Erste Fahrt mit dem BMW 635 Csi und Porsche 928
Wenn es nur um Leistung und Fahrspaß ginge, dann könnten wir uns einen Elfer kaufen. Aber der Porsche 928 und BMW 635 CSi sind viel cooler, vor allem weil sie in Form und Stil die 70er Jahre verklären.
Heute wäre er ein Held. Nahtlos würde sich der eigenwillig gestylte Porsche 928 ins aktuelle Modellprogramm einreihen. Zwischen Boxster, Cayman, Cayenne und Carrera die Lücke des souveränen Gran Turismo schließen. Stünde er nächstes Jahr auf dem Genfer Salon, würde man ihm sofort die Rolle einer zweitürigen Panamera-Studie abkaufen. Porsche-Designer Anatole Lapine gelang mit dem revolutionären 928 das Kunststück, eine Sportwagen-Linie völlig neu erfunden zu haben. Ohne italienische Zitate zu verwenden. Er schuf einen konsequent strömungsoptimierten Körper mit breiter Haifisch-Front, dessen offen liegende Klappscheinwerfer die Nähe zum Vorbild Natur noch unterstreichen. Eingeschaltet sehen sie aus wie Fahrradlampen.
Bei der Präsentation des Porsche 928 auf dem Genfer Salon 1977, als viele gusseiserne Porsche-Fahrer den schmucklosen Sportwagen mit der seltsam aggressiven Frontpartie hässlich fanden, rang Lapine nach Rechtfertigung: „Bilderbuch-Ästhetik altert schnell, weil ihre Harmonie im Lauf der Zeit langweilig wird. Ein provokanter, spannender Entwurf bleibt länger jung – Porsche-Formen müssen mindestens 15 Jahre halten.“ Die kapriziöse Diva 928 hielt sich besser als so manches Playmate von 1977. Sie ist nur innen spürbar gealtert, Sitze und Cockpit verströmen mit seltsam geformten Accessoires stellenweise den skurrilen Charme der Siebziger. Lange litt der 928 unter dem Ruf, als inoffizieller 911-Nachfolger der Königsmörder zu sein.
Erst spät hat er sich als 928 GTS mit 5,4 Litern Hubraum und 350 PS leistungsmäßig gegenüber dem Turbo-Elfer endlich emanzipiert. Das Stigma des Flops haben ihm destruktive Motorjournalisten und hörige Elfer-Fetischisten angedichtet. Immerhin wurde er aus dem Stand Auto des Jahres 1978. Über 60 000 Exemplare in 18 Jahren Bauzeit sprechen kaum für diese Verschwörungstheorie, aber gegen den Mythos 911 war selbst der Fullsize-Bolide mit der breiten Spur stets machtlos. Er war wie die anderen Transaxle-Modelle 924 und 944 ein Kind der Fuhrmann-Ära, die Porsche-Familie tat sich stets schwer mit ihrer Adoption.
Heute zweifelt niemand an der Identität eines Cayenne, der auf einer VWPlattform basiert und kein Sportwagen mehr ist. Kam der 928 etwa Jahrzehnte zu früh? Vielleicht, aber vergesst nicht, er war mal richtig in. Lieferzeiten gab es von Anfang an. In den achtziger Jahren hatte er seine große Zeit. Da wurde der 928 S mehr als der schmächtige Elfer zum Statussymbol und zum Aphrodisiakum vermögender Freiberufler. Ihm gehörte plötzlich der Boulevard der Eitelkeit, SEC und Sechser degradierte der brüllende Potenzprotz zu Chorknaben. Die Sechser.Baureihe von BMW wirkt selbst als 635 CSimit Spoiler-Make-up und breiten TRX-Reifen feminin und zart besaitet. Paul Bracq zeichnete ihn mit feinem, lockerem Strich. Bracq kam 1970 von Mercedes zu BMW, um die neue Modellgeneration der Kuenheim-Ära komplett einzukleiden. Nach Fünfer und Dreier folgte 1976 der Sechser.
Das große teure Coupé geriet mit reichlich Chrom, sanft verlaufendem Stufenheck und zarten Chrom-Stoßstangen weit weniger innovativ als der bullige, formal reduzierte Porsche 928. Doch mit seinen tief liegenden, leicht versetzten Doppelscheinwerfern in der dynamisch gepfeilten Frontpartie wirkt auch die Bayerische Beauty-Queen angriffslustig wie ein Hai im Heringsschwarm. Sechser und 928 waren natürliche Feinde in der lukrativen Nische sportlicher Luxus-Coupés.Doch es muss schon ein 635 CSi her, um mit dem potenten Viereinhalb-Liter- Achtzylinder mitzuhalten. Ein Gewichtshandicap tragen beide Coupés mit sich herum, auch wenn der zierlich wirkende BMW mit den schmalen Dachpfosten auf den ersten Blick nicht danach aussieht.
Beide Viersitzer, der BMW ein echter, der Porsche eher ein Zweipluszwei, sind ausgewachsene Anderthalbtonner.Trotz Leichtmetall-V8 und Aluminum-Türen braucht der frühe 928 jedes seiner 240 PS, um einen Drei-Liter-Carrera in Schach zu halten.Das gilt sogar auf unseren in harmlosen Drehzahlbereichen angesiedelten Fotofahrten für den BMW 635 CSi. Auch ihm kann der 22 PS stärkere Achtzylinder nicht davonfahren, das bessere Drehmoment unten heraus verspielt der Porsche mit Rühren im Fünfgang-Sportgetriebe. Ein Nachteil des Transaxle- Prinzips sind die langen Schaltwege, die Automatik passt zum 928 einfach besser.
Der Sechser lässt sich auch mit der Getrag-Fünfgang-Sportbox, deren erste Stufe ebenfalls links hinten liegt, präzise und geschmeidig schalten. Die Anschlüsse passen perfekt. Nicht nur formal, sondern auch technisch geriet der BMW 635 CSi weit konventioneller als der progressive 928. Das Fahrwerk, mit McPherson-Vorderachse und Schräglenkern hinten, ist nach bewährtem BMW-Rezept konstruiert. Chefkonstrukteur Bernhard Osswald musste nur die Zutaten neu abstimmen und anders dosieren.
Der herrliche Reihensechszylinder, so wunderbar schwingungsarm, elastisch und kraftvoll, stammt aus dem BMW 2500. Die solide Basis des hübschen Coupés bildet schließlich ein schlichter Mittelklasse-Fünfer, dessen sparsamer Radstand von 2,62 Meter beim stattlichen Sechser für unvorteilhaft lange Überhänge sorgt. Kenner wünschen sich das BMW-Coupé im Übrigen offenherziger, im Vergleich zum grazilen Vorgänger 3.0 CSi stört die breite B-Säule im charmanten Dialog mit den rahmenlosen Seitenscheiben. Die sind übrigens beim Sechser eine Spur zu tief ausgeschnitten. Autos sind ein wenig wie Frauen, selbst Schönheitsfehler machen letztlich wahre Schönheit aus, wenn sie nicht künstlich wirken soll wie bei Pamela Anderson. Die Linie des BMW hat zweifellos weiblichen Sex-Appeal, während der Porsche wie ein Macho auftritt.
Der Porsche 928 steht für den grandiosen Mut, mit Traditionen radikal zu brechen. Sobald sich die seltsam geformte, üppig umrahmte Fahrertür wie die Luke einer Raumkapsel schließt, fühlt sich der Pilot hinter dem dicknabigem Lenkrad wie Captain Future auf dem Weg ins Universum. Tief sitzt er in den hochlehningen Sesseln, die einen so eng umfassen wie die dominante Mittelkonsole, Mann und Frau sind streng getrennt. Sie teilt das Auto wie ein Transaxle-Denkmal innen in zwei unüberwindbare Hälften, denn unten läuft im starren Tunnel hinter der Kupplung eine stets mit Motordrehzahl rotierende Welle. Erst an der Hinterachse trifft sie auf das Getriebe – eine ausgewogene Balance samt neutralem Fahrverhalten lohnt den Aufwand. Heute kann es Allrad besser.
Das voluminöse Plastik-Instrumentenbrett wölbt sich den Passagieren entgegen. Sobald man den Zündschlüssel herumdreht, wird der Warnautomat in den Instrumenten aktiviert, klingen einfache Begriffe wie Motorölstand oder Kühlwassertemperatur in roter Schrift plötzlich wie mysteriöse Botschaften aus dem All. Dreht man den Schlüssel weiter, erwacht der Achtzylinder mit heiserem Fauchen. Man ist froh, dass er vorn im engen Motorraum eingesperrt ist und nicht gleich über einen herfällt. Beim Druck aufs Gaspedal stürmt der Wagen los. Er bruzzelt und grollt, aber nicht mit dem satten Bass eines Ami-V8 – irgendwie nervöser, heller, italienischer, mit den Hufen scharrend. „Komm zeig’ es mir“, scheint er während des Fauchens zu flüstern.
Selbst der zahme Viereinhalbliter mit 240 PS macht akustisch schon mächtig Wirbel, stimuliert zum Schnellfahren. Aber erst der atemtechnisch entfesselte 928 S brüllt seine 300 PS so infernalisch raus, dass man schier eine Gänsehaut bekommt. Gebändigt wird der High-End-Achtzylinder mit Zahnriemensteuerung, hydraulischen Tassenstößeln und siliziumbeschichteten Laufbahnen von einem Fahrwerk, das mit seinen beiden Doppelquerlenkerachsen heute noch Maßstäbe setzt. Nur der Kunststoff könnte hochwertiger sein, die Sitze wären besser mit serienmäßigem Leder bezogen und der Schalthebel auch.
Der frühe 928 wirkt innen nicht so kompromisslos hochwertig wie die späteren S4 oder GT. Unser Exemplar stammt von März 1979. Harry Utesch, Inhaber des DLS Autohandels in Fellbach, steuerte das hellblaue Ersthandexemplar mit noch nicht einmal 80 000 Kilometern auf dem Zählwerk des bis 280 km/h reichenden Tachos bei. Die Chefin einer Werbeagentur kaufte es damals, orderte die Nadelstreifen-Sitzbezüge in Schwarz und eine Klimaanlage. Tempostat, bronzegetönte Scheiben, elektrische Fensterheber und eine Blaupunkt Heidelberg-Stereoanlagen waren beim 928 sogar serienmäßig. Der BMW 635 CSi stammt aus dem Fundus der Mobilen Tradition. Er ist fast jungfräulich, ein Bandabgänger vom Juli 1981, polaris mit pazifikblauem Leder.
Er ist reich mit Extras bedacht, sogar die niedlichen Scheinwerfer-Wischer legen sich wie Nerz-Wimpern um die aufreizend blickenden Doppelscheinwerfer. Als spätes Modell der ersten Serie hat er schon den kantigen Luftsammler des Nachfolgers, und er trägt bereits das moderne Räder-Design mit TRX-Reifen. Der neue Fünfer ist gerade auf dem Markt, seine Basis heißt bald E28 und nicht mehr E12. Im März 1982 bekam der Sechser neben ein paar optischen Retuschen, die ihm seinen unschuldigen Charme nahmen, die optimierte Doppelgelenk- Vorderachse des Siebener.
Zylinderkopfprobleme führten beim Dreieinhalbliter zu weniger Bohrung und mehr Hub, Elektronik hielt verstärkt Einzug. Der 633 CSi verschwand aus dem Programm, zuvor hatte es schon den Vergaser-630 CS zu Gunsten des 628 CSi erwischt. Überaus einladend wirken die attraktiv geformten Ledersitze des Sechser. – keine dunkle Höhle wie im 928.Vor allem im Fond gibt es nicht nur reichlich Platz, sondern ein fast sinnlich gestaltetes Mobilar, das von Vitra oder de Sede stammen könnte. Innen ist der BMW viel hochwertiger ausstaffiert als der frühe 928, die Kunststoffe hochwertig genarbt und bestens verarbeitet. Das moderne Check-Control Panel steht in spannendem Kontrast zum neckischen Reißverschluss am ledernen Schalthebelsack. Raumgefühl und Sitzposition passen, anders als im Fünfer, perfekt.
Die Übersichtlichkeit läst keine Wünsche offen, eine lange breite Motorhaube teilt den Fahrtwind wie ein Pfeil. Akustisch übt der Sechser die gleiche Zurückhaltung, die in seinem ganzen Wesen steckt, fast scheint er sich seiner Spoiler und Zierstreifen zu schämen. Der Motor klingt kraftvoll, wird aber niemals laut und stürmt wacker aus dem Drehzahlkeller. Doch erst über 4500/min geht es richtig zur Sache.
Wer das Tier im Sechser sucht, muss zum M 635 CSi greifen, um den Porsche 928 S zu demütigen. Komfortabel abgestimmt benimmt sich der Salon-Sechser auch im Grenzbereich gutmütig, lange untersteuernd bis neutral umrundet er selbst schnell gefahrene enge Kurven ohne Angstzustände. Das Gleiche gilt für den Porsche, frühe 928 gelten im weit gesteckten Grenzbereich jedoch als plötzliche Übersteurer, Porsche-Fahrer sind eben geübt im Gegenlenken. Sollte der 928 doch Elfer-Nachfolger werden? Die animierende Fahrwerksauslegung, der kurze Radstand von nur 2,50 Meter und die engen Kindersitze im Fond wären weitere Indizien. Die Heckklappe nur ein Alibi. Der Porsche 928 hat zickige Starallüren. Er ist begehrt, launisch, anspruchsvoll und fordert hohe Gagen.
Aber er ist auch lasziv, faszinierend, unwiderstehlich und herausfordernd. Ideal für eine Affäre. Einzigartig in Form und Charakter, so wie der Elfer. Wann wird es die Porsche-Szene endlich begreifen? Der BMW 635 CSi ist wie eine schöne, gebildete Frau aus gutem Hause. Sportlich elegant, niveauvoll, aber nicht exaltiert. Ohne Abgründe, fast zu brav. Ideal für ein Leben zu zweit.