Golf, Octavia, Focus, Mazda 3, Astra im Vergleich
Mit gestrafftem Infotainment, geschärften Triebwerken und angestacheltem Fahrwerk fordert der Ford Focus wieder Mazda 3, Opel Astra, Skoda Octavia und, klar, den VW Golf heraus.
Udo Jürgens, so haben die Investigativ-Kollegen vom "Spiegel" jüngst enthüllt, trat in 15 der 215 "Wetten, dass …?"-Folgen auf. Zudem war in 39 der insgesamt 1.006 Wetten ein Bagger beteiligt, in 27 Fahrräder und in 22 Eier. Da steigen wir doch gleich ins Archiv, um eine ähnlich republikerschütternde Statistik zu erstellen: Seit 1999 trat der Focus 26-mal in unserem Testprogramm gegen den VW Golf an. Beim 27. Aufeinandertreffen will der modellgepflegte Ford mal wieder gewinnen. Auch gegen Mazda 3, Opel Astra und Skoda Octavia. Wir geben raus zur Außenwette.
Ford Focus mit neuem Fahrwerks-Set-up
Hüpfen wir nach 1999, als der Focus I die Escort-Dynastie beerbte. Der Ford Focus änderte alles; ihn kaufte man nicht nur, weil er billiger war als ein Golf, sondern auch, weil er so brillant fuhr. Noch heute beschwören wir das grandiose Handling des Focus I, das sich in der zweiten Generation abmilderte und 2011 in der dritten noch etwas abschwächte. Nun schärft Ford den Focus wieder.
Das neue Fahrwerks-Set-up steigere Komfort und Handling gleichermaßen, informiert Ford. Netter Versuch, aber, ähm, nein. Stattdessen rumpelt der Ford Focus nun deutlicher über schwere Unebenheiten. Steckte er die vor der Modellpflege selbst bei voller Beladung besser weg als sogar ein adaptivgedämpfter Golf, gibt er sie nun merklicher an die Passagiere weiter. Aber, liebe Mitväter und -sportwagenhinterherträumer: Ford hat wieder einen Focus, mit dem wir unsere Familien samt Golden Retriever im Kofferraum schwindelig fahren können.
Die E-Servolenkung hüpft regelrecht aus der Mittellage, meldet feinnervig zurück und ermöglicht es dem Ford Focus zudem, sich nun allein in Parklücken zu rangieren. Aber wir wollen nicht parken mit diesem Focus, sondern fahren. Über Land, wenn er mit sachtem Lastwechseldrängen durch Kurven fegt und ihn der neue, fröhlich brünftelnde 1,5-Liter-Turbobenziner dann auf die nächste Gerade hinauszieht. Man könnte sein kleines Laderschwächeln bekritteln oder das sachte Hakeln der langwegigen Sechsgangbox. Aber keiner fährt vergnüglicher. Dazu bietet der Ford unverändert ausreichend Platz, gute Sitze, umfangreiche Assistenzoptionen und eine nun sorgsamere Verarbeitung, nettere Materialien, clevere Details (Türkanten- und Stoßfängerschutz) sowie das neue Infotainment. Sync 2 lindert den Tastenausschlag im Cockpit, erweist sich als besser, aber noch nicht überragend gut. Seit Ford die Idee aufgab, einen günstigeren Golf zu bauen, haben sie den besten Focus, den es je gab. Der setzt jetzt zum Überholen an.
Ford Focus vor Mazda 3
Wer meint, Hubraum sei durch nichts zu ersetzen, ist noch nie trotz Vollgas im großen Gang in einem Mazda 3 zurückgeblieben, während die turbogeplusterten Rivalen davonstürmten. Ja, mit 165 PS beschleunigt der leichte Mazda eifrig und zudem homogener als Ford Focus und Co. Doch im echten Leben fährst du eben mit Drehmoment statt Leistung. Und so motiviert der 3 in der Stadt auch vorangeht, auf der Landstraße merkst du, dass er seine 210 Nm erst bei 4.000 Touren zusammendreht. So tourt der hoch verdichtete (14:1) Zweiliter immer ein, zwei Gänge höher. Dabei erweist sich die viele Schalterei wegen des kurzen, präzisen Getriebes durchaus als kurzweilig, aber nicht gerade förderlich für die Effizienz.
An der mangelt es bei der Raumausnutzung. 4,46 Meter Länge setzt der 3 nur in ein ausreichendes Ladevolumen um, auch die Fondpassagiere verwöhnt er auf der dürr gepolsterten Bank nicht mit Raum. Pilot und Co. sitzen bequemer, dazu integriert sie der 3 angenehm tief ins breite Cockpit. Als einziges nutzt es fürs Infotainment einen Drehdrücker, was die Bedienung erleichtert. Erleichtert soll sich der Mazda wegen des Leichtbaus auch beim Handling anfühlen. Doch wiegt er nur acht Kilo weniger als der Octavia, und mit dem straffen, nicht sehr komfortablen und auf Unebenheiten unterdämpften Fahrwerk fühlt er sich eher hart als agil an. Die Lenkung spricht präzise an, meldet solide zurück, doch vermag der 3 weder beim Handling noch in der Bremswertung wirklich zu brillieren. Das gelingt umso mehr bei Preis, Ausstattung und Garantie. Aber der Ford Focus ist am 3 vorbei.
Ford Focus bremst auch Opel Astra aus
Schaut nur, da hinten glimmt der Himmel schon rötlich auf, der Opel macht sich auf den Weg in den Sonnenuntergang: 2015 wird er abgelöst. Vor fünf Jahren startete der Astra J und hielt seither Anschluss an die Konkurrenz um den Ford Focus. Über die Jahre bekam er Assistenzsysteme und jüngst den Turbo-Direkteinspritzer. Hier startet der 1.600er ohne Ausgleichswelle zögerlich, zieht dann umso heftiger, um ab 4.000/min in dröhnige Drehunlust zu verfallen. Mit 8,7 l/100 km zapft er sich zu viel teures Super Plus aus dem Tank. Ja, nur der Golf beschleunigt hier temperamentvoller, doch das mit 20 PS weniger. Den Astra bremsen die lange Übersetzung der hakeligen Sechserbox und sein Gewicht.
Angenehm solide Schwere zeigen die sorgsame Verarbeitung und der satte Komfort. Mit Adaptivdämpfern (980 Euro) steckt der Opel selbst herbe Unebenheiten sacht weg. Dazu passen die vielfach verstellbaren AGR-Sitze vorn (685 Euro). Im Fond hocken die Passagiere dagegen eng, hart und haltlos wie auf einer Parkbank. Park? Das Stichwort nutzen wir als Überleitung zum Handling. Trotz des ausgewogenen Fahrwerks versteht sich der Astra mit der rückmeldungsscheuen Lenkung mehr als Flaneur denn als Freibeuter der Landstraße. Zu Lastwechseldrängen lässt er sich so wenig verführen wie zu herbem Untersteuern. Vehementer verzögern sollte er aber, und wie bei vielen Opel-Testwagen in letzter Zeit sprach das Bremspedal unpräzise an. So bremst der Ford Focus auch den Astra aus.
Der Skoda mit hohem Ladepotenzial
Wer vom Ford Focus auf einer Landstraße.tour direkt in den Skoda umsteigt, wundert sich am großen Lenkrad, wie betulich untersteuernd Tante Octavia über die Strecke schubbert. An Präzision und Rückmeldung mangelt es der Lenkung nicht, erst recht nicht dem Fahrwerk an Sicherheit. Doch es könnte durchaus agiler vorangehen angesichts der strammen Fahrwerksabstimmung. Doch die erklärt sich weniger mit Dynamikambitionen als vielmehr mit dem hohen Ladepotenzial – wobei 506 Kilo Zuladung fast zu knapp sind für 590 Liter Kofferraum. Mit ein paar Zentnern Gepäck jedenfalls steckt der Skoda üble Schläge hier am besten weg und gleicht damit das hoppelige Ansprechen ohne Beladung aus.
Am besten reist man also in Gesellschaft, für die der Skoda Octavia ein klassensprengendes Raumangebot bereithält. Auf der kuscheligen Rückbank bleibt den Passagieren so viel Knieraum wie in einem Audi A6. Fahrer und Beifahrer sitzen hoch, aber gleichermaßen bequem. Vor ihnen erstreckt sich im Prinzip die gleiche Cockpit-Architektur wie im Golf: Alles leicht bedienbar (im Fall von Lenkradtasten und Tempomat sogar besser als im VW), aber eben das kleine bisschen heruntergeschraubt bei der Materialanmutung. Nicht aber bei der Solidität und erst recht nicht bei netten Details wie Abfalleimer, Telefonhalter und Eiskratzer, für die sich Skoda ja besonderer Cleverness rühmt.
Auf die clevere Zylinderabschaltung der neuesten TSI-Generation verzichtet der Octavia dagegen. Sein 140 PS starkes Triebwerk treibt den Skoda Octavia zu praktisch denselben Fahrleistungen wie der Motor des Golf, lässt seine vier Zylinder aber 0,2 l/100 km mehr verbrennen und deutlich kerniger klingen. Auch der Wind umbrandet den Octavia geräuschintensiver. So lässt der günstige Skoda eine Lücke zum Golf. Quetscht sich der Ford Focus da rein oder gar am VW Golf vorbei?
VW überzeugt mit innerer Größe
Nein, auch diesmal bleibt der VW Golf vorn. Wer meint, es liege nur daran, dass er – außer dem hohen Preis – keine Schwächen habe, verkennt seine Stärken. Auf 4,25 Metern genügend Platz für fünf Erwachsene zu schaffen, ist eine Ingenieurskunst, die bei Mazda 3, Ford Focus und Opel Astra trotz zehn bis 20 Zentimetern mehr Außenlänge nicht gelang. Vorn gibt es hervorragende Ergonomie-Sitze, im Fond die bequeme, gut ausgeformte Bank. Dazu bleiben 380 Liter Kofferraum – da übertrumpft er Focus, 3 und Astra knapp.
Ganz erheblich gelingt dem VW das beim Komfort. Mit Adaptivdämpfern (1.015 Euro) bügelt er selbst herbe Unebenheiten sauber und schunkelfrei weg – klappt allerdings beladen nicht mehr ganz so beeindruckend. Richtig Druck macht der Turbobenziner, lässt sich das aber so wenig anmerken wie die häufigen und langen Momente, in denen er zwei der vier Zylinder ausknipst. So holt sich der VW mit dem sehr kultivierten, temperamentvollen und dazu sparsamen Motor (7,1 l/100 km im Testschnitt) sowie der wie im Skoda passend gestuften und präzisen Sechsgangbox vor dem Ford Focus Platz eins im Antriebskapitel.
Und den Gesamtsieg, weil er neben allen erwähnten Stärken auch hervorragend bremst (nur der Ford Focus verzögert noch besser), am schnellsten und besonders sicher durch den Fahrdynamiktest saust, sich leicht bedienen lässt, bekannt sorgfältig und hochwertig verarbeitet ist. Doch auf dieser einsamen, verschlungenen Landstraße fährt er eben golfig-besonnen und nicht so begeisternd Handling-fokussiert wie der Ford. Der gewinnt diesmal nicht. Aber wir feiern ihn mit einem Song von Udo Jürgens: "Wer nie verliert, hat den Sieg nicht verdient."
Guldes Connectivity-Check
Navigation Sync 2: Der Ford Focus zeigt Größe. Puh, das hat sich gezogen: Bereits 2010 berichtete auto motor und sport das erste Mal über ein Infotainment.System mit großem Acht-Zoll-Monitor und Touchscreen-Bedienung für den nächsten Focus. Die Einführung ließ dann jedoch bis zum Facelift auf sich warten. Das Sync 2 genannte Gerät stellt Navi-Karten deutlich übersichtlicher dar, auch die Anzeige von Medieninhalten hat spürbar gewonnen. Neben UKW und CD spielt das 1.300 Euro teure Gerät Musik über USB, SD-Karten und Bluetooth ab, für 195 Euro extra kommt noch ein DAB-Tuner hinzu. Die vier Bereiche Entertainment, Telefon, Klima und Navigation werden auf Wunsch gleichzeitig auf dem großen Display dargestellt, sodass der Fahrer stets die wichtigsten Informationen im Blick hat. Angesichts der Monitor-Größe verwundert es aber, wie klein manche Bedienflächen gehalten sind. Immerhin lassen sich viele Funktionen per Sprache steuern: Neben Navigationseingaben klappt dies mit etwas Übung auch beim Telefon oder bei der Auswahl von Musikstücken ("Spiel David Bowie"). Online-Funktionen sind keine an Bord. Staudaten besorgt sich die Navigation über Navteq-Traffic, eine aufgebohrte TMC-Variante, die jedoch längst nicht an aktuelle Echtzeit-Dienste herankommt. Die Ford.eigene Applink-Funktion, mit der sich Smartphone-Apps wie Spotify oder Hörbuch-Reader per Sprache steuern lassen, unterstützt Sync 2 derzeit ebenfalls nicht, sie soll jedoch nachgerüstet werden. Wann genau, will Ford diesmal lieber nicht sagen.