Ist bei einem Unfall wirklich immer der Auffahrende schuld?

Ist bei einem Unfall wirklich immer der Auffahrende Schuld?
Wenn es hinten kracht, ist der Vordermann unschuldig? Dieser Mythos stimmt nicht ganz.
Bei einem Auffahrunfall scheint die Schuldfrage schnell geklärt zu sein. Doch der Hintermann muss keineswegs immer automatisch den Schaden übernehmen.
Was der Anscheinsbeweis bedeutet
Von den vielen Straßenverkehrsmythen, die es gibt, wird bei einem Auffahrunfall meist die folgende zitiert: "Wer auffährt, ist immer schuld." Doch damit die Nutzer im Fuhrpark diese Fehlannahme nicht mehr länger mit sich herumfahren, erklären wir die Fakten.
Wenn ein Fahrzeug dem anderen, sei es vor der Ampel oder beim Fahren, ins Heck kracht, kommt tatsächlich erst einmal der sogenannte Anscheinsbeweis zum Zug: Man geht davon aus, dass der Auffahrende nicht genug Sicherheitsabstand gehalten hat, zu schnell war oder zum Beispiel abgelenkt war und deshalb nicht mehr rechtzeitig gebremst hat.
Wie kann der Auffahrende seine Schuld entkräften?
Allerdings ist der Anscheinsbeweis nicht unerschütterlich. Wenn bewiesen wird, dass der Unfall durch andere Umstände als das Verhalten des Auffahrenden passiert ist, kann die Schuldfrage durchaus anders ausfallen. Dafür sind Beweismittel wie Zeugenaussagen (immer an deren Personalien denken!) oder Fotos nötig. Auch Skizzen, die den Unfallhergang so genau wie möglich klären, sind sinnvoll. Und: Die Beweislast liegt beim Auffahrunfall tatsächlich beim Hinter-, nicht beim Vordermann.
Wann trägt der Vorausfahrende zumindest eine Teilschuld?
Ein Grund, der den Hintermann von der alleinigen Schuld entlasten könnte, ist zum Beispiel die Frage, ob bei einer plötzlichen Bremsung des Vordermanns tatsächlich ein Anlass für diese Aktion bestand. Gerechtfertigt wäre sie gewesen, wenn dem Vordermann etwa aus dem Nichts eine Person vors Auto gelaufen wäre. Bei Kleintieren wiederum wie einem Eichhörnchen haben Gerichte zulasten des Vordermanns entschieden.
Anders sieht es auch aus, wenn der Vordermann eine ungerechtfertigte, weil plötzliche und scheinbar grundlose Bremsung hinlegt und das zu einer Kollision führt. In dem Fall bekommt der Vordermann eine Teilschuld. Zum Beispiel, wenn er während der Grünphase einer Ampel plötzlich ohne triftigen Grund bremst. Kein triftiger Grund für eine Bremsung liegt unter anderem auch vor, wenn der Vordermann wegen eines Radargeräts am Straßenrand stark in die Eisen geht oder, weil er eine freie Parklücke entdeckt hat. Passiert der Auffahrunfall bei einem Spurwechsel, kann der Vordermann je nach Sachlage (z.B. wenn er den Hintermann beim Einscheren stark schneidet) sogar voll haften müssen.