Jeep Grand Cherokee 3.0 V6 Multijet im Test

Mit einem teuren Luxus-Offroader ins Gelände? Aber natürlich! Der Jeep Grand Cherokee 3.0 V6 Multijet zeigt im Test, aus welchem Elternhaus er stammt.
Die Vorurteile sind sattsam bekannt: Geländewagen fahren doch heutzutage nie wirklich ins Gelände. Überall verboten. Sinnlose Technik. Und so weiter, und so weiter. Wie das jedoch mit Vorurteilen eben oft so ist, entbehren Sie auch in diesem Fall einer fundierten Sachkenntnis.
Das beginnt bereits, es lässt sich nicht oft genug wiederholen, mit der Definition von „Gelände“. Denn dieses beginnt, ganz trivial gesagt, jenseits eines befestigten Weges und nicht erst an einer metertiefen Schlammdurchfahrt. Mit Vorsicht zu genießen sind dementsprechend die seit Jahrzehnten wiederholten Phrasen von 90 oder mehr Prozent der Geländewagenbesitzer, die mit ihrem Fahrzeug angeblich nie den Asphalt verlassen. Eine belastbare Quelle für solche Äußerungen gab es noch nie und gibt es wohl auch weiterhin nicht – wer schließlich sollte dazu eine empirisch korrekte Umfrage unter einem statistisch relevanten Teil der deutschen Geländewagenbesitzer durchführen?
Mit dem Jeep Grand Cherokee auf Offroad-Tour
Soviel als lange Vorrede, aus einem einfachen Grund: Wir sind mal wieder ins Gelände gefahren, auf eine längere Offroad-Tour, was speziell bei 4wheelfun ja eher Regel als Ausnahme darstellt. Jedoch mit einem Fahrzeug, das – sehr teuer, sehr luxuriös und sehr edel – auf den ersten Blick nicht dazu angetan ist, es mit Verve durch die Botanik zu prügeln. So kann man sich täuschen...
Die vierte Generation des Oberklasse-Geländewagen Jeep Grand Cherokee ist für die Marke ein großer Verkaufserfolg, wie es auch bereits die Vorgänger waren. Doch erst mit dem jetzigen Modell, 2010 erstmals eingeführt und zum Modelljahr 2014 umfangreich aufgewertet, messen sich die Amerikaner auch auf dem alten Kontinent selbstbewusst mit den Rivalen aus Europas Nobelhäusern. Mercedes M-Klasse oder BMW X5 – diesem Wettbewerb stellt sich der Jeep Grand Cherokee erhobenen Hauptes.
Als Overland ein toller Reisewagen
Tatsächlich ist der aktuelle Jeep Grand Cherokee ein komfortables und kompetentes Reisefahrzeug, erst recht in der getesteten Overland-Version mit Maximal-Ausstattung. Feines Leder, edles Holz, Assistenzsysteme an reicher Zahl. Dazu ein richtig bärig ziehender, dabei angenehm gedämpfter und kultiviert laufender Sechszylinder-Diesel. Meilen machen fällt mit dem Jeep Grand Cherokee ausgesprochen leicht. Das gilt umso mehr für die Facelift-Version mit der Achtstufen-Automatik, die auf Langstrecken mit höherem Tempo gegenüber dem Vorgänger Drehzahl und Verbrauch senkt.
Die Overland-Ausstattung des Jeep Grand Cherokee bringt weiterhin zwei Dinge mit in den 4,82 Meter langen Luxus-Geländewagen: das Quadra Drive II genannte Antriebspaket, welches den Serienzustand mit Permanent-Allrad, Geländeuntersetzung und speziellen Fahrprogrammen um eine elektronisch gesteuerte Hinterachs-Differentialbremse ergänzt. Und die Quadra-Lift getaufte Luftfederung mit fünf einstellbaren Höhenlevels, von denen sich zwei speziell für die Geländefahrt verwenden lassen. Bis auf 270 Millimeter lässt sich damit die Bodenfreiheit des Jeep Grand Cherokee liften, das ist selbst unter Hardcore-Offroadern ein respektabler Wert.
Die Luftfederung bringt’s vor allem auf der Straße
Bei dieser Luftfederung muss jedoch gleich ein „aber“ hinzugefügt werden. Denn die erhöhte Bodenfreiheit ist zweifellos ein Trumpf auf rüden Geländestrecken. Der Restfederkomfort in den beiden Hoch-Stellungen jedoch nicht so sehr. Die ohnehin nicht besonders berühmte Verschränkung des Fahrwerks wird noch einmal merklich reduziert, die Besatzung in der höchsten Einstellung ziemlich handfest durchgeschüttelt. Mit Tempo jenseits Schrittgeschwindigkeit macht das wenig Spaß, weshalb im Offroad-Alltag die Standardhöhe meist die beste Wahl ist. Ganz besonders gilt dies für steile, unwegsame Bergauf- und -abfahrten, wo die Reifen in der höchsten Fahrwerkseinstellung den Bodenkontakt verlieren können und Kontrollverlust droht.
Für solche Passagen kann sich der Grand Cherokee-Fahrer auf die sehr gut funktionierende und über den Schalthebel im Tempo regulierbare Bergabfahrkontrolle verlassen, die auch auf extrem steilen Abfahrten nervenschonende Sicherheit garantiert.
Geländeprogramme im Jeep Grand Cherokee
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich mit den tatsächlichen Funktionen der Geländeprogramme (Snow, Sand, Mud und Rock) vertraut zu machen. Denn diese bringen jenseits der Bezeichnung recht spezifische Steuerungseigenschaften mit sich, die bei einer aktuellen Geländeaufgabe auch einmal kontropraduktiv sein können – etwa durch die automatische Fahrwerkshöherlegung im Rock-Modus. Letztlich am plausibelsten fährt man mit dem Jeep Grand Cherokee im Gelände tatsächlich mit manuellem, überlegtem Einsatz der verschiedenen Optionen (ESP/Geländeuntersetzung an/aus, Fahrwerksmodus, Bergabfahrkontrolle) und lässt den Wählschalter in der Automatik-Stellung.
So bleibt als Resümee für den großen Jeep ein sowohl-als-auch, mit identischer Begründung. Die Abkehr vom Starrachsfahrwerk der Vorgängermodelle bringt auf der Straße einen signifikanten Fortschritt an Fahrkomfort und auch Fahrsicherheit. Und genau diese straßenoptimierte Einzelradaufhängung ist im Gelände naturgemäß ein Rückschritt, wenn es wirklich hart zur Sache geht. An die unaufhaltbare Rödel-Charakteristik des Jeep Wrangler kommt der Jeep Grand Cherokee damit trotz viel Hightech nicht heran, dafür fährt er diesem im Straßenalltag in jeder Beziehung auf und davon.