Schneller als erwartet, aber nicht schnell genug

Spätestens Mitte 2026 kann die neue Brücke wieder befahren werden, die A45 ist dann nicht mehr gesperrt.
Der Neubau der Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid schreitet zügig voran. Doch trotz des schnellen Baufortschritts blieb beim Bürgerfest Ernüchterung spürbar.
Vier Jahre lang stand die Region Lüdenscheid im Zeichen der Sperrung der maroden Rahmedetalbrücke. Seitdem prägen Umleitungsverkehr, Staus und Lärm das Stadtbild – ein Ausnahmezustand, der für viele zur Gewohnheit geworden ist. Entsprechend groß war die Hoffnung, dass das A45-Bürgerfest am 4. Oktober nicht nur den Zwischenstand, sondern auch die baldige Wiederherstellung der wichtigen Nord-Süd-Verbindung markieren würde. Doch als Staatssekretär Christian Hirte den Termin für die Verkehrsfreigabe verkündete, wich die anfängliche Spannung spürbarer Ernüchterung. Februar 2026 – das war nicht das Datum, das sich viele Besucher erhofft hatten.
Zwischen Fortschritt und Erwartung
Dabei gibt es am Baufortschritt eigentlich wenig zu bemängeln. Seit Beginn der Arbeiten im Oktober 2023 (siehe Bildergalerie) ist der Neubau der Talbrücke ohne größere Unterbrechungen verlaufen. Die Bauzeit liegt im Vergleich zu ähnlichen Großprojekten in Deutschland deutlich unter dem Durchschnitt. Während andernorts Verzögerungen, Nachträge und Planungsfehler den Zeitrahmen um Jahre verlängern, kommt die Rahmedetalbrücke mit einem realistischen Puffer aus. Die Autobahn GmbH und das Bundesverkehrsministerium sprechen von einer Fertigstellung des ersten Teilbauwerks im Frühjahr 2026 – mehrere Monate früher als ursprünglich vorgesehen.
Dass dies dennoch nicht für Begeisterung sorgte, liegt weniger am Tempo der Arbeiten als an der langen Vorgeschichte. Nach Jahren voller Verkehrschaos, wirtschaftlicher Einschränkungen und täglichen Staus auf den Umleitungsrouten war die Erwartung in der Bevölkerung groß, dass die Brücke bereits vor dem Jahreswechsel 2025/2026 wieder befahrbar sein könnte. Entsprechend nüchtern fiel die Reaktion auf die offizielle Ankündigung aus – selbst das aufwendig organisierte Bürgerfest konnte daran wenig ändern.
Symbol des Aufbruchs
Trotz des schlechten Wetters zog es Hunderte Besucher auf den Parkplatz Hunscheid, wo Politiker, Bauverantwortliche und Bürger gemeinsam auf den Brückenfortschritt anstießen. Für Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer war es ein Tag des Durchatmens: Er erinnerte an die schwierigen Jahre seit der Sperrung und an den Zusammenhalt in der Stadt. Zugleich sprach er offen aus, was viele dachten – dass eine Freigabe noch im alten Jahr das ersehnte Signal gewesen wäre.
Auch Ralf Schwarzkopf, der künftige Landrat des Märkischen Kreises, versuchte, die positive Seite zu betonen. Der Brückenbau in Lüdenscheid habe gezeigt, dass Deutschland schnell bauen könne, sagte er. Wenn dieser Neubau als Maßstab für künftige Projekte diene, dann sei das ein gutes Zeichen. Hinter dieser optimistischen Haltung stand jedoch auch das Eingeständnis, dass man insgeheim auf ein noch schnelleres Ende gehofft hatte.
Maßstab für künftige Projekte
Tatsächlich gilt die Rahmedetalbrücke bereits jetzt als Vorbild für beschleunigtes Bauen. Die Erfahrungen aus dem italienischen Genua, wo nach dem Brückeneinsturz 2018 in Rekordzeit ein Ersatzbau entstand, flossen direkt in die Planungsprozesse ein. Die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer lobte den "Kraftakt", der es ermögliche, den Neubau in weniger als fünf Jahren zu realisieren – ein Zeitraum, der in Deutschland fast als Ausnahme gilt. Vertreter der regionalen Wirtschaft sehen in Lüdenscheid ein Beispiel dafür, wie pragmatische Abläufe, klare Zuständigkeiten und digitale Bauplanung zu sichtbaren Ergebnissen führen können.
Doch die Wahrnehmung vor Ort bleibt ambivalent. Für viele Menschen, die seit Jahren unter Umleitungen und Belastungen leiden, zählt weniger der Vergleich mit anderen Projekten, sondern der spürbare Alltagseffekt. Jede zusätzliche Woche, in der sich der Verkehr noch durch die Innenstadt wälzt, wird als Belastung empfunden. So trifft der objektiv schnelle Fortschritt auf eine subjektiv ermüdete Öffentlichkeit – eine Spannung, die sich beim Bürgerfest deutlich zeigte.