Viel Ausstattung, aber wenig Feinschliff
Früher SsangYong, heute KGM. Was bleibt? Der Tivoli als Einstiegs-SUV. Das neue Sondermodell NOMAD senkt den Basispreis auf attraktive 18.990 Euro. Ob gut und günstig hier zusammengehen, zeigt der Top-Test.
Ein Wanderer, dieser Tivoli – und das liegt nicht nur am Namen des neuen Sondermodells. Ein Nomad(e) ist jemand, der keinen festen Wohnsitz hat, sondern von Ort zu Ort zieht. Und das passt ziemlich gut zum koreanischen Mini-SUV, dessen automobiler Ausflug 2015 als SsangYong begann und der nach einigen Übernahmequerelen bei KG Mobility, kurz KGM, eine neue Heimat fand – zumindest bis auf Weiteres.
Denn der Tivoli ist schon seit gut zehn Jahren auf dem Markt, und wie lange er dort noch aushält, ist aktuell nicht bekannt. Um ihn auf seine alten Tage noch einmal ins Gespräch zu bringen, spendierte ihm der neue Eigentümer bereits 2023 ein Facelift, bei dem das alte Drachenlogo an Front und Heck verschwand. Und jetzt soll die neue Nomad-Ausstattung die Absatzzahlen beflügeln. Kann das gelingen?
18.990 Euro sind erst einmal eine Ansage – und immerhin 4.000 Euro günstiger als die reguläre Basis. Zu diesem Preis bietet die Konkurrenz, damit sind Dacia Duster und Citroën C3 Aircross gemeint, karge Basisversionen ohne Zentraldisplay und Motoren um die 100 PS. KGM klotzt dagegen: zum einen mit dem 163 PS starken Vierzylinder-Turbobenziner, zum anderen mit reichlich Ausstattung, die ganz und gar nicht spartanisch wirkt.
Zwischen Kraft und Verbrauch
Auf dem Papier glänzt der Koreaner, aber wie verhält er sich beim Fahren? Nun ja, von Glanz ist hier keine Spur. Doch der Tivoli fährt im positiven Sinne unaufgeregt und gefällt mit seinem Oldschool-Antrieb – in unserem Testwagen ist die aufpreispflichtige Sechsgang-Wandlerautomatik verbaut. Der laufruhige 1,5-Liter-Benziner bietet einen angenehm kräftigen Vortrieb und harmoniert gut mit dem etwas trägen, aber sanft schaltenden Getriebe – abgesehen vom ruppigen Anfahrverhalten in Verbindung mit dem behäbigen Start-Stopp-System. 10,9 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h sind mit Blick auf Motorleistung und Leergewicht (1.360 kg) aber eher mau.
Auch der ermittelte Testverbrauch von 8,1 Litern pro 100 km enttäuscht und ist alles andere als zeitgemäß. Das durstige Aggregat macht den Tivoli-Fahrer im Verbund mit dem eher kleinen 50-Liter-Tank zum gern gesehenen Tankstellenbesucher. Gut zu wissen: Die Version mit Sechsgang-Schaltgetriebe ist gemäß WLTP-Norm 0,8 Liter sparsamer und dank eines Drehmomentplus von 20 Nm vermutlich sogar etwas flotter unterwegs. Wer den Schalter wählt, spart also beim Kauf und beim Kraftstoff.
Komfort okay, Fahrwerk kommt an seine Grenzen
Das Fahrwerk findet einen ordentlichen Kompromiss aus Fahrstabilität und Komfort. Eine Sänfte ist der Tivoli nicht, doch die Federung filtert trotz straffer Grundnote die meisten Unebenheiten passabel heraus und verhindert unangenehme Wank- und Aufbaubewegungen. Im Alltag fährt sich der KGM unproblematisch. Erst bei deutlich forcierter Gangart und schlechtem Straßenbelag wirkt das Fahrwerk überfordert. Bei schnellen Einfederbewegungen, etwa auf ausgeprägten Bodenwellen, kommt die Dämpfung an ihre Grenzen – und manchmal so weit darüber hinaus, dass das rechte Hinterrad kurz im Radhaus schleift. Und die Lenkung? Viel Spiel um die Mittellage und einspürbarer Über windungspunkt beim Einlenken treffen auf wenig Feedback vom Asphalt.
Beim Fahren zeigt sich der Tivoli also nicht mehr so ganz up to date, und im Interieur wirkt er ähnlich angejahrt und etwas altbacken. Was aber auch seine guten Seiten hat. Denn eine manuelle Handbremse, ein griffiger Automatikwählhebel und separate Tasten für die Klima finden sich in modernen Fahrzeugen immer seltener. Auch die solide Materialauswahl und Verarbeitung gefallen – billig wirkt hier nichts.
Während das 10,25 Zoll große Fahrerdisplay auffällig gut gelungen ist, nervt das rudimentäre Infotainment mit Aussetzern beim Radioempfang und unlogischer Bedienung. Einzig die unkomplizierte Kopplung des Smartphones – nur per Kabel – gefällt. Das Platzangebot in Reihe eins und zwei ist respektabel, das Ladevolumen fällt mit 395 Litern eher bescheiden aus. Der Kofferraum punktet zwar mit solider Auskleidung, geizt aber mit nutzbarer Grundfläche und Ladehöhe unter der Rollo-Abdeckung.
Nur Halogen-Leuchten und mieser Bremsweg
Wo KGM ebenfalls geizt, ist beim Licht. Im Tivoli Nomad funzeln museale Halogen-Leuchten. In Sachen Sicherheit leistet er sich einen weiteren derben Patzer, und damit ist nicht die überschaubare Assistenz mit ihrem nervigen Gebimmel gemeint: 39,4 Meter Bremsweg aus Tempo 100 sind indiskutabel. Sicher nicht unschuldig an dieser miesen Performance sind die montierten Kumho-Ganzjahresreifen einer älteren Generation, die der Reifenhersteller bei uns offiziell nicht anbietet und die obendrein mangels Schneeflockensymbol im deutschen Winter gar nicht genutzt werden dürfen. Wie die Recherche ergab, ist dieser Reifen Teil der Erstausrüstung und damit auf vielen Tivoli-Neuwagen aufgezogen. Trotz 18.990 Euro und fünf Jahren Garantie – damit verspielt sich der KGM eine Empfehlung.
Auf einen Blick
Die Modellvielfalt des Tivoli ist schnell erklärt, viele Wahlmöglichkeiten gibt es nicht. Beim Antrieb kommt immer der getestete 1,5-Liter-Turbobenziner mit 163 PS zum Einsatz. Das Nomad-Sondermodell – nur mit Frontantrieb zu haben – drückt den Basispreis unter die magische 20.000-Euro-Schwelle. Darüber hinaus stehen vier reguläre Ausstattungslinien im Angebot, die sich vor allem im Ausstattungsumfang unterscheiden. Einzelne Optionen oder Pakete können nicht geordert werden. Ausnahme: Das Topmodell Lux ist mit einem Glasschiebedach für 700 Euro extra erhältlich.
Bei Core, Black und Lux steht für 2.000 Euro Aufpreis Allradantrieb zur Wahl, als 4WD ist der Tivoli ab 24.900 Euro zu haben. Nach dem Suzuki Swift ist er damit der günstigste Allradler auf dem deutschen Markt – noch vor dem Dacia Duster.
Ausstattung
Das Nomad-Sondermodell basiert auf der regulären Basis namens Core, bringt aber zusätzlich eine Sitzheizung vorn mit – und das bei einem Preisvorteil von satten 4.000 Euro. Die serienmäßige Ausstattung des Tivoli Nomad (respektive Core) fällt reichlich aus: 9,2 Zoll großes Touch-Infotainment mit Smartphone-Integration, Navigation, digitales 10,2-Zoll-Fahrerdisplay, Einparkhilfe hinten mit Rückfahrkamera, Tempomat, 16-Zoll-Leichtmetallfelgen, abgedunkelte Scheiben hinten, sechs Airbags, Lederlenkrad, Licht- und Regensensor sowie eine manuelle Klimaanlage. Optional gibt es lediglich eine Metallic-Lackierung (600 Euro) und die im Testwagen verbaute Sechsgangautomatik von Aisin (2.000 Euro). Letztere ist beim Core nicht zu haben.
Hier zu den weiteren Ausstattungslinien: Bliss enthält im Vergleich zum Core zusätzlich LED-Scheinwerfer, die Sitzheizung vorn, elektrisch anklappbare Außenspiegel sowie eine Dachreling. Black bringt darüber hinaus schwarze 18-Zoll-Leichtmetallfelgen, ein beheizbares Lenkrad, die Einparkhilfe vorn, ein Keyless-Go-System sowie eine Klimaautomatik, Nebelscheinwerfer, einen Knieairbag (Fahrer) und weitere Assistenzsysteme (siehe unten) mit. Lux bietet überdies ein Smartphone-Ladepad, Kunstleder-Sitze und 18-Zoll-Räder im "Diamond Cut"-Design. Nur hier ist die Automatik Serie.
Besonderheiten
Halogen-Leuchten sind beim Tivoli Nomad immer mit an Bord, ein Upgrade auf zeitgemäße Lichtquellen ist nicht möglich. Erst ab der mittleren Ausstattungslinie Bliss werden LED-Scheinwerfer verbaut – einer der großen Schwachpunkte des Koreaners, denn gutes Licht ist sicherheitsrelevant.
Apropos Sicherheit: Der Nomad verfügt zwar über die vorgeschriebene Assistenztechnik, doch erst ab der Linie Black ist die Ausstattung mit Totwinkel- und Spurwechselassistent sowie Querverkehrswarner beim Ausparken einigermaßen komplett – abgesehen vom nicht erhältlichen Abstandstempomat. Der Laderaum-Teiler ist praktisch und immer Serie. Die zweigeteilte Bodenplatte des Kofferraums wird dazu senkrecht aufgestellt.
