Vorderpfalz Classic 2006
Die Vorderpfalz Classic hat sich zum Klassentreffen einstiger Rallye-Champions entwickelt. Unterwegs mit Walter Smolej, Deutscher Meister 1983, im Opel Kadett GT/E.
Waldleiningen, Kreis Kaiserslautern. "Wenn ich dieses Ortsschild sehe, denke ich immer noch: Oioioioi", sagt Walter Smolej, als wir in den 470-Seelen-Ort im idyllischen Naturpark Pfälzerwald hineinrollen.
Verständlich, schließlich beginnt direkt am Ortsausgang die einst berühmteste Asphaltprüfung der deutschen Rallyemeisterschaft, sozusagen der deutsche Col de Turini: 17,78 Kilometer volles Rohr durch den Wald, statistisch alle 100 Meter eine Kurve - trotzdem fuhren die Besten einen Schnitt von über 100 km/h.
Wenn sie denn das Ziel 320 Meter vor dem Ort Weidenthal überhaupt erreichten. "Eine verflixt gefährliche Strecke", meint der 55-jährige Elektro-Ingenieur und deutet auf den dichten Laubwald: "Wenn man da abflog, traf man garantiert irgendwann auf einen dicken Baum."
Oder auf die Wurzel eines umgestürzten Exemplars. Und dann hatte man Glück - wie 1978 Smolej und Bernd Ostmann: "Wir waren auf dem Opel Kadett mit Slicks im Regen unterwegs", erzählt Smolej. "Es lief gut, bis wir auf einmal auf einen frisch geteerten Abschnitt kamen." Das war im zweiten, schnellen Teil der Strecke nach dem beliebten Zuschauertreffpunkt Olympiabrücke. Mit gut 170 Sachen flog der Kadett GT/E geradeaus in ein ausladendes Wurzelgeflecht, das den Aufprall glücklicherweise stark dämpfte.
Waldleiningen, die Königsetappe der Rallye Vorderpfalz./strong>
Spektakuläre Ausritte wie dieser waren damals an der Tagesordnung; auf keiner anderen Wertungsprüfung wurde so hart um Bestzeiten gerungen wie auf der WP Waldleiningen, der Königsetappe der Rallye Vorderpfalz. 1962 erstmals als Vorderpfälzische Wertungsfahrt gestartet, zählte die Rallye zwischen Speyer und Kaiserslautern ab 1971 zur deutschen Meisterschaft und wurde im Folgejahr zur Internationalen Rallye Vorderpfalz geadelt. Die letzte Auflage 1986 gewann Michele Mouton im Peugeot 205.
"Die Vorderpfalz war die berühmteste Asphaltrallye in Deutschland, und Waldleiningen war die Prüfung schlechthin", bestätigt Altmeister Walter Röhrl, der sich hier drei Mal in die Siegerliste eingetragen hat. Im September 2002 feierte die Veranstaltung fröhliche Wiederauferstehung als Vorderpfalz Classic – zeitgemäß nach dem Gleichmäßigkeitsmodus und mit einem kräftigen Schuss Orientierung. Und seither geben sich bei der Verteilung der Fahrtunterlagen sämtliche Rallye-Heroen der 70er und 80er die Klinke in die Hand.
Weshalb das Ganze mitunter schwer an ein Klassentreffen erinnert, bei dem sich die ehemaligen Lausbuben von der letzten Bank gegenseitig an ihre besten Streiche erinnern: Im Grunde geht es bei den Gesprächen in der Hauptsache darum, wer wann welches Auto wo in den Pfälzerwald geworfen hat.
Die beste Geschichte, darin sind sich alle einige, stammt vom ehemaligen Saab-Werksfahrer Joachim Knollmann. Ort des Geschehens: Waldleiningen natürlich. Handlung: Knollmann greift 1980 im Saab 99 mächtig an, schlägt entsprechend heftig ein - und kommt lediglich mit dem Tür- griff in der Hand zum Teamchef zurück. Auf die zwangsläufige Frage, wo der Rest des Autos sei, antwortete Knollmann wahrheitsgemäß: "Mehr kann man davon nicht gebrauchen." Heute ist der 59-Jährige wieder mit einem (geliehenen) Saab 900 unterwegs, der die Story vermutlich auch schon gehört hat und deshalb vor lauter Angst ständig überhitzt.
"Dies ist meine erste historische Rallye", sagt Knollmann, "es macht riesig Spaß. Vor allem trifft man Leute, die man seit 25 Jahren nicht gesehen hat." Kalle Grundel etwa, ehemaliger VW-Werksfahrer, der extra aus dem schwedischen Växjö in die Pfalz kommt. Klaus Fritzinger, unterwegs im Datsun Z. Lancia-Fahrer Gerd Blankenhagen, der die Vorderpfalz noch aus den frühen Jahren kennt, als es vor allem um Orientierung ging: "Wer sich da verfahren hat, hat das Ziel nie gefunden", berichtet der 72-Jährige.
Alte Geschichten flammen wieder auf
Diese Ansammlung einstiger Rallye-Cracks und ihre teilweise haarsträubenden Erzählungen in den Etappenzielen machen die Vorderpfalz Classic einzigartig - zumal auch etliche der jüngeren Teilnehmer seinerzeit bei den verschiedenen Rallyeläufen am Streckenrand standen und nun ihrerseits Geschichten beisteuern können. Frank Klaas beispielsweise bekommt heute noch wässrige Augen, wenn er erzählt, wie er 1982 als Student im Peugeot 204 zur Monte gepilgert ist und Röhrl im Ascona 400 am Turini gesehen hat. "Es war gigantisch", sagt der Opel-Kommunikationschef mit belegter Stimme, "wie der Röhrl da ankam. Dieser Unterschied im Speed, einfach unglaublich."
Heute sitzt der 48-Jährige selbst im Werks-Ascona - dem 1974er Modell allerdings -, und begleitet von Jochen Berger, der darin zusammen mit Röhrl Europameister wurde. Berger bedient nach wie vor routiniert Tripmaster und Stoppuhr, am Ende springt unter den knapp 100 Teams immerhin Platz 19 heraus. Respekt, denn die Gleichmäßigkeitsprüfungen und Navigationsaufgaben der Vorderpfalz sind nicht von schlechten Eltern, und die Leistungsdichte an der Spitze ist hoch. Außerdem, ganz ehrlich: Die ehemaligen Vollgas-Artisten tun sich doch ein wenig schwer damit, Passagen, die sie früher im ausgedrehten fünften Gang durcheilt hatten, nun mit einem 50er-Schnitt zu fahren.
Auch Walter Smolej, zweifacher Vorderpfalz.Sieger und 1983 Deutscher Meister auf Ford Escort, kann seinen Gasfuß auf den elf Gleichmäßigkeitswertungen nur mühsam zügeln. Anhand von Wegstreckenzähler, Stoppuhr und Schnitt-Tabelle überprüfe ich alle 100 Meter unseren Schnitt, meist sind wir zu schnell unterwegs und Walter muss grummelnd vom Gas. Dafür lebt er bei den Orientierungsprüfungen richtig auf. In denen nämlich sollen die Teilnehmer eine zuvor auf Kartenskizzen ausgeknobelte Route finden und die Zahlen notieren, die auf vom Veranstalter am Straßenrand aufgestellten Schildern stehen.
Dabei verfahren wir uns ständig, und dann wirft Walter den Opel Kadett auf der Suche nach der verlorenen Zeit durch die Weinberge, dass es nur so raucht. "Diese Weinberge erinnern mich immer an die Deutschlandrallye, das habe ich geliebt", schwärmt er, während er den gelb-schwarzen GT/E mit Vollgas über einen schmalen Feldweg drischt.
Die vorderen Plätze machen somit einige erfahrene Gleichmäßigkeits- Teams unter sich aus: Mit dem hauchdünnen Vorsprung von drei Zehntelsekunden gewinnen Thilo Giebels und Udo Volckmann auf Porsche 911 ST vor Klaus Förster und Hans Keller im BMW 2002; eine weitere Sekunde dahinter liegen Klaus und Karin Steffens im seltenen Jensen C-V8.
Pech haben die Favoriten Erich von Baumbach und Holger Wurft, die in den vergangenen drei Jahren den Gesamtsieg feiern konnten: Am zweiten Tag kollabiert das hintere rechte Radlager ihres Steyr Puch TR 650. "Kann passieren", kommentiert Wurft achselzuckend. Unter den alten Kämpen ist Gerd Blankenhagen mit Rang 14 der erfolgreichste. Das Lob kommt somit aus berufenen Mund: "Die Vorderpfalz., sagt er, "ist heute noch genauso eine Herausforderung wie damals."
Tipps für Teilnehmer
Nein, einen Überrollkäfig und eine automatische Feuerlöschanlage braucht man nicht, um bei der Vorderpfalz Classic ganz vorn dabei zu sein – wohl aber einen penibel einjustierten Wegstreckenzähler sowie mindestens zwei präzise Stoppuhren und eine Schnitttabelle oder einen Schnittcomputer.
Und einen Beifahrer, der mit all diesen Dingen umgehen und ein Roadbook lesen kann. Auf den Gleichmäßigkeitsprüfungen wird unterwegs auf die Sekunde und im Ziel auf die Zehntelsekunde genau gemessen, die Orientierungsaufgaben verlangen gehobene Pfadfinderkenntnisse.
Man kann die Rallye und die herrliche Landschaft des Naturparks Pfälzerwald aber auch einfach nur genießen. Dann genügen ein gut gewartetes Auto bis Baujahr 1977 beziehungsweise in der Youngtimerwertung bis 1980 (nachweislich echte historische Rallyeautos sogar bis 1987) und das rechtzeitige Überweisen des Startgelds von rund 400 Euro.
Dazu kommen noch die Übernachtungskosten. Als Termin für die 6. Vorderpfalz Classic steht der 7. bis 8. September 2007 fest.
Ergebnis
5. Vorderpfalz Classic, 1. bis 2. September 2006, Gesamtstrecke 519 Kilometer mit 17 Wertungsprüfungen über 225 km.
1. Giebels/Volckmann (D/D), Porsche 911
2. Foerster/Keller (D/D), BMW 2002
3. Steffens/Steffens (D/D), Jensen C-V8
4. Kemmeter/Göbel (D/D), Porsche 911
5. Kamm/Neugebauer (D/D), Alfa Montreal
6. Lebek/Schwab (D/D), Ford Shelby Mustang
7. Smuda/Lehmann (D/D), Triumph Spitfire
8. Heinz/Sander (D/D), BMW 1800
9. Arend/Reisch (L/L), Ranger GTS 2500
10. Illig/Illig (D/D), Volvo PV 544