliert sich bei steigender Drehzahl. Die großen, schweren Ventile können nicht mehr schnell genug öffnen und schließen. Außerdem sind Form und Position der Zündkerze bei Zweiventilern oft ein Kompromiss, was die Verbrennung im Hochleistungsbereich zusätzlich erschwert. Genau hier kommen die Vierventiler ins Spiel. Mit zwei Einlass- und zwei Auslassventilen pro Zylinder können sie deutlich mehr Luft in den Brennraum befördern. Da die einzelnen Ventile kleiner und leichter sind, lassen sich deutlich höhere Drehzahlen erreichen. Zudem erlaubt die Geometrie dieser Bauweise eine bessere Gestaltung des Brennraums – näher am thermodynamischen Ideal der Halbkugel – was wiederum eine gleichmäßigere und vollständigere Verbrennung ermöglicht. Kein Wunder also, dass sich der Vierventiler besonders bei sportlichen Motoren durchgesetzt hat.
Natürlich hat auch der Vierventiler nicht nur Vorteile. Bei niedrigen Drehzahlen kann die Strömungsgeschwindigkeit der Frischluft zu gering sein, was die Gemischbildung erschwert. Um das zu kompensieren, setzen moderne Motoren auf technische Tricks wie variable Ventilsteuerzeiten, Turbolader, verstellbare Ansaugwege oder sogar Ventilabschaltungen. So lässt sich das Verhalten des Motors an verschiedene Lastzustände anpassen. Moderne Vierventiler bieten dadurch heute nicht nur Spitzenleistung bei hohen Drehzahlen, sondern auch einen geschmeidigen Lauf im unteren Drehzahlbereich – eine Stärke, die früher dem Zweiventiler vorbehalten war.
Es gibt auch fünf Ventile im Motor
Kurzzeitig experimentierten einige Hersteller auch mit Fünfventiltechnik – meist mit drei Einlass- und zwei Auslassventilen. Die Idee war, die Zylinderfüllung weiter zu optimieren. In der Praxis konnten sich diese Motoren allerdings nicht durchsetzen. Die Leistungsgewinne waren gering, der technische Aufwand hingegen hoch. Auch Dreiventiler – zwei Einlass- und ein Auslassventil – wurden erprobt, etwa von Horex bei einem VR6-Motor. Solche Konstruktionen bleiben jedoch exotische Sonderfälle, die sich aus Kostengründen und wegen des zusätzlichen Aufwands im Serienbau nicht durchsetzen konnten.
Gibt es eine ideale Ventilanzahl?
Eine ideale Ventilanzahl gibt es also nicht. Sie hängt immer vom Einsatzzweck, den technischen Anforderungen und nicht zuletzt vom verfügbaren Budget ab. Ein robuster Geländemotor für niedrige Drehzahlen braucht andere Eigenschaften als ein drehfreudiger Sportmotor für die Autobahn. Viel wichtiger als die reine Zahl der Ventile ist das Zusammenspiel aller technischen Komponenten. Dazu gehören unter anderem Zylinderzahl, Verdichtung, Steuerzeiten, Einspritzsystem, Brennraumform, Bohrung und Hub, Schwungmasse oder auch der Aufbau des Motors – also ob Reihen-, Boxer- oder V-Motor.
Moderne Motoren zeigen, dass die Ventilanzahl allein nicht über Leistung, Laufruhe oder Effizienz entscheidet. Zwar ist der Vierventiler heute in den meisten Fahrzeugen Standard, doch das liegt hauptsächlich daran, dass er mit Hilfe moderner Technik seine früheren Schwächen ausgeglichen hat. Dennoch wird es weiterhin auch Zweiventiler geben – etwa dort, wo Einfachheit, Robustheit oder günstige Produktionskosten gefragt sind.