Weniger Abtrieb für Spielberg 2
Ferrari wollte im zweiten Spielberg-Rennen auf keinen Fall die weichsten Reifen fahren. Das Scheitern in Q2 war deshalb einkalkuliert. Im Rennen stürmten Carlos Sainz und Charles Leclerc in die Punkte. Der Teamchef zog zufrieden Bilanz. Allerdings wird erst Silverstone zeigen, ob Ferrari mit dem Reifenverschleiß besser geworden ist.
Ferrari erging es in der Steiermark wie Mercedes. Die 4,318 Kilometer lange Strecke ist nicht gemacht für die Stärken des eigenen Autos, sondern für die der schärfsten Konkurrenz. Im Fall von Ferrari ist das in dieser Saison McLaren. Die beiden erfolgreichsten Teams der Geschichte streiten sich um die Bronzemedaille.
Aus dieser Position verbuchte Rennleiter Mattia Binotto die beiden Österreich-Rennen hintereinander als Erfolg. Ferrari sammelte jeweils 14 Punkte. McLaren verbuchte in Summe nur drei Zähler mehr. Das nennt man Schadensbegrenzung. Der Italiener mit Schweizer Wurzeln resümierte nach dem zweiten Rennen. "Mehr hätten wir mit unseren Startpositionen und aufgrund der Strecke nicht erwarten können. Mit unserem Auto ist es hier schwer, besser abzuschneiden. Dafür fehlt uns der Speed auf den Geraden."
Kleinerer Heckflügel am Ferrari
Bei einem Volllastanteil von fast 80 Prozent bezahlte Ferrari mit fehlender Leistung. Dem Sechszylinder-Turbo aus Maranello wird nachgesagt, zwischen 25 und 30 PS hinter Honda und Mercedes zu liegen. Die Lücke will Ferrari 2022 schließen. Bis dahin muss man mit dem Power-Defizit leben. Auf Rennstrecken wie Monte Carlo oder Baku macht das weniger, weil die roten Autos es in den langsamen Kurven kaschieren können.
In Österreich gelang das nicht in diesem Ausmaß. Ferrari musste Kompromisse eingehen. Ein zu großer Heckflügel, und man verliert zu viel auf den Geraden. Zu klein, und man kann die Geschwindigkeit in den Kurven nicht ausspielen. Am zweiten Wochenende entschied sich Ferrari für die zweite Option. Die Autos bekamen einen Heckflügel für weniger Abtrieb mit leicht gebogenem Hauptblatt.
Die Topspeeds kletterten in der Qualifikation von 309,8 auf 316,0 (Leclerc) respektive 314,0 km/h (Sainz). Der Wechsel war Teil der Taktik. Die Strategen kalkulierten ein, dass beide Fahrer im zweiten Durchgang scheitern könnten. Dann brauchte es einen Auto mit weniger Luftwiderstand für mehr Topspeed um im Rennen eine Aufholjagd zu starten.
Ferrari mit richtiger Taktik./strong>
Der Fall trat ein. Sainz und Leclerc scheiterten denkbar knapp an der Hürde zu Q3. Der eine um 12, der andere um 53 Tausendstel. Sie hätten es schaffen können, durften aber nicht. Ferrari verwehrte seinen Piloten die weichste Reifenmischung. Alpha Tauri und Aston Martin machten es anders, sprangen dadurch ins Q3, bezahlten aber einen hohen Preis im Rennen. "Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, uns auf den Medium zu beschränken, und vom weichen Reifen die Finger zu lassen", urteilte der Teamchef.
Die freie Reifenwahl am Start stellte Ferrari über die Startplätze. Die fallenden Temperaturen senkten zwar den Verschleiß im Rennen, nicht aber genug, damit Alpha Tauri und Aston Martin tatsächlich würden mithalten können. Beide mussten die Box zweimal ansteuern, während die Ferrari mit nur einem Tausch über die 71 Runden kamen.
Sainz bestritt den Grand Prix in der Reifenfolge hart-medium, der Teamkollege machte es anders herum. Leclerc stoppte in Runde 34, der Spanier in Runde 48. Seine Taktik war die etwas bessere. Er hatte im Mittelteil über 15 Runden freie Fahrt, während Leclerc überwiegend im Heck von Daniel Ricciardo klebte und sich mit Sergio Perez anlegte.
Die beiden Strafen gegen den Mexikaner nutzten ihm nicht. "Charles hätte besser abschneiden können. Mit unserem Auto war es schwer zu überholen." Obwohl er mit 332,6 km/h die Geschwindigkeitsmessung sogar anführte. Doch vor allem der McLaren erwies sich als unüberwindbare Hürde. Und Perez fuhr nach dem Geschmack von Ferrari die Ellbogen zu stark aus.
Sainz profitiert von Perez-Strafen
Sainz profitierte hingegen von der Strafe gegen den Red Bull. Und er überwand Ricciardo, obwohl er etwa acht km/h langsamer war als der Teamkollege. Der Vorteil der frischeren Reifen brachte ihn nah genug heran, um im Windschatten und mit DRS vorbeizufliegen. Vorausgegangen war ein teaminterner Platztausch. "Es gab keine Widerrede als die Anweisung erfolgte. Das war gutes Teamplay", freute sich der Teamchef. Auf den frischeren Reifen hatte Sainz einfach bessere Erfolgsaussichten.
Den fünften Platz erbte er, weil Perez in einem etwas angeschlagenen Red Bull 0,771 Sekunden zu wenig herausfuhr. Der Mann aus Madrid fuhr so, wie er es von sich in einem Ferrari erwartet. "Das war ein gutes Rennen. Ich war auf den harten Reifen schnell, als ich freie Bahn hatte. Und der Stint auf den Mediums hat Spaß gemacht." Generell, so Sainz, habe Ferrari am zweiten Österreich-Wochenende etwas mehr mit der Balance und den gefallenen Temperaturen gekämpft. Lando Norris im McLaren lag außer Reichweite.
In beiden Rennen legte Ferrari sein Auto aufs Reifenschonen aus. Die Probleme von Frankreich sollten sich in keinem Fall wiederholen. Taten sie nicht. "Das ist aber nicht einfach über den anderen Ansatz zu erklären", sagt Binotto. Vor allem der Charakter der Strecke half. Die Vorderachse ist in Spielberg weit weniger gefordert als in Paul Ricard. Inwieweit Ferrari das Problem mit den Vorderreifen in den Griff bekommen hat, wird erst Silverstone zeigen. Für eine endgültige Lösung bräuchte es eine neue Vorderradaufhängung und andere Felgen. Die sind aber homologiert und dürfen nicht verändert werden.
Schmalspur-Entwicklung am SF21
Ferrari steht wie den anderen ein kompliziertes Rennwochenende in England bevor. Der neue Sprint sorgt für eine Umstellung bei den Abläufen. "Wir haben wenig Zeit, uns auf Quali und die Rennen vorzubereiten. Wir müssen viel in die eine Stunde Training am Freitag packen. Zudem kommen die neuen Pirelli-Hinterreifen. Die haben wir zwar in Österreich getestet, doch Silverstone ist eine andere Strecke. Wir brauchen mehr Erfahrungswerte damit. Wir werden mit sehr wenig Daten in die Quali gehen. Und danach ist direkt Parc Fermé. Das könnte zu einem ziemlich chaotischen Verlauf führen."
Die roten Autos könnte wieder die fehlende Motorleistung einholen. Auch in Silverstone ist der Vollgasanteil sehr hoch. Selbst durch viele der Highspeedkurven wird der Motor extrem gefordert, weil die Fahrer auf dem Gas bleiben. Bis auf Kleinigkeiten sind auch von Ferrari bis zur Sommerpause keine Updates mehr zu erwarten.
Ohnehin lief die Entwicklung in dieser Saison auf Schmalspur, wie Binotto ausführt. Der Fokus lag von Anfang an auf dem 2022er Auto. "Das Auto ist fast identisch mit dem in Bahrain. Wir haben im Verhältnis nur kleine Änderungen vorgenommen. Unsere Steigerung gegenüber dem Saisonstart kommt hauptsächlich von Verbesserungen in anderen Bereichen. Über das Setup, eine andere Herangehensweise der Wochenenden, das Reifenverständnis, die Strategie."