Teilintegriertes Raumwunder, aber preiswert?

Der neue, knapp sieben Meter lange Compact DL mit Längsbank-Sitzgruppe ist gerade einmal 2,12 Meter breit. Ob darunter der Komfort im Inneren leiden muss, zeigt der Test des Einzelbetten-Modells.
Außen kompakt, innen großzügig? Am Idealbild des Reisemobils haben sich schon viele Hersteller versucht – so auch Adria mit der Compact-Baureihe. Die haben die Entwickler zum Modelljahr 2020 gründlich überarbeitet. Das bis dato außergewöhnlichste Modell der Baureihe – den SLS mit Heck-Slide-Out – gibt es nicht mehr. Stattdessen setzen die Slowenen auf den neuen, 6,99 Meter langen DL mit trendiger Längsbank-Sitzgruppe und Einzelbetten im Heck. Bei den Compact-Modellen gilt das Motto „der Name ist Programm“ gleich im doppelten Sinne: Mit nur drei Grundrissen fällt die Auswahl in der Baureihe ebenso kompakt aus wie die Fahrzeugmaße – besonders was die Breite anbelangt. Mit 212 Zentimetern – und damit im Vergleich zu üblichen Teilintegrierten rund 20 Zentimeter schlanker – macht der Compact seinem Namen alle Ehre.
Ein Camper auf Diät? Eher nicht! Zum Supercheck rollt der Compact DL mit neuem 140-PS-Ducato-Motor und in der Ausstattungsvariante Plus vor. Mit einem Einstiegspreis von 59.199 Euro ist er auch kein Schnäppchen, hat dafür aber bereits reichlich Ausstattung serienmäßig an Bord.
Kompakte Außenmaße bei innerer Großzügigkeit? Der ausführliche Supercheck zeigt, ob Adria dieser Spagat mit dem Compact Plus DL gelingt.
Wohnen
Geringe Aufbaubreite, geringer Komfort? Beim ersten Probesitzen auf der Loungesitzgruppe lässt sich diese Vermutung klar verneinen. Trotz kaum mehr als Kastenwagenbreite fühlt man sich im Compact DL keineswegs eingeengt. Adria weiß die vermeintliche Schwachstelle beim Wohnkomfort gekonnt zu kaschieren. Dabei hilft die trendige Längsbank-Sitzgruppe, die gerade in schmalen Fahrzeugen ihre raumöffnende Wirkung ausspielen kann.
Unterstützt wird das offene Raumgefühl zudem durch das helle Möbeldekor Sandy White und das große, serienmäßige Panoramadachfenster über dem Cockpit, das für viel Licht an der Sitzgruppe sorgt. An der finden zwei Personen bequem Platz, mit den gedrehten Fahrerhaussitzen noch zwei weitere. Die sitzen aufgrund einer Stufe zum Fahrerhaus – ansonsten verläuft der Boden plan bis zu den Betten – allerdings rund zehn Zentimeter höher am 70 mal 70 Zentimeter großen Tisch, auf dem es für vier schon etwas eng werden kann. Die Tischplatte lässt sich zusammenklappen, dennoch schränkt sie den Durchgang ins Cockpit etwas ein. Auch der Einstieg ins Fahrzeug zeigt sich nicht gerade barrierefrei, denn die Aufbautür ist lediglich 52 Zentimeter breit.
Alles andere als knausrig präsentiert sich dagegen der Küchenblock gegenüber. Er weiß mit einem Dreiflammkocher in Längsanordnung, einer Dunstabzugshaube und toller Beleuchtung sowohl in Sachen Komfort als auch mit viel Stauraum in puncto Funktionalität zu überzeugen. Etwas mager fällt lediglich der 90 Liter fassende Kompressorkühlschrank aus, der jedoch für 399 Euro extra einem 150-Liter-Exemplar weicht. Wer auch noch einen Backofen möchte, kann diesen für 349 Euro ordern, muss dann jedoch mit einer Schublade weniger vorliebnehmen.
Rechts folgt nach dem Einstieg das Bad mit Schiebetür, die beim Test allerdings immer wieder klemmte. Ohnehin lässt man sie beim Waschen am schick designten Becken besser offen stehen, sonst wird es drinnen eng. Das liegt zum einen am schmalen Aufbau, zum anderen am Radkasten, der im ohnehin kompakt geschnittenen Bad zusätzlich stört. Zum Duschen wird die Waschtischwand einfach aus der Arretierung gelöst und über die Toilette geschwenkt – fertig.
Geschlafen wird im DL – das L steht in der Adria-Nomenklatur stets für Längseinzelbetten – auf 192 und 194 Zentimeter langen Liegeflächen mit 60 bis 81 Zentimeter Breite. Wahlweise können sie auch zu einer 195 Zentimeter weiten Liegewiese vereinigt werden. Der Einstieg erfolgt bequem über drei Stufen. Während die Bettlängen nicht jedem reichen werden, sorgen die 14 Zentimeter dicken Federkernmatratzen im Zusammenspiel mit den Lattenrosten darunter für hohen Schlafkomfort. Auch Leseratten kommen dank durchgängiger LED-Leiste unten an den drei Hängeschränken und zwei zusätzlichen Lesespots mit USB-Ladebuchsen auf ihre Kosten. Ablagen für Smartphone, Brille und Bettlektüre sind in greifbarer Nähe vorhanden.
Beladen
Trotz überschaubarer Fahrzeugmaße bietet der Compact Plus DL genug Stauraum für zwei Personen. Kleidung kommt in den drei großen Schränken unter, zwei davon finden sich unter den Fußenden der Betten. Der Clou: Ihre Türen lassen sich geöffnet in den Schrank hineinschieben und stehen damit nicht mehr im Weg. Anders als beim rechten Exemplar sucht man links jedoch einen Bettaufsteller genauso vergebens wie eine Kleiderstange. Der Kleiderschrank unter dem Kompressor-Kühlaggregat muss allerdings weichen, wenn dessen 150-Liter-Variante eingebaut werden soll. Jeweils drei stabil gearbeitete Hängeschränke sowohl über der Sitzgruppe als auch den Einzelbetten halten weiteren Stauraum für die Reisegesellschaft bereit – einer davon ist mit eingebautem Halter allerdings für den Fernseher reserviert. Schmutzwäsche sammelt eine Schublade unter dem rechten Bett, Schuhe passen perfekt in das Treppenfach darunter. Die Garage ist mit zwei Zurrschienen und sechs Ösen bestens ausgestattet. Nettes Extra: Neben zwei Lichtquellen, einer 230-Volt- und einer 12-Volt-Steckdose, finden sich dort zusätzlich zwei USB-Ladebuchsen.
Als serienmäßiger 3,5-Tonner mit einer Zuladungsreserve von 535 Kilogramm funktioniert der DL als solides Zwei-Personen-Mobil ohne Gewichtsprobleme. Da stört es nur wenig, dass Adria auf weitere Auflastungsoptionen verzichtet.
Technik
Durch das große Panoramafenster im Adria Compact lässt sich am Abend ideal der Nachthimmel bestaunen. Das funktioniert natürlich am besten, wenn im Fahrzeug alle Lichter ausgeschaltet sind. Bequem und unkompliziert geht das über das schicke Touchscreen-Kontrollboard über der Tür, an dem unter anderem auch der Wasserstand abgelesen werden kann. Wer lieber in die bunte Glotze als in den dunklen Sternenhimmel blickt, findet eine flexible TV-Halterung im Hängeschrank über der rechten Längsbank.
Adria setzt voll auf GfK bei der Einkleidung des Aufbaus, sowohl am Boden als auch bei Dach und Wänden. Bei der Isolierung müssen sich Käufer hingegen überwiegend mit einfachem EPS-Schaum begnügen, haben dank sieben Jahren Dichtheitsgarantie aber eine lange Sicherheit bei auftretenden Feuchtschäden. Ansonsten gibt es an der Verarbeitung innen wie außen kaum etwas auszusetzen. Der Schacht der Toilettenkassette ist rundum sauber abgedichtet – so soll es sein. Die serienmäßigen PU-Rahmenfenster sind solide und verleihen dem Compact Plus DL einen hochwertigen Look. Ebenso bereits zum Serienumfang gehört der Crashsensor im Gaskastenfach. Für einen passenden Gasfilter dazu muss man aber, wie üblich, extra bezahlen. Die beiden Elf-Kilo-Flaschen versorgen die unter der linken Längsbank montierte Combi-6-Gebläseheizung mit integriertem, zehn Liter fassendem Warmwasserboiler.
Gut versorgt sind auch die Urlauber mit insgesamt sieben USB- und vier 230-Volt-Steckdosen, die im gesamten Aufbau sinnvoll verteilt sind: Neben dem Wohnbereich ist eine weitere Netzbuchse in der Küche, im Bad zum Haareföhnen sowie in der Garage, etwa zum Laden des Fahrradakkus, vorhanden. Dort befindet sich auch in gut erreichbarer Position die Betätigung des Abwasserschiebers. Ungeübte bekommen beim „Wasserlassen“ aber leicht nasse Füße, denn der Ablassstutzen endet direkt unter dem Garagenboden. Der Abwassertank ist dabei mit 85 Liter Volumen eher etwas knapp bemessen – in der Ausstattungsvariante Plus aber immerhin serienmäßig isoliert und beheizt. Der Frischwassertank unter dem Einzelbett auf der Beifahrerseite fasst dagegen stolze 140 Liter und ist über die Heckgarage zum Reinigen und Entleeren verhältnismäßig einfach zu erreichen – die Schublade darüber muss allerdings dabei ausgefahren sein.
Lichtcheck
Die Sitzgruppe wird mit ordentlichen 172 Lux ausgeleuchtet. Von den Leuchten in der B-Säule profitieren auch die Fahrerhaussitze. Die Küche schafft im Schnitt 257 Lux bei einem Maximalwert von 420 Lux. Das Gesicht erstrahlt im Bad mit 472 Lux. Ansonsten herrschen im Sanitärraum eher schwache 127 Lux. Nichts zu meckern gibt es im Heck: 476 Lux unter den Spots und 175 Lux im Schnitt auf den Betten.
Fahren
Zum Fotoshooting geht es hinauf in die Weinberge. Kein Problem für den Adria. Aufgrund seines schlanken Aufbaus begnügt sich der Plus DL mit den kurzen Spiegelarmen des Kastenwagens. Somit reicht ihm eine Durchfahrtsbreite von gerade einmal 2,48 Meter – ideal für eine Tour durch enge Winzerorte und in die mühsam zu bearbeitenden Steillagen. Die Steigung stellt den 140-PS-Motor von Fiat vor keine großen Herausforderungen: Das serienmäßige 6-Gang-Schaltgetriebe hält die passenden Übersetzungen parat – auch die vom Messcomputer attestierten Elastizitätswerte können sich sehen lassen.
Vorzeigbar ist ebenso die Serienausstattung: Beifahrerairbag, ESP, 16-Zoll-Leichtmetallfelgen, 90-Liter-Dieseltank und das Reifendruck-Kontrollsystem kosten keinen Cent extra. Übrigens setzt Adria nur in den gehobenen Ausstattungslinien Plus und Supreme auf den Fiat Ducato. Der günstigere Axess baut auf den weitgehend identischen Citroën Jumper.
Bei gemütlichem Tempo hält sich der Testwagen bei der Geräuschentwicklung vornehm zurück. Und das ändert sich auch nicht auf der Autobahn. Kein Klappern, kein nerviges Quietschen. Die Fahrgeräusche sind bei Tempo 100 deutlich präsenter, aber noch akzeptabel. Beim Spurwechsel nach rechts macht sich allerdings negativ bemerkbar, dass die Faltverdunkelung den Weitwinkelspiegel verdeckt.
Preise
Mit einem Einstiegspreis von 58.399 Euro ist der Compact Plus DL im Teilintegrierten-Segment kein Sonderangebot. Die vielen, bereits serienmäßigen Extras in der gehobeneren Ausstattungsvariante Plus wissen erfahrene Kunden aber sicher zu schätzen. Mit Paket-Angeboten darüber hinaus hält sich Adria weitgehend zurück. Lediglich am Exklusiv-Plus-Paket für 1799 Euro kommt der Käufer kaum vorbei. Denn nur die wenigsten wollen ohne Faltverdunkelungen im Fahrerhaus und Fliegenschutz an der Aufbautür in den Urlaub fahren.
Grundpreis: 59.597 Euro(Fiat Ducato 35 L, 2,3 L MJT, Motor 88 kW/120 PS) mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II Testwagenpreis: 61.186 Euro
Das fiel uns auf
(+) Schick: Die Rahmenfenster gehören bei der Plus-Variante ohne Aufpreis zum Serienumfang dazu.(+) Schmal: Mit einer Aufbaubreite von nur 212 Zentimetern punktet der Adria besonders auf engen Straßen.(+) Sauber: Der Schacht der Toilettenkassette ist rundum abgedichtet. Das vereinfacht die Reinigung.(-) Schmal: Mit einer Aufbaubreite von nur 212 Zentimetern punktet der Adria besonders auf engen Straßen.(-) Erhöht: Wegen der Stufe sitzen Gäste auf den Fahrerhaussitzen höher als auf den Längsbänken.(-) Eingeschränkt: Die Sicht auf den rechten Weitwinkelspiegel ist durch die Faltverdunkelung versperrt.
Nachgefragt
Kurt Manowski, Leitung Adria-Deutschland-Import, nimmt Stellung ...
... zur fehlenden 230-Volt-Steckdose an den Betten und den USB-Slots in der Garage: Bisher gab es noch keine Nachfragen nach 230-Volt-Steckdosen im Bettbereich. Der USB-Slot in der Garage ist beispielsweise für das Laden von Smartphone und Co. bestimmt, die 230-Volt-Steckdose für Fahrradakkus.
... zur schlechten Sicht auf den Weitwinkelspiegel auf der Beifahrerseite: Dies ist zur Zeit beim Zulieferer in der Überarbeitung. Dieses Manko tritt nur bei den ganz kurzen Spiegelarmen auf, daher hat er es bisher nicht abgeändert.
... zu der nicht vorhandenen Auflastmöglichkeit beim Plus DL: Dies wurde bisher von der Kundschaft nicht gewünscht. 600 Kilogramm Zuladung war den Nutzern für ein Zwei-Personen-Fahrzeug ausreichend. Die Jüngeren haben ohnehin meist nur eine Fahrerlaubnis bis 3,5 Tonnen.
... zu zukünftigen Grundrissergänzungen der Compact-Baureihe: Es soll wahrscheinlich wieder eine Slide-Out-Variante geben.
Konkurrenten
Hobby Optima Ontour Edition V65 GE Grundpreis: 51.600 Euro Basisfahrzeug: Citroën Jumper, 88 kW/120 PS Länge/Breite/Höhe: 6780/2160/2900 mm Leer-/zul. Gesamtgewicht: 2929/3500 kg(+) Dach/Boden aus GfK, Beifahrerairbag, großer Kühlschrank, Abwassertank isoliert/beheizt. (-) Vorgehängte Fenster, Stolperfalle in Sitzgruppe.
Bürstner Travel Van T 620 G Grundpreis: 58.890 Euro Basisfahrzeug: Fiat Ducato, 88 kW/120 PS Länge/Breite/Höhe: 6600/2200/2750 mm Leer-/zul. Gesamtgewicht: 2850/3500 kg(+) Dach/Boden aus GfK, Beifahrerairbag, Markise und Rahmenfenster Serie, üppige Zuladung.(-) Hoher Grundpreis, nur Zweiflammkocher.
Sunlight V66 Grundpreis: 39.499 Euro Basisfahrzeug: Fiat Ducato, 88 kW/120 PS Länge/Breite/Höhe: 6650/2140/2710 mm Leer-/zul. Gesamtgewicht: 2620/3500 kg(+) günstiger Einstiegspreis, sehr üppige Zuladung, USB-Buchsen.(-) Nur Dach/Heck aus GfK, Beifahrerairbag nicht Serie, kleiner Kühlschrank.
Die Baureihe: Adria Compact
Preise: 56.499–58.399 Euro Basis: Fiat Ducato Länge: 5,99–6,99 m Gesamtgewicht: 3500 kg Weitere Modelle: 2 Charakter: Die Compact-Baureihe von Adria umfasst drei Grundrissvarianten: Der 5,99 Meter lange SP mit Querbett im Heck ist das kürzeste Modell, gefolgt vom SL mit einer Länge von 6,79 Metern und einem Einzelbetten-Grundriss. Den hat auch der DL – samt trendiger Längsbank-Sitzgruppe. Größentechnisch steht er mit 6,99 Metern Länge an der Spitze des Dreigestirns. Allen gemein ist die schmale Fahrzeugbreite von nur 2,12 Metern. Zum Modelljahr 2020 ist der Compact neben der günstigeren Axess- und der gehobeneren Plus-Ausstattungsvariante auch in der Top-Ausführung Supreme erhältlich.
Wertung