Maserati Quattroporte

Die Typenbezeichnung des Vorgängermodells Quattroporte III lautete zwar Royale, aber erst jetzt ist der neue viertürige Maserati Quattroporte wirklich königlich geworden.
Selbstverständlich verkörpert der neue Maserati Quattroporte jene Art von Luxus, den die heutige Mangönnt- sich-ja-sonst-nichts-Generation spätestens zum zweiten Frühstück konsumiert. Neben den üblichen XXL-Portionen an Motor- und Fahrleistungen, elektronischen Dienstleistungen sowie Komfort und Ausstattung großer Staatslimousinen bringt der knapp über fünf Meter lange Viertürer ein neues Ass ins Spiel. Sobald die Fondtür satt ins Schloss gefallen ist, der einzeln verstellbare Rücksitz so justiert wurde, dass der Maßanzug keine Falten wirft, und das kleine Holztablett aufgeklappt als Schreibtisch dient, überfällt den Quattroporte-Passagier hinten eine ganz bestimmte Sehnsucht.
Er will nach vorn, zumindest auf den Beifahrersitz. Der ist in seiner Opulenz so geschnitten, dass ebenfalls Unruhe entsteht. Die Schenkelauflage könnte einen Tick länger sein, die Sitzfläche breiter, die Seitenwülste etwas schmäler. Flugs also dorthin, wo Michael Schumacher sein Vermögen verdient. Ans Volante. Plötzlich passt alles. Der Luxusliner schließt sich um den Fahrer wie eine Auster um ihre Perle. Dank dem weiten Verstellbereich lässt sich das Lenkrad so ideal wie in einem Renntourenwagen justieren, annähernd senkrecht und nah am Körper. Die Finger schnippen an der Schaltwippe den ersten Gang hinein, und innerhalb von wenigen Millisekunden verwandelt sich die Limousine gefühlsmäßig in einen Gran Turismo.
Wäre man mit verbundenen Augen eingestiegen, dann mit Scheuklappen losgefahren, ohne Dreizackwappen im Hirn und Auspuffgeräusch im Ohr, würde der geneigte Pilot aufgrund des ersten Fahreindrucks auf einen BMW der Skala drei bis fünf tippen, eventuell auch auf ein veritables Coupé. Schließlich entpuppt sich die fünfsitzige Limousine datenmäßig als wahre Grazie: Das Leergewicht ohne Flüssigkeiten beträgt laut Werksangaben 1860 Kilogramm bei einer Achslastverteilung von 47 zu 53 Prozent. Das entspricht etwa den Ferrari-Frontmotor-Sportwagen 575M Maranello und 456M GT. Verantwortlich dafür ist ein technisches Konzept, das Maserati als einmalig in der Luxusklasse preist: Der 400 PS starke 4,2- Liter-V8-Motor ist hinter der Vorderachse in der so genannten Frontmittelmotor-Position platziert, das mit dem Hinterachsdifferenzial verblockte Transaxle-Sechsgang- Getriebe transferiert ebenfalls zusätzliches Gewicht auf die Antriebsachse nach hinten. Diese Plattform-Lösung ist so raffiniert, dass sie BMW für den Siebener einst als zu teuer verworfen und VW sie jetzt von Maserati für ein großes Volkswagen-Modell unterhalb des Phaeton gekauft hat.
Der durch dieses Konzept bedingte lange Radstand von 3,06 Metern erlaubte Pininfarina schließlich nicht nur, den schönsten Maserati Quattroporte aller Zeiten auf die serienmäßigen 18-Zoll-Räder zu stellen, sondern auch die konservative Kaste der Luxus-, Staats- und Repräsentationslimousinen mit diesem lässig-eleganten Wirbelwind in Turbulenzen zu versetzen. Obwohl Pininfarina die große Limousine nicht neu erfunden hat, wirkt der Quattroporte angesichts der Konkurrenten wie ein doppelter Espresso mit einem Schuss Grappa: einerseits der natürliche Fluss der Kurven durch den Windkanal, die im Bereich der C-Säule sogar das Profil eines Coupé. annehmen; andererseits so schwere, volle Rundungen, die früher Barockengel charakterisierten. Dazu ein riesiger ovaler Kühlergrill, der die Front wie schweres Geschmeide ziert, darüber zwei dekolletéhafte Täler, die Motorhaube und Kotflügel separieren. Innen legt der Maserati sogar noch zwei Gänge Opulenz zu. Leder wie auf einer Weide von Rasserindern, die Mittelkonsole in Form und Größe eines kleinen Kühlschranks mit Holzfurnier beplankt, Infotainment- System von Blaupunkt, Musikanlage von Bose.
Es ließe sich in einem geparkten Quattroporte durchaus ein Abend verbringen, der gemütlicher als in einer Luxussuite und romantischer als im Nobelrestaurant sein könnte, würde der Zündschlüssel nicht eine latente paradiesische Versuchung bedeuten. Das gegenüber Coupé und Spyder im Bereich der Nockenwellen, des Ansaugsystems inklusive Luftfilter und im Auspuffbereich modifizierte Triebwerk zündet mit dem kernigen Aufbrausen großvolumiger V8-Motoren, der Duo Select-Modus des elektrohydraulisch betätigten und computergesteuerten Getriebes bietet automatisch den Vollautomatik-Modus an. Zunächst Achtung, dann alle Achtung: Im Quattroporte bügelt kein Hydraulikwandler die Schaltrucke aus, es sind im Prinzip jene Stellmotoren am Werk, die auch den Formel 1-Piloten das Kuppeln und Bewegen eines Schalthebels abnehmen. Beim automatischen Einkuppeln zaubert der Quattroporte eine Sensibilität aus der Steuerungssoftware und den Hydraulikhelfern, welche die damit angepeilte Zielgruppe in ihrem Kupplungsfuß mit Sicherheit vermissen lässt, nämlich die amerikanischen oberen Zehntausend samt Honey- Ehefrauen. Selbst der südeuropäische Schaltmacho wird sich im Stadtverkehr gern davon verwöhnen lassen.
Damit könnte der metallische M/A-Knopf links oben neben dem Bildschirm zum Umschalten auf die Schaltwippen für freie Fahrt, Feiertage und das Feiern eines Grand-Prix-Triumphs der Maserati- Mutterfirma Ferrari reserviert sein. Zackig schnell und geschmeidig, beim Runterschalten noch einen Tick sanfter als beim Hinaufschalten, wechselt Duo Select die Gänge, gleich der Stabübergabe in einer amerikanischen 4_100-Staffel. Ähnlich leicht, tänzerisch bewegt sich der Quattroporte, der trotz zweier Hauben aus Aluminium doch in der Klasse der schweren Limousinen antritt, in engen wie weiten Kurven.
Die elektronische Dämpferregulierung mit so genannter Skyhook-Logik, eine Sachs-Entwicklung, erreicht im Komfort nicht ganz das Niveau einer Audi A8-Luftfederung, setzt aber kommode Akzente in ein sportlich neutrales Fahrverhalten, das wegen der kaum spürbaren Querneigung auch auf den Rücksitzen zu genießen ist. Der deutsche Markt wird ab Ende März in Maßen erobert. Nur 350 Stück sind im ersten Produktionsjahr für die deutschen Händler reserviert, die bereits auf 200 Kaufverträgen ruhen. Damit übertrifft die Exklusivität des Quattroporte sogar noch dessen sportliches Prestige.