Neuer Handheld-Gaming-PC mit Potenzial
Die Nintendo Switch hat es bewiesen: Nutzer zocken ihre Spiele nicht nur unterwegs auf dem Smartphone. Entsprechend rasant verlief die Entwicklung der vergangenen Jahre: Spielefreundliche und energieeffiziente x86er-Mobilprozessoren von AMD standen dabei im Fokus. So etwa beim Steam Deck. Das erste Modell war zwar optimiert und von guter Qualität, beschränkte sich jedoch auf eine Handvoll Spiele aus dem Steam-eigenen Store. Außerdem war es linuxbasiert.
Dies rief andere Hersteller auf den Plan, die sich plötzlich auch für den Handheld-Gaming-PC-Markt zu interessieren begannen.
So ging Asus etwa mit ROG Ally, einem Windows-Gerät, an den Start. Mit dem Lenovo Legion ist nun ein weiterer Konkurrent hinzugekommen, der ebenfalls mit dem AMD Ryzen Z1 Extreme-Prozessor von AMD arbeitet. Zudem besitzt er mit 16 GB RAM einen gleich großen Arbeitsspeicher und bietet mit einer 512 GB SSD die gleiche Menge an Speicherplatz. In seiner Leistung ist es mit dem ROG Ally durchaus vergleichbar.
Bei PC-Titeln sorgen die Zen-4-Prozessoren samt RDNA-3-GPU von AMD für eine imposante Grafikleistung. Spiele wie Cyberpunk und Starfield laufen bei den Grafikeinstellungen im mittleren Bereich mit Bildraten zwischen 30 und 60 fps. Für einen Gaming-PC-Hersteller, der Leistung verspricht, sind die Werte recht niedrig. Wer aber will schon viel Geld für eine Grafikkarte hinblättern, wenn er dafür einen kompletten Handheld-PC bekommen kann? Der Preis des Lenovo Legion Go ist mit 799 Euro nicht höher als der des Asus ROG Ally.
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Zahlreiche Spiele benötigen oftmals viel weniger Leistung. Manche laufen sogar mit 60 fps oder mehr. Es gibt außerdem Spiele, welche die maximale Bildwiederholfrequenz von 144 Hertz beanspruchen. Freesync wird leider vom Legion Go nicht unterstützt. Bei einem derart günstigen Gerät darf man nicht erwarten, dass es perfekt ist.
Display mit großer Schärfe und toller Optik
Manchmal entsteht der Eindruck, Lenovo nimmt für seinen Legion Go den ROG Ally als verbesserungsbedürftiges Vorbild. So ist der Bildschirm mit 8,8 Zoll größer als der des Konkurrenten mit 7 Zoll und hat auch mit 144 Hertz eine höhere Bildwiederholrate gegenüber den 120 Hertz beim Ally. Dasselbe gilt auch für die Auflösung, die beim Legion Go 2.560 x 1.600 Pixel beträgt. Beim ROG Ally sind es hingegen nur 1.920 x 1.080 Pixel.
Das farbenfrohe Display des Lenovo Legion Go unterstützt eine breite Farbskala. Diese kommt dem DCI-P3-Standard recht nahe. Die Helligkeit ist ebenfalls recht hoch und reicht bis zu 500 cd/m². Der Bildschirm bietet zudem ein scharfes, kontrastreiches Bild. Das überrascht, zumal schwarze Oberflächen bei hoher Helligkeit bekanntlich immer etwas Licht durchlassen. In Innenräumen stellt eine um 50 Prozent reduzierte Helligkeit erfahrungsgemäß kein großes Problem dar.
Durch das Display mit seinem äußerst scharfen und sehr schönen Bild ist das Gerät auch für Aufgaben jenseits von Gaming-Anwendungen geeignet. Dank der größeren Oberfläche können Gamer noch besser in ihre Spiele eintauchen. Falls bei anspruchsvollen Spielen die volle Auflösung für die Hardware zu hoch sein sollte, kann die Auflösung problemlos auf 1.280 x 800 oder 1.920 x 1.200 Pixel abgesenkt werden.
Steuerung abnehmbar - wie bei einer Switch
Zum seitlichen Einblenden des Steuerungsmenüs beim Lenovo Go müssen Sie eine spezielle Taste drücken. Über das Menü können Sie die Bildrate steuern und weitere wichtige Einstellungen vornehmen. Bedienelemente gibt es für die Einstellung der Bildschirmhelligkeit, der Lautstärke und der RGB-Lichteffekte. Ebenfalls können Sie die Leistung und die Lüftung steuern und erhalten eine schnelle Info zu Ihrer Einstellung und zum Ladestand des Akkus.
Ähnlich wie bei der Nintendo Switch lassen sich die Bedienelemente zwecks drahtloser Kommunikation mit dem Hauptteil abnehmen. Sie müssen also nicht das 900 Gramm schwere Legion Go in der Hand halten. Stattdessen können Sie es auf einem Tisch platzieren und mit Controllern in den Händen von dort steuern. Eine zentrale Halterung zur Befestigung der Controller scheint es indes nicht zu geben. Hier gibt es noch Verbesserungspotenzial.
Egal ob lose oder fest - die Bedienelemente fühlen sich gut an und erfüllen ihre Funktionen. Das Design entspricht üblichen Standards: Schultertasten auf der Oberseite, zwei D-Pad-Steuerknüppel, Aktionstasten und Steuerkreuze. Sie lassen sich relativ leicht erreichen und besitzen ein passables mechanisches Feedback. Auf der Oberseite befinden sich allerdings einige Tasten, die überempfindlich reagieren und daher oft vorschnell auslösen.
Außer diesen Tasten sind auf der Rückseite noch zwei weitere Tasten vorhanden. Diese lassen sich händisch mit optionalen, in Ihren Spielen verfügbaren Funktionen belegen. Aufgrund ihrer ungünstigen Platzierung auf der Rückseite werden sie jedoch oft versehentlich gedrückt.
Zwei Mausalternativen im Angebot
Im Gegensatz zum ROG Ally besitzt das Lenovo Go eine Maussteuerung. Diese lässt sich sowohl für präzise Positionierungen in bestimmten Spielen als auch für die zusätzliche Kontrolle jenseits der Spielroutinen nutzen. Beim ROG Ally wurde das Manko einer fehlenden Maus durch einen alternativen Mauszeigermodus gelöst, der über einen der D-Pad-Sticks läuft. Ein Ersatz für die traditionelle Maus ist das allerdings nicht.
Beim Legion Go hingegen gehört die klassische Maus dazu. Entweder bedienen Sie diese über das Mauspad, das sich auf der Vorderseite jedes Bedienelements befindet, oder mit dem Lenovo FPS-Modus. Dieser lässt sich über einen optischen Maussensor unter der rechten Steuerung aktivieren, wodurch diese zu einer kabellosen Maus wird. Sie lässt sich in einer speziellen Halterung platzieren und über den Tisch bewegen. Die Maustasten befinden sich seitlich am Steuerelement und funktionieren wie normale Links- und Rechtsklicks. Ein Scrollrad mit drückbarer Mitteltaste ist ebenfalls vorhanden.
Bedingt durch die seltsame Anordnung der Tasten und der kantigen Form lässt sich die Maus allerdings nicht sehr komfortabel bedienen. Dasselbe gilt für die Joysticks.
Bei Nutzung der rechten Hälfte als Maus gehen mir alle anderen Tasten dieser Seite verloren. Den Spielen kommt es so vor, als sei auch eine Tastatur angeschlossen. Das zwingt mich zu einer mühsamen Zuordnung der verbleibenden Steuerelemente als Tasten einer Tastatur. Eine Ausnahme bilden hier nur die vorkonfigurierten Tasten.
Ab und zu geht bei den losen Bedieneinheiten der Kontakt zum Hauptgerät verloren. Das zwingt mich, die Spielsitzung zu unterbrechen, um die Verbindung wiederherzustellen. Manchmal muss der gesamte Computer sogar neu gestartet werden, damit alles wieder sauber läuft.
Mit dem FPS-Modus gibt es noch ein weiteres Problem. Beispielsweise, indem das linke D-Pad WASD-Befehle an das System weiterleitet. In Spielen funktioniert das mit dem Unterschied, dass die rechte Analogsteuerung nicht zur Verfügung steht. In allen anderen Modi ist das allerdings sehr unpraktisch.
Auch wenn die Maussteuerung eine gute Idee ist, sollte Lenovo noch einiges in die Umsetzung investieren, damit sich ihr Einsatz lohnt. Derzeit erscheint es einfacher, Maus und die Tastatur am Gerät anzuschließen, um zu spielen.
Als angedockter Computer fast vollständig
Mit Bluetooth klappt es am einfachsten. Vielleicht geht es Ihnen wie mir, und Sie möchten Ihr Legion Go als PC für alles verwenden. In dem Fall sollten Sie einen Monitor, bei dem alle Schnittstellen integriert sind, oder ein USB-C-Dock einsetzen.
Das Legion Go verfügt über zwei USB-C-Anschlüsse. Der eine befindet sich an der Oberseite und der andere an der Unterseite. Beide haben die gleiche USB-4-Geschwindigkeit. Auch die Unterstützung für die Stromversorgung und der Display-Port-Ausgang sind bei beiden Anschlüssen gleich. An eine gute Dockingstation lassen sich Bildschirm, Stromversorgung und kabelgebundenes Zubehör leicht anschließen. Für einen normalen Windows-Desktop brauchen Sie bloß Lenovos Legion Space-Programm zu schließen oder zu minimieren.
Einziges fehlendes Feature für volle PC-Funktionalität ist eine Webcam. Selbst im günstigsten Notebook/Tablet ist eine solche bereits integriert. Sie können eine solche als Zubehör ja einfach an den Desktopbildschirm hängen.
Ein Ort für alle Spiele
Die Anwendung Legion Space startet automatisch, wenn das Legion Go gestartet wird. Sie bietet für die installierten Spiele eine konsolenähnliche Oberfläche. Spiele können aus fast allen großen Spieleshops für PCs stammen: Epic Games, GOG, Steam und Xbox. Dank eines eigens im Legion Space integrierten Spielespeichers können Sie auch noch andere installierte Programme oder Spiele Ihrer Bibliothek hinzufügen.
Besitzer eines Xbox Gamepass Ultimate können auf ein Menü zugreifen, das einen Zugang zur Streaming-Spielebibliothek bietet. Ein dreimonatiges Probeabo ist inklusive. Für Android-Spiele gibt es außerdem noch eine Registerkarte. Die noch inaktive Karte meldet derzeit lediglich "Coming Soon".
Um Spiele zu kaufen, zu installieren oder im Bibliotheksmenü des Legion Space einzuordnen, muss der Anwender häufig zwischen verschiedenen Schnittstellen und Spieleshops hin- und herspringen. Dies dürfte den einen oder anderen verwirren. Erst recht chaotisch kann es dann werden, wenn Add-ons oder separate Startprogramme, die eine Anmeldung erfordern, zu starten sind. Diese warten bekanntlich noch mit eigenen Anforderungen und Meldungen für Cloud-Speicherung von Dateien, Kontoverknüpfungen, Sicherheitscodes und vieles mehr auf.
Auch wenn Windows-Spieler ein solches Chaos gewohnt sind, brauchen sie mitnichten eine Zusatzebene, die Unordnung und Ärger bringt. Dieser stellt sich aber ganz automatisch ein, wenn sie im Konsolenformat des Handheld auf einem kleinen Bildschirm arbeiten sollen. Das Mauspad schafft zwar etwas Abhilfe, das reicht aber nicht. Ein Grund mehr, um das Legion Go anzudocken. Das hat den Vorteil, dass man zunächst alles so konfigurieren kann, wie man es braucht. So ist im Vorfeld sogar eine Feineinstellung einzelner Spiele möglich. Erst wenn alles erledigt wurde, wechselt der Anwender wieder in den Konsolenmodus des Handheld.
Trotz Ehrgeiz mehr neue Probleme
Uns beeindruckte der niedrige Preis des Legion Go. Immerhin entspricht das Gerät einem vollwertigen Mini-PC, mit dem man sogar auf der Couch nicht nur preisgünstige Spiele spielen, sondern auch arbeiten kann. Ebenso sind Gaming-Sessions unterwegs möglich. Wegen der kurzen Akkulaufzeit von ein paar Stunden sind diese zwar nur von kurzer Dauer, aber immerhin möglich.
Mit vielseitigen Bedienelementen und einem besseren Bildschirm beim Legion Go hat Lenovo die Messlatte in Bezug auf den ROG Ally etwas höher gelegt. Das macht aus dem Legion Go allerdings noch kein perfektes Gerät. Hierfür bräuchte es mehr Feedback von Nutzern für eine verbesserte Bedienerführung.
Meiner Meinung nach hätte Lenovo vor der Auslieferung des Legion Go durchaus noch mehr tun können. Das betrifft etwa die nicht immer erstklassige Hardware wie beispielsweise die relativ schwache Soundkarte. Mich jedenfalls konnte sie nicht beeindrucken.
AMD sollte sich meiner Ansicht nach voll auf den Ryzen Z1 Extreme konzentrieren und die Computerhersteller mehr kompakte Computer herausbringen, die mit diesem brillanten Prozessor arbeiten. Das müssen nicht unbedingt nur Handheld-Konsolen sein, denn auch für kleine Gaming-Laptops gibt es ausreichend Marktpotenzial. Vor allem für solche zu einem guten Preis. Diese würden den Markt mit Sicherheit aufmischen.
Spezifikationen
Produktname: Lenovo Legion Go 83E1000KMX
Hersteller: Lenovo
Getestet: November 2023
Prozessor: AMD Ryzen Z1 Extreme, 8 Zen-4-Kerne mit bis zu 5,1 GHz
Speicher: 512 GB SSD, Micro-SD-Slot
Speicher: 16 GB LPDDR5
Grafik: AMD Radeon Graphics 12CU, 2,7 GHz
Display: 8,8 Zoll IPS, 2.560 x 1.600 Pixel, 144 Hz, multitouch
Anschlüsse: 2x USB-C4 mit Display-Port, 3,5 mm Headset
Webcam: Nein
Betriebssystem: Windows 11 Home
Wireless: Wi-Fi 6e, Bluetooth 5.2
Akkulaufzeit: 49,2 Wh, ca. 1 Stunde 20 min Spiel (volle Helligkeit), ca. 7 Stunden 30 min passiv (niedrige Helligkeit)
Geräuschpegel: 0 bis 37 dBa
Größe: 29,9 x 13,1 x 2-4,1 cm
Gewicht: 865 Gramm
Sonstiges: Abnehmbare Gamepad-Bedienelemente, optische Maus, Mauspad, ausklappbarer Ständer, Tragetasche