Ist der Nobel-Ami eine Alternative zu iX3 und Co.?

In den USA eher als Highway-Cruiser abgestimmt, bekam die EU-Version festere Lager, dickere Stabis, härtere Dämpfer, eine kräftigere Brembo-Bremsanlage sowie einen griffigen, speziell aufgekochten Conti-Reifen.
Mit dem Optiq schickt Cadillac das dritte Elektro-SUV über den großen Teich, das sich wie seine größeren Kollegen jedoch eher über die üppige Ausstattung als über die Antriebstechnik profiliert.
Da der ein oder andere womöglich nicht gleich den vollen Durchblick hat, wenn er von der Existenz geschwiege denn der nahenden Markteinführung eines Cadillac Optiq erfährt, beginnen wir das Thema besser behutsam – mit einer Einordnung. Ready? Prima! Der neue Elektro-Ami versteht sich als kompaktestes Modell eines (ähnlich geläufigen) SUV-Dreigestirns, ist dementsprechend unterhalb des bis zu siebensitzigen Vistiq und des extravaganten Lyriq einsortiert, misst dennoch stolze 4,82 Meter, womit er es rein formell auf BMW iX3, Audi Q6 e-tron und Mercedes GLC EQ anlegt – jedoch ohne, dass in den süddeutschen Chefetagen deswegen gleich Panik ausbrechen müsste.
Zumindest lehrt die (an Expansionsversuchen nicht gerade arme) Historie des US-Luxuslabels, dass die Ambitionen zumeist höher einzuschätzen sind als die Aussicht auf Erfolg. Dabei liegt die Problematik weniger in den Produkten an sich, vielmehr entsteht der Flaschenhals aus den Rahmenbedingungen. Das vermeintliche Überangebot an mittelgroßen Strom-SUV ist dabei nur ein Aspekt, der den anderen aber umso gravierender macht. Die Rede ist von der dünnen Händlernetzabdeckung: Gerade mal fünf so genannte Experience Center sind über Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Schweden verteilt, was (trotz der Möglichkeit des Online-Shoppings) ein ebenso schwerwiegender Wettbewerbsnachteil gegenüber den Arrivierten ist wie die 143 Service-Stationen europaweit.
224 kW auf gut 2,3 Tonnen
Eigentlich schade, denn mit dem in Mexico montierten Optiq schnürt GM ein ansehnliches, fürs erweiterte Premiumsegment obendrein recht preiswertes Paket. Der große Trumpf: die Tutto-Kompletto-Ausstattung ab Werk. Ankreuzeln muss man einzig und allein Lack- und Lederfarben, der gesamte Rest der ist in den 65.000 Euro Grundpreis bereits enthalten. Und nein, wir reden hier nicht nur von Neuzeit-Basics wie dem tragflächenförigen Instrumenten-Schrägstrich-Infotainment-Screen oder dem Head-Up-Display, sondern von echten Oberklasse-Features à la klimatisierter Massagesitze, Panorama-Glasdach sowie einem echten USP in dieser Klasse, das wir uns aber als Schluss-Pointe aufheben.
Im Vergleich zur Einrichtung, die mit ihrer "schwebenden" Mittelkonsole und Zeitungspapier-Tulpenholz-Einlagen durchaus Blicke fängt, wirkt die Antriebskonfiguration eher schlicht. Nun ist dieser Punkt bei E-Mobilen zwar insofern nur halb so wild, als der Motor grundsätzlich keine eigene Markenidentität mehr zu entfalten vermag. Das führt im Gegenzug aber dazu, dass es umso mehr auf die Zahlen ankommt, die im Falle des Optiq, naja, leider etwas alt aussehen: LI-Akku mit 75 kWh Netto-Kapazität, 400-Volt-Architektur, Schnellladen mit maximal 110 kW, was rund 36 Minuten von 10 auf 80 Prozent entspricht. Eher semibeeindruckend.
Auch die 304 PS (224 kW), welche zwei E-Maschinen über beide Achsen in Vortrieb umspannen, sind anno 2025 nichts mehr, was einen sofort vom Hocker haut, letztlich aber eine adäquate Dosis für den Optiq. 6,3 Sekunden auf 100 km/h, 184 Spitze und bärig-bekömmliche 480 Newtonmeter, mit denen der 2,3-Tonnen-Allradler dann doch recht souverän ums Montserrat-Gebirge huscht – zumal ihm GM für seine Auslandsmission das Fahrwerk straffgezogen hat. In den USA eher als Highway-Cruiser abgestimmt, bekam die EU-Version festere Lager, dickere Stabis, härtere Dämpfer, eine kräftigere Brembo-Bremsanlage sowie einen griffigen, speziell aufgekochten Conti-Reifen.
Knackiger, aber nicht überambitioniert
Zugegeben, das klingt erstmal überambitioniert, fügt sich aber zu einem insgesamt stimmigen Fahrgefühl. Die je nach Fahrmodus entweder eher cremig oder etwas teigige Lenkung führt, ohne Hektik zu verbreiten, spricht aus der Mittellage etwas verwaschen an, lässt einen dann aber spüren, was mit und unter den Vorderrädern vor sich geht. Eine Hinterachslenkung ist nicht mit von der Partie, weswegen der Qptiq sein stattliches Format speziell bei flottem Abbiegen nicht verleugnen lässt. Im Kurvenverlauf hat die Kinematik den Aufbau aber gut im Griff, blockt Rollbewegungen ab, jedoch ohne es mit der Agilität zu übertreiben. Dafür wird’s aber auch nie ungemütlich. Einzig Querfugen rasseln über die 21-Zöller etwas unwirsch ins Gebälk, lassen die Gebeine innerlich erzittern und einen anhand leichter Klappergeräusche im Innenraum erahnen, dass die Verarbeitung an manchen Stellen nicht ganz so hochwertig ist wie die Anmutung der Materialien.
Der Optiq lässt sich entweder im Ein-Pedal-Modus (mit zwei Widerstandsstufen) sowie – sehr unterhaltsam – in Kooperation mit dem Rekuperations-Trigger bewegen. Dieser sitzt in Gestalt eines Paddels an der linken Lenkradspeiche und funktioniert quasi wie eine Lenkerbremse am Fahrrad. Je fester man an ihm zieht, desto stärker das Verzögerungs- ergo Nachlademoment des Antriebs. Mit ein bisschen Übung gelingt das derart intuitiv, dass die Scheiben-Brembos im Alltag kaum noch ranmüssen.
Intuitiv ist auch die übrige Bedienung, weil sich Cadillac dazu durchgerungen hat, alle gängigen Schnittstellen – salopp gesagt – einfach in einen Topf zu schmeißen. Die Google/Android-basierten Systeme lassen sich sprachgestützt, teilweise über leibhaftige Tasten, per Touch-Screen oder über einen Dreh-Drück-Steller im iDrive-Stil bedienen, womit es wirklich jedem Spleen rechtgemacht sein sollte. Etwas verschachtelt ist aktuell nur die Abschaltung des lautstarken Tempowarners. Abhilfe ist aber bereits in der Mache. So soll in einem der nächsten Over-the-air-Updates eine frei belegbare Favoritenleiste installiert werden, mit der sich die Bedienwege zu den Wunschfunktionen deutlich verkürzen lassen sollten.
Traumklang serienmäßig
Fehlt? Das Highlight, genau! Es wird von der (ebenfalls serienmäßigen) Soundanlage gesetzt, die nicht nur über insgesamt 19 Lautsprecher verfügt, sondern auch Dolby Atmos beherrscht. Heißt: Wer das AKG-System mit entsprechend aufbereiteten Dateiformaten füttert, bekommt die Songs nicht nur in glasklarer Qualität, beeindruckendem Volumen sondern auch mit echter Dreidimensionalität auf die Ohren, was als Klangerlebnis derart überwältigend ist, dass Cadillac – ohne Witz – vielleicht darüber nachdenken hätte sollen, den Optiq besser Akustiq zu nennen.