ChatGPT: was kann die generative KI?
Datenverarbeitung mit ChatGPT
Es gab eine Zeit, in der konnte das gesammelte niedergeschriebene Fachwissen der Menschheit innerhalb der Lebenszeit eines einzigen Menschen gelesen werden. Gottfried Wilhelm Leibniz sagt man nach, die letzte Person gewesen zu sein, die dieses Kunststück vollbrachte - aber er starb auch bereits im Jahr 1716. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte wuchs das gesammelte wissenschaftliche Wissen derart rasant an, dass solch ein Unterfangen heute unmöglich wäre.
Im Jahr 2023 ist die Veröffentlichung von Texten einfacher als je zuvor. Das Internet quillt über vor Texten - manche wertvoll, manche weniger wertvoll. Diese zu durchforsten und wichtige Informationen zu finden, ist für Menschen längst nicht mehr möglich. Eine KI hingegen beherrscht dieses Kunststück sehr wohl - wie etwa ChatGPT, das aus Unmengen an Daten die wichtigsten Informationen für Menschen, die der KI eine Frage stellen, heraussucht.
Das Potenzial der Technologie verdeutlichen die Nutzerzahlen. Seit dem 30. November 2022, als ChatGPT veröffentlicht wurde, haben sich 100 Millionen Accounts auf der Webseite registriert. Keine andere Seite hatte jemals ein derart rasantes Wachstum zu verkünden.
Wieso ist ChatGPT so wichtig?
Die Funktionsweise ist einfach:
1. Sie registrieren sich auf https://chat.openai.com und erstellen sich so einen Account.
2. Sie stellen ChatGPT eine Frage oder geben eine Anweisung aus einem beliebigen Themengebiet - von der Anleitung zum Bau eines Automotors bis zum romantischen Gedicht ist alles denkbar.
3. In wenigen Sekunden sehen Sie das in der Regel fehlerfreie Ergebnis auf Ihrem Bildschirm.
Limits gibt es für ChatGPT bereits jetzt kaum. Es kann Texte erstellen, zusammenfassen, Programmcode schreiben oder auch ganz einfach mit Ihnen über ein gewünschtes Thema diskutieren. Wären Sie nicht darüber informiert, dass Sie mit einer Software reden, hätten Sie es schwer, ChatGPT von einem Menschen zu unterscheiden.
Mit KI erstellte "Traumfrauen"
Mehr als digitale Assistenten
Arbeitserleichterungen für den Alltag sind nicht neu. Assistenten wie Siri, Cortana oder Hey Google gibt es seit vielen Jahren. Gleichzeitig sind ihre Fähigkeiten aber stark begrenzt. Gelegentlich verstehen sie die Anweisungen ihrer Nutzer auch schlicht nicht. Die Ergebnisse waren durchwachsen, die Sprache musste immer deutlich verständlich sein. Im Zeitalter von ChatGPT wirken diese Assistenten praktisch über Nacht stark angestaubt.
ChatGPT versteht hingegen jede Frage - und kann auch nachhaken, wenn etwas nicht ganz klar ist. Möchten Sie etwa über eine Bank reden, fragt Sie das Tool, ob Sie einen Finanzdienstleister oder eine Sitzgelegenheit meinen. Die Unterhaltung bleibt ChatGPT auch im "Gedächtnis", sodass Sie kontextbezogen später darauf zurückkommen können - so wie in einer echten Unterhaltung mit einem Menschen.
Der generative Aspekt von ChatGPT bedeutet außerdem, dass die Software Text schreiben kann - so wie den, den Sie gerade lesen (keine Angst: hier war ein Mensch am Werk). Bestimmte Dinge funktionieren aber aktuell noch nicht so gut: Texten fehlt es gelegentlich an Sprachwitz, sie können trocken wirken und wiederholen sich in ihrer Struktur häufig. ChatGPT schreibt oft die nüchternen Fakten herunter - was korrekt ist, aber auch wenig lebendig.
Aber dennoch: Stimmt das Ergebnis nicht zu 100 % mit dem Ziel überein, kann ein Mensch noch immer nachhelfen.
Was kann ChatGPT aktuell?
Die Fähigkeiten von ChatGPT sind vielfältig. Denkbar sind etwa:
• Das Erstellen von kompletten Marketingkampagnen für entsprechende Abteilungen in Unternehmen.
• Die Generierung von Hausaufgaben für Schuler und Studenten, die sich die Arbeit erleichtern wollen.
• Die Ausgabe von fertigem Programmcode, den Programmierer nur noch in Applikationen einbinden müssen.
Auch eher sensible Bereiche kann das Werkzeug abdecken, wie die Erstellung von Krankenakten, sofern das Tool mit den notwendigen Informationen gefüttert wird. In drei Fällen aus den USA konnte die KI Prüfungen in Wirtschaft und Medizin bestehen, während die Prüfung in Recht knapp verfehlt wurde.
Im privaten Bereich kann ChatGPT Kochrezepte oder die Ausgabe von Haushaltsgeld planen - und auch philosophische Fragen werden beantwortet (sofern dies in der Philosophie auf konkreter Ebene möglich ist).
Wie funktioniert das Programm genau?
Das Kürzel GPT bedeutet "Generative Pretrained Transformer". Dahinter verbirgt sich eine gewaltige Menge Text, mit der die Software anschließend trainiert wird - ähnlich wie ein Mensch. Während ein Schüler ein Physikbuch aus der 11. Klasse liest und dieses Wissen anschließend komprimiert wiedergeben kann, liest ChatGPT jedoch gleich Millionen dieser Bücher. Je größer die Datenmenge, desto einfacher ist es, gelungene Resultate zu erhalten.
Im Fall von ChatGPT soll es Text mit einer Größe von 45 Terabyte gewesen sein. Das klingt im Zeitalter von Festplatten mit 20 TB Kapazität für Privatanwender zunächst nicht nach allzu viel Text. Bedenkt man jedoch, dass beispielsweise die deutsche Variante von Wikipedia auf 0,006 Terabyte kommt, werden die Dimensionen deutlich. Je mehr Parameter die Software in ihre Arbeit einbeziehen kann, desto mächtiger wird sie - und desto unwahrscheinlicher wird es, dass wir Menschen nach Fachwissen fragen müssen.
Limitierungen von ChatGPT
Eine Wunderwaffe ist ChatGPT im Moment noch nicht, dafür gibt es noch zu viele Fehler. Beispielsweise verweist das Programm bei Fragen gelegentlich auf andere Software, die bestimmte Arbeiten erledigen kann - aber manchmal sind diese Antworten einfach falsch. Je exotischer die Anfrage, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Informationen zwar relativ korrekt, aber eben nicht zu 100 % wasserdicht sind.
Insgesamt gibt es daher noch mehrere Baustellen:
1. Versteckte Fehler verbergen sich teilweise tief in ansonsten korrekten Texten. Abhilfe schaffen dabei Menschen, die das Ergebnis prüfen und dargelegte "Fakten" korrigieren.
2. ChatGPT kann keine Quellenangaben ausgeben. Für die Wissenschaft ist das Tool damit noch unbrauchbar, und auch viele anspruchsvollere Texte aus anderen Bereichen verlieren ohne Quellengabe ihre Glaubwürdigkeit.
3. Für manche Aufgaben, wie das Schreiben von Musik, fehlt es ChatGPT noch an Kreativität. Während Popmusik recht gut umgesetzt wird, sind speziellere Richtungen (etwa Jazz) noch schwierig.
Einige technische Limitierungen kommen obendrauf. Beispielsweise ist die Antwortlänge (und Eingabelänge) begrenzt. 70-seitige Diplomarbeiten kann ChatGPT daher nicht schreiben, dafür fehlt es schlicht an Kapazität.
Bedroht ChatGPT unsere Gesellschaft?
Andere Chatbots aus der Vergangenheit hatten oft kleine Problemchen in bestimmten Bereichen. So fehlten Filter, um bedenkliche Antworten nicht auszugeben. ChatGPT hingegen versagt ganz einfach den Dienst, wenn Sie verlangen, eine Anleitung zum Bau einer Bombe oder zum Eindringen in Sicherheitssysteme einer Bank zu erhalten. Diese Informationen wären im realen Leben von entsprechenden Fachkräften nicht zu erhalten - und auch die KI weigert sich, darüber zu reden. Die Sicherheitsebene scheinen die Entwickler daher recht gut im Griff zu haben.
In anderen Bereichen kommt es hingegen schon jetzt zu Problemen:
1. Schüler und Studenten können ganze Hausarbeiten von ChatGPT schreiben lassen. Das muss nicht per se schlecht sein - schließlich benutzen wir auch einen Taschenrechner anstelle unseres Kopfes ab einer gewissen Stufe -, aber noch ist nicht klar, wie die Einbindung von KI-Hilfe die Bewertung von Schulaufgaben beeinflusst. Dass Schüler und Studenten langfristig auf KI verzichten werden, scheint jedoch ausgeschlossen.
2. Der generative Aspekt von ChatGPT setzt bestimmten Berufen zu. Inzwischen können KIs nicht nur Texte erstellen, sondern auch Bilder oder Musik. Kreativschaffende, die damit ihr Geld verdienen, könnten sehr schnell von der Software verdrängt werden. Das Ergebnis, das die KI ausgibt, muss dabei nicht perfekt sein: Erstellt es einen Text mit 80 % der Qualität von menschlichen Schreibern, aber kostet 0 Euro anstelle von 100 Euro, wird der wirtschaftliche Vorteil deutlich.
Einige Berufe sind bislang noch relativ sicher. Aufgaben, die in Behörden anfallen, oder die Wissenschaft sind vorerst noch nicht bedroht.
Mangelnde Fähigkeiten von ChatGPT
Viele wiederkehrende, müßige Aufgaben kann ChatGPT schon jetzt in ein paar Sekunden erledigen. Je nach Beruf kann dies den Arbeitsablauf immens beschleunigen. Dies kann den produktiven Output von Menschen deutlich erhöhen: Sie leisten mehr Arbeit in der gleichen Zeit.
Ein passender Vergleich ist erneut der Taschenrechner. Bei der Arbeit mit sehr großen Zahlen könnten Sie diese auch manuell auf einem Stück Papier berechnen - oder Sie beauftragen den Taschenrechner, der das Ergebnis 100-mal schneller präsentiert. Davon profitieren sehr viele Branchen, ein Leben ohne den Taschenrechner wäre heute nicht denkbar.
Ganz so weit mag ChatGPT bislang noch nicht sein: Anders als beim Taschenrechner sind die Ergebnisse bei der Erstellung von Texten oder auch Bildern nicht immer korrekt und/oder nicht immer zur vollsten Zufriedenheit der Auftraggeber. ChatGPT einfach blind schreiben zu lassen, ohne dass ein Mensch das Ergebnis kontrolliert, ist bislang noch nicht möglich.
Zudem kann ChatGPT bislang nur schwer Zusammenhänge knüpfen und hat kaum Kombinationsgabe. Einzelne Bereiche und Expertise in bestimmten Bereichen funktioniert gut. ChatGPT könnte aber keine größeren Zusammenhänge herstellen, um etwa Probleme unserer aktuellen Gesellschaft auf sozialer Ebene zu diskutieren. Dazu sind es zu viele Variablen, die berücksichtigt müssen. Erst eine AGI, die Artificial General Intelligence, könnte dies - aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Mangelnde Aktualität
Ein weiteres Problem besteht darin, dass ChatGPT ohne weitere Plug-ins nicht auf aktuelle Geschehnisse Bezug nehmen kann. Wurde die KI beispielsweise von Daten gefüttert, die am 21. Februar 2020 eingereicht wurden, hat ChatGPT auch nur Zugriff auf Ereignisse bis zu diesem Zeitpunkt.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels haben wir ChatGPT zum Beispiel zur medienwirksamen Krönung von Prinz Charles im Frühjahr 2023 befragt. Das Ergebnis lautet: "Derzeit ist Prinz Charles der älteste Sohn von Königin Elizabeth II. und er wird voraussichtlich König von Großbritannien, wenn seine Mutter abdankt oder verstirbt."
Dies liegt daran, dass der Wissensstand von ChatGPT aktuell auf den September 2021 begrenzt ist. Vor allem bei sehr aktuellen Ereignissen sollten Sie also aufpassen, dass Ihnen die KI keine Fehlinformationen ausspuckt.
Testen Sie ChatGPT jetzt
Theorie ist schön und gut - aber den Effekt von ChatGPT erleben Sie am einfachsten, indem Sie die Software selbst testen. Dazu begeben Sie sich zuerst auf https://chat.openai.com und stellen nach dem Login eine beliebige Frage. Sind Sie nicht zufrieden, können Sie noch mal nachhaken.
Am einfachsten gelingt die Zusammenarbeit mit ChatGPT dann, wenn Sie das Tool behandeln wie einen Menschen. Machen Sie sich keine großen Gedanken, wie Sie Ihre Fragen oder Befehle "maschinengerecht" formulieren. Reden Sie mit der Software so, wie es Ihnen in den Sinn kommt. Dies erleichtert die Kommunikation erheblich und macht die KI zugänglicher.
Es müssen auch nicht zwingend Fragen sein. Das Programm ist Ihr Diener, sodass Sie auch Befehle aussprechen dürfen. Beauftragen Sie ChatGPT etwa damit, knackige Sprache für eine Werbekampagne zu entwerfen oder einen Brief an Ihren Vermieter zu schreiben, um eine alte Tür reparieren zu lassen. Lassen Sie ein Gedicht schreiben - oder eine komplette Kurzgeschichte und definieren Sie, welche Charaktere darin vorkommen sollen und welches Problem es zu lösen gilt.
Struktur für Ihre Eingaben
Sie können auch klar definieren, welche Rahmenbedingungen ChatGPT einzuhalten hat - etwa, ob ein Text witzig oder seriös geschrieben sein soll, zu welchem Thema, in welcher Sprache oder welcher Schriftsteller dabei in seinem Stil kopiert werden soll.
Dabei müssen Sie sich mit einigen Einschränkungen abfinden, die zunächst kurios erscheinen. Beispielsweise können Sie die Textlänge nicht exakt auf die Wortanzahl begrenzen, die Sie gerne hätten. Bei aller Macht, die ChatGPT besitzt, kann es nämlich nur schwer Wörter zählen. Dies liegt ganz einfach am internen Aufbau der Software, die diese eigentlich triviale Aufgabe schwierig macht.
Kontextbezogene Eingaben
ChatGPT hat eine Art Gedächtnis, sodass Sie natürliche Sprache in Unterhaltungen verwenden können. Ein Beispiel wäre die folgende Unterhaltung:
• Nutzer: "Erkläre mir, wie ein Computer funktioniert."
• ChatGPT: "Der Aufbau eines Computers […]"
• Nutzer: "Jetzt noch mal ohne Fachbegriffe!"
Die Anweisung "Jetzt noch mal ohne Fachbegriffe!" hat für sich genommen, in einem Vakuum und ohne Bezug zur vorherigen Unterhaltung, keine Aussage. ChatGPT erinnert sich jedoch daran, dass Sie vorher über Computer gesprochen haben, und versteht diese Anweisung daher. Die nächste Antwort würde daher eine abgewandelte Form der ersten Antwort sein - nur ohne Fachbegriffe. Dies erleichtert die Kommunikation mit der KI deutlich.
Fazit: unsere Zukunft mit ChatGPT
Zwar mag ChatGPT noch Baustellen haben, doch die Marschrichtung wird offensichtlich - und Fehler werden ausgebessert werden. Eine Zukunft ohne KI-Anwendungen ist nur noch schwer vorstellbar, denn die Büchse der Pandora wurde im November 2022 endgültig geöffnet. Als Zivilisation müssen wir jetzt nur noch darauf achten, dass uns die KI in einer nicht allzu fernen Zukunft nicht vollständig den Rang abläuft.