So entwickeln Sie eigene Musik mit dem Raspberry Pi

Während in den 70er-Jahren noch riesige Anlagen zum Einspielen elektronischer Musik benötigt wurden, genügt heute schon ein Raspberry Pi. Wir zeigen Ihnen, wie das geht.
Die Leistung, die einer der ersten Computer zur Verfügung stellte, wird heutzutage schon von preiswerten Taschenrechnern geboten. Dementsprechend hat sich auch die Hardware zum Aufnehmen von Musik drastisch verkleinert, bietet aber ähnlich gute Leistung. Mittlerweile kann schon ein Raspberry als Synthesizer oder Effektgerät eingesetzt werden.
In der Musik spielen MIDIs eine große Rolle
Ohne das Musical Instrument Digital Interface (MIDI) geht in der aktuellen Musikwelt kaum noch etwas, weil hierüber elektronische Instrumente miteinander in Verbindung treten. MIDI arbeitet hierbei mit Steuerinformationen, zu denen beispielsweise die Tonlänge und die Tonhöhe gehören. Ebenso trifft MIDI Aussagen über die Anschlaghärte und die verwendeten Sounds. Der Standard besteht bereits seit 1982 und wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Hierdurch sind die Anforderungen an Instrumente, die mit MIDI arbeiten, angenehm gering. Früher wurde eine Interface-Gameport-Kombination genutzt, um Daten an die Soundkarte zu übertragen. Heutzutage erfolgt die Übermittlung mittels USB. Da der Raspberry über USB verfügt, bringt er schon einmal eine wesentliche Voraussetzung mit, um in der Musikwelt als nützliches Tool zu dienen. Alternativ ist es möglich, das MIDI-Interface per GPIO-Pins zu nutzen. Das ist vor allem dann praktisch, wenn ein Instrument nicht über einen MIDI-2-USB-Konverter verfügt.
Die ersten Schritte mit dem Raspberry Pi
Wenn die Anschlüsse passen, muss zunächst geklärt werden, ob sich der Raspberry als Synthesizer eignet. Ganz grundsätzlich ist das der Fall, da sich mit dem Raspberry nahezu alle Aufgaben erledigen lassen. Hierbei ist aber zu bedenken, dass diverse Softsynth-Projekte für den Raspberry entwickelt, aber nie zu Ende geführt wurden. Viele Nutzer vertrauen bei der Anwendung auf das Raspberry-MIDI-Synth-2GB-Image von UnKaiF. Bei dieser Variante müssen lediglich eine Verbindung zwischen Raspberry und Verstärker hergestellt sowie ein USB-Keyboard genutzt und der Raspberry über das Image gebootet werden. Anschließend können mittels der Soundbänke des Keyboards leicht neue Lieder entwickelt werden. Das bietet sich zum Improvisieren und Ausprobieren an, für den Einsatz von Sequenzer-Funktionen ist diese Methode allerdings ungeeignet.
Der Einsatz per Linux
Unter Linux gibt es diverse Lösungen für den Einsatz des Raspberry Pi. Sehr beliebt ist FluidSynth. Um dieses Tool einsetzen zu können, ist jedoch etwas Vorarbeit nötig, und in einigen Fällen muss auch die Hardware des Raspberry aufgerüstet werden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn das eigene Gerät mit Hosiden-Steckern und nicht mit USB arbeitet. In diesem Fall muss ein Interface zusammengelötet werden, das über mit dem Raspberry Pi kompatible GPIO-Pins verfügt.
Die Soundkarte ist von entscheidender Bedeutung
Wenn die Grundvoraussetzungen zum Musikmachen geschaffen wurden, sollte auf die Qualität des Sounds geachtet werden. Von Haus aus ist die Soundqualität beim Raspberry eher mittelmäßig, was man der Musik anhört, die mit einem Raspberry als Synthesizer eingespielt wurde. Aus diesem Grund ist es ratsam, beim Einsatz eines Raspberry Pi mit einer USB-Soundkarte zu arbeiten. Bei der Anschaffung sollte auf die Eigenschaft class compliant geachtet werden, damit die Soundkarte mit dem Standardtreiber des Raspberry etwas anfangen kann.
Wichtige Installationsmaßnahmen
- Bevor der Raspberry umfassend als Musiktool genutzt werden kann, muss zunächst eine Vielzahl an Software installiert werden. Hierzu gehört zum Beispiel das ALSA-Soundsystem.
- Zunächst sollten die USB-Soundkarte und das MIDI-Keyboard angeschlossen werden. Das bringt den Vorteil mit sich, dass das System diese direkt erkennt und damit umgehen kann, wenn Raspbian damit verbunden und gestartet wird.
- In drei weiteren Schritten werden dann das JACK Audio Connection Kit, die grafische Oberfläche QjackCtl und ein Synthesizer wie amsynth oder FluidSynth installiert. Sehr empfehlenswert ist die grafische Oberfläche Qsynth.
- Diese bietet zwar ein eingeschränkteres Funktionsspektrum als andere Oberflächen, ist aber optimal für Einsteiger geeignet. Nach der vollständigen Installation steht die Konfiguration beziehungsweise das Mapping auf dem Programm.
- Hierbei wird jedem Anschluss ein bestimmtes Ein- oder Ausgabegerät zugewiesen. Zu diesem Zweck werden QjackCtl und Qsynth aufgerufen. Dann sollten bei Qsynth unter MIDI ein MIDI-Client-Name und bei QjackCtl unter Audio ein Jack-Client-Identifikationsname festgelegt werden. Anschließend werden unter Jack die einzelnen Verbindungen im Steckfelddialog eindeutig definiert.
- Die nächsten Aufgaben sind im Jack-Steckfeld zu erledigen. Die einzelnen Ausgänge müssen nämlich konkret für FluidSynth festgelegt werden. Außerdem müssen auch das Keyboard und der Controller angelegt werden.
- Welche Clients und Anschlüsse zur Verfügung stehen, lässt sich intuitiv erkennen, und die einzelnen Optionen können mühelos genutzt werden. Für den Eingang des Clients bieten sich Playback-Anschlüsse an. Synth input sollte als Eingang für FluidSynth gewählt werden.
- Abschließend müssen die zueinander gehörigen Ein- und Ausgänge miteinander verbunden werden. Wenn das Steckfeld den eigenen Wünschen entspricht, muss noch das Audio Connection Kit angepasst werden. Dies lässt sich über die Punkte Eingangsgerät und Ausgangsgerät unter Einstellungen erledigen.
- Die Einstellungen lassen sich über den Rechtspfeil leichter vornehmen als über das Drop-Down-Menü. Hier können Anwender genau die Audio-Hardware wählen, die zu ihren Ansprüchen und Projekten passt.
- Abschließend muss nur noch ein letzter Schritt vollzogen werden: Für die Erstellung von Musik müssen SoundFonts ausgewählt und definiert sein. Das lässt sich in der Regel über den Ordner sf2 unter Qsynth erledigen, in den sie automatisch installiert werden.
- Sobald dies geschehen ist, stehen alle erdenklichen Soundbänke und Instrumente zur Auswahl und können über das Keyboard spielend leicht ausgewählt und angewendet werden.
Musikstücke komponieren
Musik setzt sich immer aus zwei Komponenten zusammen: den Klängen und den Arrangements. Wer sich bereits mit Cubase und Ähnlichem beschäftigt hat, wird mit Rosegarden als virtuellem Studio sicherlich gut zurechtkommen. Wer jedoch ganz klassisch mit Partituren und Noten arbeiten möchte, braucht andere Hilfsmittel beim Komponieren. Sehr empfehlenswert ist Canorus, das sich aus dem früheren NoteEdit entwickelt hat. Der Vorteil dieses Tools besteht darin, dass es intuitiv und plattformübergreifend genutzt werden kann. Außerdem ist es möglich, mehrstimmige Notationen vorzunehmen. Das ist vor allem über das Keyboard selbst möglich, da es als Eingabegerät genutzt werden kann. Das Komponieren erfolgt auf diese Weise so wie früher am Klavier mit Stift und Notenblatt. Durch das kompakte Design des Raspberry ist es ohne Weiteres möglich, immer und überall zu komponieren und die eigenen Ideen zu verschriften. Bei Bedarf kann das Gerät zudem an ein Hotelfernsehgerät oder an ein kompaktes Masterkeyboard für unterwegs angeschlossen werden.
Das Beste aus der Gitarre herausholen
Im Vergleich zu der GarageBand von Apple sind das Leistungsspektrum und die Funktionalität des Raspberry eingeschränkt. Es gibt einige Erweiterungen und Ansätze wie AmpliTube, die vielversprechend wirken, aber noch deutlich ausgearbeitet werden müssten. Unter anderem ist es möglich, mittels des Tools guitarix ein eigenes Effektgerät für den Einsatz mit Gitarren zu entwickeln. Auch hier wird ein MIDI-Controller benötigt, mit dem sowohl die Effekte geschaltet als auch deren Stärke und Wirkung beeinflusst werden können. Wenn ein solches Tool häufiger zum Einsatz kommen soll, ist ein MIDI-Pedal praktisch, weil es sich einfacher handhaben und nutzen lässt. Ein solches Pedal kann je nach Wunsch gekauft, aber auch selbst hergestellt werden. Das Internet ist voll von praktischen Anleitungen dazu. Wer jedoch diesen Aufwand scheut, bekommt bereits ab 200 Euro ein wirklich gutes Gerät.
Elektronisches Schlagzeug
Sehr gute Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn der Raspberry Pi als elektronisches Schlagzeug genutzt wird. Ganz allgemein gesagt wird die Synthesizerfunktion des Gerätes anderweitig genutzt, aber die Optionsvielfalt steigert sich deutlich. Wer möchte, kann sogar ein aufrollbares Drum Pad für wenige Euro anschließen und die Aufnahmen hierüber verwirklichen. Allerdings eignet sich dieses Vorgehen lediglich für den Testbetrieb, da für die eigentliche Aufnahme zumeist eine etwas bessere Qualität gewollt ist. Wer diese bevorzugt, kann sogar ein Keyboard mit anschlagdynamischen Tasten nutzen, um die Schlagzeugspuren aufzunehmen. Hierbei wird der Klang umso stärker und intensiver, je stärker die Keyboardtaste angeschlagen wird. Wer ein klassisches Drum Kit nutzt, wird vom Tool Drumkv1 überzeugt sein. Dieses kann einfach heruntergeladen werden. Ein großer Vorteil hierbei ist, dass das Tool regelmäßig mit neuen Updates versorgt wird. Nach der Installation kann es mit Jack eingerichtet werden. Allerdings ist dabei das Vorhandensein des Qt framework und der Bibliothek libsndfile Voraussetzung. Bei der Verwendung des Schlagzeuges ist es dann möglich, jeder Taste des Pads oder Controllers einen eigenen Klang zuzuweisen.
Ein praktischer Tipp
In der Regel werden Musikinstrumente mittels 6,3-mm-Klinkenstecker mit Verstärkern oder Effektgeräten verbunden. Die Anzahl an Möglichkeiten, wie solche Anschlüsse in USB umgewandelt werden können, um die Daten direkt auf den Raspberry oder den PC zu bringen, ist groß. Sehr beliebt sind zum Beispiel die Interfaces von Behringer, an die bei Bedarf sogar Kopfhörer und Lautsprecher angeschlossen werden können. Günstige Modelle sind bereits ab 30 Euro zu haben. Etwas teurere Varianten bringen hingegen verschiedene regelbare Eingänge mit. Je nachdem, wie gut das eigene virtuelle Tonstudio ausgestattet sein soll, empfehlen sich jeweils andere Geräte.
Weitere hilfreiche Tools zum Musikmachen
Es gibt ein breites Spektrum an Synthesizern, die für Linux oder als FluidSynth-Oberfläche geeignet sind. Besonders leistungsstark und umfassend ist das Tonstudio Rosegarden. Dieses Tool genießt einen guten Ruf und gilt als exzellente Alternative zu Cubase. Allerdings verbraucht Rosegarden genauso wie andere Tools dieser Art sehr viel Rechenleistung, was bei der Nutzung und der Einrichtung des Raspberry Pi bedacht werden sollte. Wenn das System häufig stark ausgelastet wird, kommt es zu lästigen Verzögerungen. Bei einfachen Projekten genügt daher der Einsatz simpler Synthesizer wie Qsynth vollkommen.