VW Polo R WRC von MTM und KL Racing
Um den Polo für die Rallye-WM zu homologieren, baute VW 2.500 Exemplare des straßenzugelassenen Sondermodells R WRC. Wir haben mit den getunten Versionen von MTM und KL Racing dem amtierenden Rallye-Weltmeister in Hannover einen Blitzbesuch abgestattet.
Just in dieser Sekunde würde ein Rallye-Beifahrer wahrscheinlich eine kryptische Kurvenbeschreibung in die Gegensprechanlage brüllen, doch heute gibt's keinen Kopiloten und keinen Rallye-Aufschrieb. Der VW Polo R WRC stürmt durch die Kasseler Berge. Während die Tachonadel kurz vor Anschlag zittert, macht sich im Rückspiegel ein zweiter VW Polo R WRC breit. Nein, wir holzen nicht gerade mit zwei Rallye-Boliden durch die Wälder, sondern treiben die VW Polo R WRC der Tuner MTM und KL Racing von unserem Redaktionssitz in Stuttgart über die A 7 zu Volkswagen Motorsport nach Hannover.
In den heiligen Hallen von VW Motorsport
511 Kilometer später landen wir in einem Gewerbegebiet in der Ikarusallee 7a. Von außen wirkt das VW-Motorsport-Headquarter so unscheinbar wie ein mittelständischer Industriebetrieb. Doch dahinter verbergen sich heilige Hallen, in denen regelmäßig Siegertypen wie die Race-Touareg-Dakar-Helden oder jüngst der VW Polo R WRC des Rallye-Weltmeisters Sébastien Ogier gezüchtet werden.
Schnell durchs Foyer huschen. Vorbei geht es an mannshohen Vitrinen, deren blitzende Pokalflut selbst das Museum von Real Madrid in den Schatten stellt. "Wir kommen kaum noch aus dem Feiern raus", sagt einer der in blau gehüllten VW-Mannen lächelnd. Insgesamt 190 Mitarbeiter schuften hier emsig für den Erfolg, der VW Motorsport 2013 alleine zehn Rallye-WM-Laufsiege und überlegen den WM-Titel in der Fahrer-, Beifahrer- und Herstellerwertung eingebracht hat.
WOB-VW 355 schleicht knapp über Leerlaufdrehzahl wummernd in der Halle herum und setzt die Positionsbefehle unseres Fotografen um. Den Rallye-Polo selbst dirigieren dürfen wir heute nicht, aber ausnahmsweise mal in den leergeräumten Arbeitsplatz des Weltmeisters reinschnuppern. Die Sitzposition von Fahrer und Beifahrer wurde zur besseren Gewichtsverteilung bis auf Höhe der B-Säule nach hinten verschoben. Neben zwei Schalensitzen dominieren das mit Knöpfen und Drehreglern gespickte Rennlenkrad, der massive Schaltstock, die hydraulische Handbremse sowie die freistehende Pedalerie das von einer Sicherzeitszelle aus rund 50 Meter hochfestem Stahlrohr eingezäunte Cockpit.
Rallye-Polo-R-WRC trifft Straßen-WRC
Die an einen OP-Saal erinnernde Beleuchtung und Reinheit der Werkstatt ähnelt einer Formel-1-Rennfabrik. Auch die minutiös strukturierten Ablaufpläne an den Hallenwänden verraten, dass Rallye hier keineswegs ein Abenteuer, sondern Motorsport auf allerhöchstem Profi-Niveau ist.
Der Blick unter die Motorhaube des 1.200 Kilo schweren Rallye-Boliden bestätigt dies. Der nach dem Global Race Engine Concept entwickelte 1,6-Liter-Vierzylinder mit Turboaufladung leistet mit reglementbedingt auf 2,5 bar begrenztem Ladedruck 315 PS. Kein Kraftprotz, aber mit kurz übersetztem, sequenziellen Sechsganggetriebe (max. 200 km/h Höchstgeschwindigkeit) sowie Allradantrieb mit je einem Lamellensperrdifferenzial an Vorder- und Hinterachse geht richtig der Punk ab. 3,9 Sekunden sollen von null auf 100 km/h drin sein.
Die Lancia-Delta-Integrale-Evo-Zeiten, als Straßenauto und Rallye-Hobel noch so ähnlich wie eineiige Zwillinge aussahen, sind leider längst vorbei. Der Rallye-Polo trägt eine Motorhaube, eine Heckklappe, Türen und ausgestellte Kotflügel aus Carbon. Lediglich die Rohkarosse basiert auf dem Serienmodell.
Einen martialischen Heckflügel oder Kotflügel-Backen sucht man am WRC-Polo für die Straße vergebens. Sorry VW, optisch wirkt das auf 2.500 Exemplare limitierte Sondermodell so anregend wie eine Schlaftablette. Früher ging da einfach mehr. Denken wir nur an den Renault R5 "Backenturbo" - lechz!
VW Polo R WRC von MTM mit breiten Backen
So schüchtern, wie sich Polo R WRC-Editionsnummer 140 (KL Racing) und 1.416 (MTM) neben dem Rallye-Champ aus Hannover aufreihen, vergisst man fast, wie ungeniert das getunte Duo über Landstraße und Autobahn nach Niedersachsen geturnt ist. Im Vergleich zur 1.820 mm breiten Rallye-Version ist der Polo R WRC für die Straße 13,8 Zentimeter schmaler. Normalerweise.
Während das Exemplar von Tuner KL Racing aus Meerbusch äußerlich keine Veränderungen zeigt, verbreiterte die MTM-Mannschaft aus dem bayrischen Wettstetten die Kotflügel des VW Polo R WRC an der Vorderachse pro Seite um 2,4 Zentimeter. Wer hier an Kotflügelziehen im Hinterhofstil denkt, liegt falsch. Die breiteren Backen bestehen aus GFK und kosten inklusive Lackierung sowie Anbau rund 1.400 Euro.
Über die 315 PS des Rallye-Autos können MTM und KL Racing nur müde lächeln. Anders als beim Polo GTI steckt unter der Motorhaube des WRC-Sondermodells nicht etwa der aufgeladene 1,4-Liter-Vierzylinder mit 180 PS, sondern der Zweiliter-TSI der EA113-Baureihe. Statt der serienmäßigen 220 PS leistet die MTM-Variante nun 330 PS (Preis der Leistungssteigerung mit Vorrohr, Mittel- und Endschalldämpfer: 5.926 Euro). KL Racing geht mit der Unterstützung seines Motorenpartners BTS Racing sogar noch weiter. Dank geändertem Turbolader, optimierter Luftansaugung, großem Ladeluftkühler, geänderten Einspritzdüsen und einer modifizierten Motorelektronik sowie einer 76-mm-Komplettabgasablage leistet der Vierzylinder hier 390 PS.
MTM mit Drexler-Sperre
Wie fühlen sich bis zu 400 PS in einem Polo an? Wir verabschieden uns schnell beim Rallye-Weltmeister und geben zunächst dem MTM-Polo WRC im Vergleichstest die Sporen. Unsensible Gaspedaltreter lassen sofort die Vorderräder beim Anfahren scharren, doch insgesamt bringt die 330-PS-Tuningversion seine Extraportion Leistung erstaunlich gut auf die Straße. Dank der Kotflügelverbreiterungen trägt der MTM-Polo an der Vorderachse statt der Serienbereifung (215/35 R18 rundum) nun 245/35 ZR18-Pneus. Hinten setzt MTM auf das Reifenformat 215/40 ZR 18.
Anders als im Serien-Polo hilft hier eine mechanische Drexler-Differenzialsperre, die Kraft ohne extremen Schlupf umzusetzen. Apropos extrem: Geradeauslauf ist für den MTM-Kraftwürfel ein absolutes Fremdwort. Sobald die Sperre unter Last aktiv mitarbeitet, zieht das gestärkte WRC-Modell extrem nach rechts. Die für die Rundstrecke optimierte Fahrwerksgeometrie des nachgerüsteten KW-Variante- 3-Gewindefahrwerks tut ihr Übriges, dass der Polo jeder Spurrille nachläuft.
Geradeaus ist dafür alles gut: Der VW Polo R WRC von MTM unterbietet die Werksangabe für das Serienmodell R WRC von null auf 100 km/h in 5,4 um eine Sekunde. Ein kleines Turboloch kann der getunte Zweiliter nicht ganz verheimlichen, doch danach überzeugt er mit einer gleichmäßigen Kraftentfaltung bis über 6.000/ min. Ein Tacho mit 280-km/h-Skalierung hätte zu Polo-G40-Zeiten für einen Massenauflauf bei Tuning-Treffen vor der Tankstelle oder der Disco gesorgt. Der im Serientrimm 243 km/h schnelle R WRC-Polo trägt ein so weit reichendes Instrument heute ab Werk.
VW Polo R WRC von KL Racing über 280 km/h schnell
Im MTM-Polo klettert die Tachonadel bis auf knapp 270 km/h (angegebene Vmax: 262 km/h). Der getunte VW Polo R WRC von KL Racing bringt das Kombi-Instrument dann noch mehr in Bedrängnis. Mit genügend Anlauf zoomt sich die Tachonadel hier bis zum 280-km/h-Anschlag. Danach geht's nur per GPS weiter. Laut KL soll die Höchstgeschwindigkeit bei 288 km/h liegen.
Während in der MTM-Version bei Tempo-Orgien das Lenkrad gut festgehalten werden muss, überzeugt das mit einer Quaife-Sperre, knackiger Sachs-Sportkupplung und KW-Clubsport-Fahrwerk ausgerüstete KL-Modell mit besserem Geradeauslauf und geringeren Antriebseinflüssen in der Lenkung. Egal ob MTM oder KL - bei Highspeed hoppeln beide wie flüchtende Hasen über Bodenwellen.
Angesichts des Rockkonzerts, das aus den Endrohren des aufgepäppelten VW Polo R WRC von KL Racing entweicht, geraten seine hervorragenden Beschleunigungswerte aus dem Stand auf Tempo 100 (5,3 s) und auf 200 km/h (16,5 s) sowie die über das ganze Drehzahlband druckvollere Kraftentfaltung fast in Vergessenheit. Dank Downpipe inklusive HJS-Kat und einem Endschalldämpfer mit Klappensteuerung tönt der Monster-Polo mit Col-de-Turini-Gedächtnisklang zum Brötchenholen. Auch der MTM-Auspuff sorgt bollernd für Jubel im Cockpit.
Tuning-Ausflug endet in Hockenheim./strong>
Und wo endet unser Ausflug mit den Rennzwergen? Natürlich in Hockenheim. Nicht nur die Leistungsdifferenz, sondern auch die Reifenwahl mit Michelin Pilot Super Sport (MTM) und Dunlop Direzza 03G (KL) lassen schon vor der schnellen Runde erahnen, wer den Kleinen Kurs als Sieger verlässt.
Die indirekte Serienlenkung verlangt bei beiden Fahrzeugen nach recht großen Lenkwinkeln. Der MTM-Polo kann im ersten Teil des Kurvenverlaufs eine Tendenz zum Untersteuern nicht vertuschen. Zwar reagiert das Heck im Vergleichstest mit leichten Hüftschwüngen zaghaft auf Lastwechsel, doch die Abstimmung der Hinterachsgeometrie hätte noch agiler ausgelegt werden können. Dafür trumpft der MTM-Polo unter Last auf. Mit mechanischer Sperre und breiten Vorderreifen schält er sich ohne spürbaren Schlupf ums Eck. Das Gripniveau der Michelin-Pneus ist dabei nicht ganz so hoch wie das der Dunlop-Bereifung.
Anbremsen, Einlenken und Herausbeschleunigen - die Kurvenchoreografie läuft im KL Racing-WRC wesentlich neutraler ab. Die vorn aus dem Golf IV R32 stammende Bremsanlage punktet in Kombination mit den Dunlop-Cupreifen mit der besseren ABS-Regelung als die nachgerüstete Achtkolbenbremsanlage von MTM, baut jedoch nach drei Runden mit nachlassendem Bremsdruck schnell ab. Die 4.090 Euro teure Nachrüstbremsanlage von MTM zeigte sich auch nach mehreren schnellen Runden absolut standfest.
Mit Rundenzeiten von 1.14,8 min (MTM) und 1.13,4 min (KL) beamen sich beide R WRC um Lichtjahre über die bisherige Polo-Bestzeit auf dem Kleinen Kurs (GTI: 1.20,7 min in Heft 12/2010) - so werden sie auch ohne martialische Kotflügel-Backen ihrem weltmeisterlichen Namensgeber gerecht.