Mehr Punch, mehr Präzision, mehr Faszination
20 Zusatz-PS schüren die Drehfreude des V8-Biturbo, Leichtbaufeatures knapsen Ballast ab, die geschärfte Lenkung kitzelt eine Extraportion Agilität aus dem Luftfahrwerk. Fahrbericht einer gelungenen Evolution.
Das, was verantwortliche Ingenieure über ihre Produkte zu erzählen wissen, korrespondiert nicht immer mit dem, was man im praktischen Umgang mit diesen Produkten erfährt – das lehrt uns, nun ja, die Erfahrung. Wir haben heute aber mal das Vergnügen, Ihnen eine Ausnahme zu präsentieren: auf der einen Seite Neil Hughes, seines Zeichens leitender Produktstratege bei Aston, auf der anderen der neue DBX S.
Beide sind Briten, beide groß gewachsen, und beide liegen tatsächlich voll auf einer Wellenlänge. Das gemeinsame Schlagwort lautet: "engaging". Zu Deutsch: fesselnd. Nach dieser Prämisse sei inzwischen jedes Modell der Marke aufgezogen. Und obwohl der üppige DBX deren Traditionen so ein bisschen zu überdehnen droht, gehorcht er voll und ganz besagtem Leitmotiv. Im Klartext: Auch er soll seinen Fahrer fesseln – was ihm ganz vorzüglich gelingt, soviel gleich vorweg.
Alu-Karosse als Basis
Grundbedingungen dafür sei laut Hughes die hausgemachte Konstruktion. Statt den einfachen Weg zu gehen und neben der Antriebseinheit auch gleich eine, was weiß ich, GLE-Plattform von Kooperationspartner AMG zuzukaufen, hat Aston Martin für das 2020 präsentierte Super-SUV eine eigenständige Alu-Karosserie entwickelt. Ihr seien nicht nur die gelungenen Design-Proportionen zu verdanken, sondern auch die Tatsache, vor allem das Fahrwerk nach eigenen Prinzipien aufzuziehen – nach Sportwagen-Prinzipien! Und die prägten sich im Zuge der Modellevolution immer stärker aus: Der DBX 707 war ein erster, großer Schritt in diese Richtung, das neue S-Modell unternimmt auf dessen Basis nun den nächsten – einen kleinen, aber feinen.
Was steckt hinter dem 258 000 Euro teuren Topmodell? Nun, man möchte sagen: das Übliche! So bekam der Biturbo-V8 20 Extra-PS entlockt, die jedoch nicht einfach aus der Elektronik hüpfen, sondern aus den größeren Verdichterrädern der Lader sowie einer optimierten Ansaugung resultieren. Im Endeffekt pumpt das Turbo-Duett nun 727 PS und (unverändert) 900 Nm über ein nassgekuppeltes Neunstufen-Automatik-Getriebe in einen serienmäßigen Allradantrieb, der gemäß seiner Affalterbacher Wurzeln primär von der Hinterachse aus operiert.
Optionen mit und ohne Belang
Mit der Leistung stieg jedoch auch die Reaktortemperatur, weswegen die erweiterten Einlässe der Frontschürze weniger der Selbstdarstellung als dem gesteigerten Kühlluftbedarf Rechnung tragen. Die Optik kommt trotzdem nicht zu kurz: Die Endrohre des S-Modells sind übereinandergestapelt statt wie üblich nebeneinander aufgereiht, auf Wunsch gibt es warnfarbene Akzente an Splitter, Schwellern und Diffusoreinsatz sowie allerlei Embleme und Stickereien, aber – da schau her – auch Optionen von Belang. Dazu zählen neben der innovativen Apple-CarPlay-Ultra-Schnittstelle, die sämtliche Fahrzeugfunktionen in die iPhone-Menüstrukturen gießt, auch die 23 Zoll großen Magnesium-Räder und das neue Carbondach, welche die ungefederten Massen beziehungsweise den Schwerpunkt reduzieren.
Zusammen mit kohlefasernen Karosserieteilen sinkt das Gewicht um knapp 50 Kilogramm, was bei 2,2 Tonnen zunächst ebenso wie ein Tropfen auf dem heißen Stein erscheint wie die um vier Prozent gestraffte Lenkübersetzung. Tatsächlich hinterlässt der DBX S auf den mallorquinischen Hinterlandsträßchen aber durchaus den Eindruck, sich noch fester um Befehle zu zurren, prompter auf sie zu reagieren und sie bissiger zu übertragen. Wobei es sich, wie Hughes sagt, nicht nur um die Dynamik als solche dreht, sondern primär um die Art und Weise, wie sie den Fahrer packt. Und so gesehen gibt es zumindest in dieser Klasse wenig Besseres – oder genauer gesagt, wenig Authentischeres.
Den Möglichkeiten moderner Fahrwerks-Schrägstrich-Antriebstechnik ist der Aston an sich zwar nicht abgeneigt. Im Gegenteil: Er kombiniert Drei-Kammer-Luftfedern mit einem elektrischen Wankausgleich und einem aktiven Mitteldifferenzial. Auf eine Errungenschaft wird jedoch ganz bewusst verzichtet – auf die Hinterachslenkung. Sie mag ein Wundermittel gegen Füllegefühl sein, untergräbt durch ihr Zutun aber auch den Fahrbahnkontakt. Oder um im Bild zu bleiben: Sie löst die Fesseln.
Souverän oder offensiv
Die Folgen: Nun, anders als beispielsweise ein Cayenne, der durch die Schräglauf-Impulse aus dem Rückraum wie auf einer Drehscheibe in Ecken rotiert, wirkt der DBX im ersten Moment des Einbiegens sperriger, länger, aber eben auch natürlicher in seinem Bewegungsablauf. Agilität entsteht nicht automatisch, sehr wohl aber auf Kommando. Motto: Der Ton macht die Musik! Bei entspannter Gangart schmiegt sich der DBX S mit seiner durch und durch homogenen Lenkung regelrecht in die Handflächen, liegt ruhig, kurvt flüssig. Andersrum versteht er es aber auch, seinen sportlichen Anspruch gegen die träge Masse durchzuboxen. Die Vorderachse hat Kontur, Rollbewegungen des Aufbaus werden sozusagen im Keim erstickt, während das Allrad-Management die Kräfte so verstrickt, dass sich der Koloss je nach Gaseinsatz entweder um Kurven ziehen, pressen oder peitschen lässt.
Hilfreich dabei, dass es an Spielmasse nicht mangelt. Untenrum, auf den ersten gut 2000 Umdrehungen, wirkt Motor aufgrund der Trägheit seiner großen Lader zwar noch etwas matt, zieht dann aber – sobald der Ladedruck in voller Höhe aufgebaut ist – umso gewaltiger an der Kette, wobei der DBX S unter dumpfem vorwärtswütet. Der Vortrieb ist massiv, die Gangwechsel kernig, der Mehrwert insofern spürbar, als die Leistungsspritze nicht nur den Sprintwert auf 200 um 0,3 kürzt, sondern auch die Charakteristik des Achtzylinders verschärft. So prägt sich das S vor allem in den Hochregionen des Drehzahlspektrums aus, denen die 727-PS-Stufe spürbar frenetischer entgegendreht als der 707. Oder im Schlagwort ausgedrückt: mit noch mehr Engagement!