5,5 Millionen Autos droht TÜV-Verlust
Durch die 2G-Netzabschaltung wird in vielen Autos das eCall-System lahmgelegt. Ein TÜV-Experte sieht darin einen erheblichen Mangel, der ernste Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Durch die 2028 beginnende Abschaltung des 2G-Netzes können dann viele Millionen Autos bei einem Unfall keinen automatischen Notruf über das eCall-System mehr absetzen. Das senkt nicht nur die Überlebenschancen der Insassen nach einem Unfall, sondern könnte auch die TÜV-Zulassung gefährden. Nach dem Wegfall des 2G-Netzes "werden Insassen dieser Fahrzeuge nicht mehr in der Lage sein, automatisierte oder per Knopfdruck ausgelöste Notrufe direkt an die Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst zu senden. Ein erheblicher Verlust an Sicherheit ist die Folge", kritisiert Carsten Schneider, vom Deutschen Feuerwehr Verband.
Gesetzgeber schreibt eCall vor
Betroffen davon sind alle Automodelle mit Typgenehmigungen seit März 2018, die das 2G-Netz für eCall nutzen. Eine Ersatzlösung gibt es derzeit nicht. "Ohne das 2G-Netz können diese Systeme keinen automatischen eCall-Notruf absetzen, der jedoch vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist", sagt Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug & Mobilität beim TÜV-Verband. "Seit 2019 müssen alle neu zugelassenen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit dem europaweit einheitlichen 112-eCall ausgestattet sein – rund 5,5 Millionen Fahrzeuge sind damit potenziell betroffen", so Goebelt. "Besonders betroffen sind Klein- und Mittelklasse-Fahrzeuge, die in der Regel nur den gesetzlich vorgeschriebenen 112-eCall nutzen."
Die Telekom will 2G bis Ende Juni 2028 abschalten, Vodafone bis September 2028. Telefónica (O2) hat noch kein Ausstiegsdatum mitgeteilt. Während O2 Telefónica das 4G- und 5G-Netz weiter ausbaue, bleibe "2G als Basisnetz für mobile Telefonie, SMS und eCall vorerst bestehen", so ein Sprecher des Telefonkonzerns. Bei "etwaigen Änderungen" würden Kunden "rechtzeitig vorab und gemäß ihrem Vertrag" informiert. "Nichtsdestotrotz empfehlen wir grundsätzlich den Umstieg auf zukunftssichere Endgeräte mit 4G- und 5G-Funktionen."
Künftig kein erheblicher Mangel? Läuft 2G weiter?
Die betroffenen Autos könnten theoretisch Probleme bekommen, die Hauptuntersuchung zu bestehen. Goebelt: "eCall-Systeme werden wie gewohnt geprüft. Ist ein System technisch defekt, muss der Mangel behoben werden." Da der Halter aber für die Abschaltung des 2G-Netzes nicht verantwortlich ist, plädiert der TÜV dafür, dass der Ausfall von eCall "nicht als erheblicher Mangel bewertet" wird und trotzdem die Prüfplakette erteilt wird. Doch diese Entscheidung liege nicht bei den Prüfgesellschaften. "Die Klassifizierung der Mängel obliegt dem Verordnungsgeber", so Goebelt. Der Bund hat aber noch nicht entschieden.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert deshalb einen Weiterbetrieb des 2G-Netzes. "Bis vor Kurzem war es der Verordnung nach Pflicht, die 2G/3G-eCall-Technik in Fahrzeuge zu verbauen. Vor diesem Hintergrund fordern wir einen flächendeckenden Weiterbetrieb zumindest des 2G-Netzes in den kommenden 10 bis 15 Jahren, sodass der eCall als wichtiges Sicherheitsinstrument in diesem Zeitraum weiterhin zur Verfügung stehen wird", so eine VDA-Sprecherin zu auto motor und sport. "Die Bundesregierung muss die entsprechenden Telekommunikationsnetze für die Funktion gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedsländern sicherstellen, sodass der eCall weiterhin europaweit genutzt werden kann", so der VDA.
