Nur eine Generation ist ein echter Geheimtipp
Alleskönner oder Opa-Auto? Wir vergleichen die Gebrauchtwagen-Qualitäten aller drei Generationen der Mercedes B-Klasse. Hier lauern Schnäppchenpreise, Geheimtipps und Stolperfallen. Aber wer die Mercedes B-Klasse genauer unter die Lupe nimmt, entdeckt viele Talente des Kompaktvans.
Manche Autos fristen ein eher unauffälliges Dasein, werden selten zum Objekt glühender Leidenschaft, offenbaren aber bei genauerer Betrachtung ungeahnte Talente. Die Mercedes B-Klasse gehört zweifellos zu dieser Spezies. Während die Autowelt seit Jahren dem Ruf der SUV folgt und selbst traditionelle Kompaktvans wie Renault Scénic oder Opel Zafira vom Markt verschwunden sind, plant auch Mercedes nach derzeitigem Stand, die B-Klasse im Jahr 2026 einzustellen. Für den Gebrauchtwagenmarkt bedeutet dies jedoch eine Chance: Hier zeigt sich der sogenannte "Sports Tourer" oder "Compact Sports Tourer", wie Mercedes ihn einst nannte, als heimlicher Star, der viele Vorzüge moderner SUV bietet und diese in einigen Disziplinen sogar übertrifft. Warum also mehr Geld für weniger Platz in einem SUV ausgeben, der zudem höhere Unterhaltskosten verursacht? Die B-Klasse, insbesondere die späteren Generationen, brilliert mit einem üppigen Raumangebot, hoher Variabilität, einem beeindruckend niedrigen Verbrauch und einer Mercedes-typischen Qualitätsanmutung, die man in diesem Segment oft vergeblich sucht. Ihr praktischer Nutzwert, der bequeme, hohe Einstieg und die ausgezeichnete Übersichtlichkeit machen sie zum idealen Alltagsbegleiter, der sich nicht hinter dem "Hauptauto" verstecken muss, sondern selbst zum Hauptdarsteller avanciert. Wir werfen einen detaillierten Blick auf die drei bisherigen Generationen und klären, welche für welchen Einsatzzweck die beste Wahl darstellt. Lassen Sie uns die Vorzüge dieses "Schweizer Taschenmessers auf Rädern" näher beleuchten, das uns noch viele Jahre treue Dienste leisten kann.
Die erste Generation (T 245): Der Pionier mit Kinderkrankheiten (2005–2011)
Die erste Mercedes B-Klasse, intern als T 245 bekannt und von Mitte 2005 bis Mitte 2011 produziert, war ein wegweisendes Fahrzeug. Sie übernahm von der A-Klasse die innovative Sandwichbauweise mit quer eingebautem Frontmotor und Vorderradantrieb. Dieses Konzept sah vor, Motor und Getriebe im Falle eines schweren Frontalaufpralls unter den Wagenboden zu schieben und so die Insassen optimal zu schützen. Darüber hinaus sollte der erhöhte Fußboden Platz für Batterien eines zukünftigen Elektroantriebs bieten, auch wenn dieses Konzept damals noch nicht vollends zur Entfaltung kam. Mit einer Länge von 4,27 Metern bot die B-Klasse bereits fünf vollwertige Sitzplätze und ein Raumangebot, das größeren Limousinen und Kombis in nichts nachstand. Der Kofferraum fasste 390 Liter bzw. 700 Liter bei umgeklappter Rückbank, ergänzt durch zusätzliche 65 Liter Stauraum unter dem Innenboden. Das war seinerzeit sogar mehr als in manchem Opel Zafira oder VW Touran, trotz kompakterer Außenmaße. Angetrieben wurde die T 245 von verschiedenen Vierzylinder-Motoren, darunter sparsame Dieselaggregate und Benziner, die teilweise die Euro-5-Norm erfüllten. Eine überarbeitete Version kam im Juni 2008 auf den Markt. Bis zur Produktionseinstellung verkaufte Mercedes weltweit über 700.000 Fahrzeuge, wovon ein Drittel auf den deutschen Markt entfiel.
Doch so fortschrittlich das Konzept auch war, die erste Generation hatte mit einigen eklatanten Schwachstellen zu kämpfen, die ihre Attraktivität als Gebrauchtwagen trüben. Die größte Achillesferse ist zweifellos der Rost. Die B-Klasse der Baureihe T 245 neigte zu teils massiven Durchrostungen, insbesondere an den Kanten und unter der Karosseriedichtmasse, etwa an Türen oder am Unterboden. Ein weiteres gravierendes Problem stellte das stufenlose Automatikgetriebe, die sogenannte Autotronic (CVT), dar. Dieses Getriebe war notorisch anfällig für teure Schäden an der Getriebesteuerung. Aufgrund der schrägen Einbauposition des Antriebsblocks in Verbindung mit der komplexen Sandwichbauweise war ein Getriebetausch zudem äußerst aufwendig und kostspielig. Daher wird von Automatikversionen dieser Generation dringend abgeraten. Ein weiteres kleines, aber ärgerliches Detail, das uns aus der Praxis bekannt ist, betrifft den Innenraum: Der verwendete Softlack neigt dazu, im Alter klebrig zu werden und unschön abzunutzen, was den ansonsten guten Qualitätseindruck schmälern kann. Wer jedoch ein rostfreies Exemplar mit Schaltgetriebe findet – was angesichts der damaligen Problematik eine echte Rarität darstellt – erhält ein solides Fahrzeug zum absoluten Schnäppchenpreis. Dies erfordert jedoch eine äußerst sorgfältige und detaillierte Prüfung vor dem Kauf.
Die zweite Generation (W 246): Der unterschätzte Geheimtipp (2011–2018)
Mit der zweiten Generation der B-Klasse, intern W 246 genannt (wobei intern auch der Code W 242 existiert), die im November 2011 erschien, korrigierte Mercedes viele der Kinderkrankheiten des Vorgängers. Zwar verabschiedete man sich vom doppelten Sandwichbodenkonzept, was zu einem geringfügig weniger überragenden Raumangebot führte, Aber die B-Klasse blieb äußerst geräumig. Tatsächlich bietet die W 246 mit den Abmessungen eines Kompaktwagens ein Platzangebot, das in mancher Hinsicht sogar an das des unerreichten Laderaums des E-Klasse-T-Modells heranreicht. Das gelingt durch eine Fülle cleverer Variabilitätslösungen: Die Rücksitze lassen sich nicht nur einfach umklappen, sondern auch in der Neigung verstellen und zweigeteilt verschieben. Eine umklappbare Beifahrersitzlehne ermöglicht den Transport von Sperrgut aller Art, während ein verstellbarer Kofferraumboden und die üppige Heckklappenöffnung das Beladen erleichtern. Das luftige Raumgefühl im Innenraum übertrifft viele heutige Kompaktwagen mit SUV-Statur.
Die Baureihe W 246 glänzt zudem mit einer hervorragenden Wirtschaftlichkeit. Ihre extrem windschlüpfige Karosserie mit einem cW-Wert von 0,26 ist in diesem Segment unerreicht und trägt maßgeblich zu äußerst niedrigen Verbräuchen bei: Benziner lassen sich problemlos mit rund sechs Litern, Diesel mit etwa fünf Litern auf 100 Kilometern bewegen. Auch die Unterhaltskosten für Steuern und Versicherung sind moderat. Die Modellreihe bot eine breite Palette an Antrieben, von sparsamen Diesel- und Benzinmotoren ab 90 bzw. 102 PS bis hin zu kräftigen 211 PS-Versionen. Sogar Allradantrieb, eine werksseitige Erdgasvariante (B 200 NGT) und eine seltene Elektroversion (B 250e mit bis zu 200 Kilometer Reichweite, deren Elektromotor aus dem Tesla Model S stammt) waren verfügbar.
Was die Generation W 246 zu einem echten Geheimtipp macht, ist ihr Premium-Gefühl zum Schnäppchenpreis. Sie vermittelt jene Mercedes-typische Wertigkeit, die man von größeren Modellen kennt: Der satte Klang beim Türenschließen, das feine Klicken der Tasten und eine hervorragende Geräuschdämmung tragen zu einem hohen haptischen Niveau bei, das Alltagsfahrten versüßt. Das durchdachte Infotainment-System, das in späteren Baujahren sogar Smartphone-Spiegelung (Android Auto und Apple Carplay) bot, und die gute Ergonomie überzeugen ebenfalls. Auch in puncto Zuverlässigkeit schneidet die W 246 erfreulich gut ab. Echte Krisenherde sind kaum zu finden. Es gab zwar vereinzelte Rückrufe für frühe Benziner (Nockenwellenfehler), diese sollten aber längst behoben sein. Das Doppelkupplungsgetriebe gilt als konstruktiv problemlos, unterliegt aber wie jedes Kupplungssystem einem prinzipbedingten Verschleiß. Insgesamt sind Probleme an der W 246 meist nutzungs- oder verschleißbedingt und keine grundlegenden Mängel. Schon ab etwa 10.000 bis 11.000 Euro sind gut ausgestattete Exemplare mit weniger als 100.000 Kilometern Laufleistung zu finden, was angesichts der gebotenen Qualität einem echten Schnäppchen gleicht. Dieser Wertverlust macht sie zu einer äußerst attraktiven Option auf dem Gebrauchtwagenmarkt und zu einem deutlich besseren Preis-Leistungs-Verhältnis als ihr Nachfolger.
Die dritte Generation (W 247): Die Moderne mit Charakter (ab 2018)
Die aktuelle, dritte Generation der B-Klasse, W 247 genannt, hat Mercedes im Dezember 2018 vorgestellt. Der Komapkt-Van erhielt im Oktober 2022 eine Modellpflege. Die Baureihe W 247 führt die Tradition des Raumwunders fort und bietet weiterhin ein üppiges Platzangebot für vier Personen und Gepäck. Eine ab Sommer 2019 optionale, um 14 Zentimeter verschiebbare Rückbank in Verbindung mit einer umklappbaren Beifahrersitzlehne ermöglicht eine beeindruckende Durchladelänge von über drei Metern. Der hohe Einstieg macht sie weiterhin beliebt, insbesondere bei älteren Fahrern. Das Fahrwerk und die Lenkung der W 247 vermitteln auch in schnellen Autobahnkurven ein hohes Maß an Sicherheit, ohne den Komfort zu vernachlässigen.
Unter der Haube finden sich modernere Antriebe. Der B 250 e Plug-in-Hybrid, zum Beispiel, kombiniert einen 1,3-Liter-Vierzylinder-Verbrenner (160 PS) mit einem Elektromotor (109 PS) zu einer Systemleistung von 218 PS und 450 Newtonmetern Drehmoment. Die Batterie wurde im Zuge der Modellpflege vergrößert, was eine elektrische Reichweite von bis zu 83 Kilometern (WLTP) ermöglicht. Das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe in den Hybridmodellen und die Sieben-Stufen-Ausführung in anderen Varianten gelten als weitgehend problemlos. Benziner sind hauptsächlich als B 180 und B 200 zu finden, während bei den Dieseln die 180er und 200er-Varianten dominieren. Die stärkeren Diesel nutzen den modernen OM 654, der laut einigen Quellen eine erhebliche Reife erreicht hat und Laufleistungen von 500.000 Kilometern ohne Motoröffnung verbürgt sein sollen.
Allerdings bringt die Modernisierung auch einige Kritikpunkte mit sich. Die Bedienung, insbesondere des volldigitalen Kombiinstruments und der sensiblen Touchflächen in den Lenkradspeichen, wird oft als kompliziert empfunden und kann Eingewöhnung erfordern. Auch das Fahrverhalten des Hybrids zeigt mitunter eine gewisse Unentschlossenheit beim Gasgeben, und der Motorsound kann durch die unter den Vordersitzen endende Auspuffanlage dominant wirken. Frühe Exemplare mit Zweiliter-Diesel hatten im Extremfall mit Problemen durch Schäden am Steuertrieb zu kämpfen. Dies wird auf Empfindlichkeit gegenüber Ölverdünnung durch übermäßigen Leerlauf oder abgebrochene Rußpartikelfilter-Regenerationen zurückgeführt. Potenzielle Käufer sollten diese Diskrepanz unbedingt beachten und die Wartungshistorie sowie eventuelle Rückrufe (z.B. für Turbolader-Ölzufuhr oder Sitzverstellung) genau prüfen. Weitere typische Verschleißteile sind Buchsen der vorderen Querlenker, Koppelstangen und Federbeinstützlager. Trotzdem erhält die B-Klasse von Überwachungsvereinen wie dem ADAC über alle Baujahre hinweg meist positive Bewertungen. Der W 247 ist auf dem Gebrauchtwagenmarkt die teuerste Option; gut erhaltene Exemplare mit fünfstelligen Kilometerständen beginnen bei mindestens 18.500 Euro, Hybridmodelle kaum unter 21.000 Euro.
Welche B-Klasse für wen?
Die Mercedes B-Klasse ist in allen Generationen ein Paradebeispiel für ein praktisches, geräumiges und komfortables Familienauto. Doch die Wahl des richtigen Gebrauchtwagens hängt stark von persönlichen Präferenzen, dem Geldbeutel und der Bereitschaft ab, mögliche Schwächen in Kauf zu nehmen.
Für den absoluten Sparfuchs und Sammler mit Schrauber-Ambitionen kommt die erste Generation (T 245) in Betracht. Hier gilt die Regel: Nur ein rostfreies Exemplar mit manuellem Schaltgetriebe ist überhaupt empfehlenswert. Wer bereit ist, akribisch zu suchen und die Augen vor dem unschön klebrig werdenden Softlack im Innenraum zu verschließen, kann hier ein Raumwunder zum extrem günstigen Preis ergattern. Von den Automatikversionen ist aufgrund der hohen Reparaturanfälligkeit dringend abzuraten.
Die zweite Generation (W 246) ist der heimliche Star und unser klarer Preis-Leistungs-Sieger. Sie bietet ein herausragendes Raumangebot, exzellente Mercedes-Qualität, moderne Features und eine insgesamt hohe Zuverlässigkeit zu einem äußerst attraktiven Gebrauchtwagenpreis. Für Familien, Vielfahrer oder einfach jeden, der ein praktisches, sparsames und komfortables Fahrzeug ohne den oft überteuerten SUV-Aufschlag sucht, ist die W 246 die ideale Wahl und ein echter Geheimtipp. Sie ist robust, gut verarbeitet und stellt ein ausgezeichnetes "Hauptauto" dar, das auch auf langen Strecken überzeugt.
Die dritte Generation (W 247) ist für jene Käufer, die aktuellste Technik und ein frischeres Design wünschen und bereit sind, dafür einen deutlich höheren Preis zu zahlen. Sie bietet ein hochmodernes Infotainment-System und verfeinerte Antriebe, ist aber nicht frei von Kritikpunkten bei der Bedienung und potenziellen Problemen bei bestimmten Dieselmotoren (OM 654), wie von einigen Quellen berichtet. Wer die neueste Generation bevorzugt, sollte sich der komplexeren Bedienung bewusst sein. Sie bietet weiterhin hohen Komfort und viel Platz, aber zu Premium-Kosten, die das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis der zweiten Generation nicht ganz erreicht.
Egal für welche Generation Sie sich entscheiden: Die Mercedes B-Klasse beweist, dass es im Zeitalter der SUV nach wie vor überaus sinnvolle, praktische und oft unterschätzte Alternativen gibt, die den Stern absolut zu Recht tragen.