Horst Lichter im Porträt
Bei Johannes B. Kerner kocht er mit Sterneköchen für ein Millionen-Publikum. Doch richtig wohl fühlt sich Horst Lichter nur am alten Kohleherd in seiner Oldiethek – umgeben von Autos, Motorrädern und Motorsport-Devotionalien.
„Münch 4 1200 TTS – für Männer, die das Exklusive lieben“, steht auf dem Plakat an der Toilettentür. Abgebildet ist das Spitzen-Bike der siebziger Jahre mit einem Playboy Marke Gunter Sachs. Vor dem stillen Örtchen liegen Perserteppiche, auf denen ein grüner Jaguar D-Type parkt, ausgeleuchtet von riesigen alten Fernsehstudiolampen. Die notorischen Nörgler Waldorf und Statler aus der „Muppet Show“ überwachen von der Empore die Szenerie. Die großen Stoffpuppen hocken auf alten Schulbänken, umringt von allerlei Kunst und Kitsch.
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Lichters Oldiethek in Butzheim ist keines dieser durchgestylten Szene-Lokale, in denen sich gut betuchtes Publikum bei sündhaft teuren und kunstvoll drapierten Häppchen im Glanz des populären Maître sonnt. 70 Gäste speisen allabendlich zu humanen Preisen. Lichter begrüßt sie stets mit den Worten „Hallo, ich bin der Horst.“
Dazu passt, dass der Horst nicht im stillen Kämmerlein, sondern am Kohleherd vor den Augen seiner Gäste kocht. Das Restaurant, das eher wie eine Mischung aus Museum und schlecht aufgeräumtem Speicher wirkt und von ihm deshalb lieber „mein Laden“ genannt wird, ist vollgestopft mit persönlichen Fotos, Briefen und Erinnerungsstücken. Dinge, die andere Menschen nur in ihren privaten Gemächern aufbewahren. Lichter dagegen stellt sein Leben aus.
Und nach einem gemeinsamen Rundgang durch den alten Tanzsaal aus der Zeit um die Jahrhundertwende hat man tatsächlich das Gefühl, den Mann mit dem markant gezwirbelten Schnurrbart und dem dröhnenden Lachen ziemlich gut zu kennen. Alles begann damit, dass der kleine Horst alte Zeitschriften sammelte.
Der Traum von den Autos
Die Familie konnte finanziell keine großen Sprünge machen, doch„ durch die Zeitungen konnte ich quasi all die Traumautos fahren“, sagt Lichter, dessen Augen dabei leuchten, als fahre er in seiner Vorstellung noch mal bei Motorjournalisten-Legende Fritz B. Busch mit. Selbst heute liegen zwischen den Tischen in der Oldiethek stapelweise alte auto motor und sport-Hefte. Seine besondere Beziehung zu Jaguar beginnt nach der Schulzeit als Lehrling im Bergheimer Hotel-Restaurant „Alte Post“, wo er die Speichenräder des Jaguar Mark 2 seines strengen Lehrherrn Lutz Winter putzen muss.
Einstiegsdroge Jaguar
Lichters „Einstiegsdroge“ ist später ein Jaguar XJ 6. Doch mit 16 reicht das Geld aus dem Bausparvertrag der Eltern lediglich für eine Yamaha TY 50.„Ich wünschte mir nichts mehr als eine rote Hercules Ultra, doch die war viel zu teuer“, erzählt Lichter, während er die Hercules mit der roten Lackierung und den gelben Zierstreifen zärtlich am Sattel tätschelt.
Jahrzehnte später kaufte er sein damaliges Objekt der Begierde. „ Ich bin damit aber nie gefahren, um mir den Traum nicht zu zerstören.“ Das Motorrad thront heute auf einem Regal im Eingangsbereich. Auch mit 18 fehlt das Geld für den automobilen Traum VW Käfer. Stattdessen ersteht Lichter einen gebrauchten ockergelben Simca Rallye 2 mit mattschwarzer Motorhaube für schlappe 1500 Mark. „Das war natürlich viel besser als ein Käfer, aber ich hatte ja keine Ahnung, was ich da eigentlich hatte“, erzählt Lichter.
Das Ergebnis seiner Ahnungslosigkeit: Nach einer Woche fliegt der junge Koch aus der Kurve. Reparaturkosten: 2400 Mark. Auch ein Opel Kapitän mit Achtzylindermotor sorgt später nur kurz für Freude. „Nach knapp drei Wochen war ich pleite, weil der so viel Sprit brauchte.“
Es folgten zahlreiche andere Leckerbissen auf vier Rädern: ein dunkelblauer Opel Manta B mit Berlinetta-Ausstattung, ein Ford Capri Dreiliter und einige Mini. Ein paar Autoteile finden sich noch heute zwischen den alten Möbeln, Antiquitäten und Bildern. Auf Fotos und in Büchern mit Abstand am häufigsten vertreten ist Wolfgang Graf Berghe von Trips.
Für Lichter, in Nettesheim im Kreis Neuss geboren, ist die adelige Motorsportlegende mehr als nur ein Lokalheld. Entsprechend groß war der Schock, als der kleine Horst erfuhr, dass bereits ein Jahr vor seiner Geburt Trips in Monza tödlich verunglückt war. Anfangs baut Lichter für seine Sammelei eine Garage um, putzt Chromteile und teilt einfach seine Leidenschaft für Antiquitäten, Autos und Motorrädern mit jedem, der ihn besucht. Schon damals gibt es Kaffee und Kuchen.
Das Kochen hat Horst im Alter von 20 Jahren allerdings aufgegeben und in der benachbarten Kohleveredelung angeheuert. Nach zwei Schlaganfällen mit Ende 20 beschließt er, sein Leben radikal zu ändern und den Garagentreffpunkt zum Lebensinhalt zu machen. Für den eigenen Laden muss aber ein größerer Raum her. Schnell ist der alte Tanzsaal in Butzheim ausgeguckt. Darin werkelt damals noch ein kauziger alter Italiener namens Rocco Pepe, der in der Halle an alten Alfa rumschraubt. „Ich fragte den Vermieter, und der sagte, ich könne den Raum haben, wenn Rocco freiwillig das Feld räumt“, erzählt Horst. „Also fragte ich Rocco.“ Der flippte daraufhin aus. „ Er hatte mich falsch verstanden“, berichtet Horst. „Rocco meinte, der Vermieter wolle ihn rausschmeißen, und packte daraufhin wütend seine Sachen.“
700 Mark Startkapital
Mit 700 Mark Startkapital fängt Lichter an, eröffnet am 28. Januar 1990 „Lichters Oldiethek“ mit Kaffee, Bier und Pfannkuchen. Nach fünf Jahren kommen den Mitgliedern der Motorrad- und Oldtimer-Clubs, die ihn besuchen, die Pfannkuchen aus den Ohren raus. Jedenfalls wird der Ruf nach neuen Gerichten laut, und Horst zieht nach rund zehn Jahren erstmals wieder die Kochjacke an. Was er seitdem in dem unvergleichlichen Ambiente kocht und lebt, hat ihn zum Fernsehstar werden lassen. Erst rührt und brutzelt er für den Westdeutschen Rundfunk und trinkt zu seinen Spezialitäten immer sein „lecker Bierchen“.
Mit den Auftritten im überregionalen Fernsehen kommt dann der große Erfolg. Dieser hat sich natürlich auch positiv auf seinen Fuhrpark ausgewirkt: Lichter hat Luxuswagen wie einen Ferrari 360 und Raritäten wie den Jaguar D-Type – eine Replica, aber mit Original-Technik und Dreiliter-Sechszylindermotor unter der Haube. Doch typisch für den unprätentiösen Rheinländer: Die Ausfahrt mit dem Fotografen findet in seinem Bus, einem Setra S6 Baujahr 1958, statt. Lichter bewegt den üppig dimensionierten Setra-Bus dabei genauso routiniert und forsch, wie er kocht: Es darf ruhig mal ein Tröpfchen Sahne oder eine flotte Kurve mehr sein.
Bildtexte erste Doppelseite: Horst Lichter mit einer Auswahl seines Fuhrparks im Innenhof der Oldiethek Mit Trips: Lichter fährt für die Scuderia Colonia mit dem Kopfschutz seines Idols Wolfgang Graf Berghe von Trips Oldiethek aus der Vogelperspektive An der Rennstrecke: Die Carrera-Bahn steht in einem alten Linienbus, der in das Gebäude integriert ist Kindertraum von früher: Trips-Ferrari im Kleinformat Die Oldiethek ist ein wahres Buch- und Zeitschriften-Archiv