Fuel-Flow-Meter in der LMP1
Durchflussmengenbegrenzer sollen in der LMP1-Klasse die exakte Messung des Kraftstoffverbrauchs sicherstellen. Bisher hatte Gill das Monopol - jetzt gibt es erstmals Wettbewerb.
Manchmal sagt die Größe eines Bauteils im Motorsport recht wenig über seine wahre Bedeutung aus. Das trifft auch auf die im Jahr 2014 eingeführten Durchflussmengenbegrenzer (Fuel-Flow-Meter) zu: nur 142 mm breit, 71 mm hoch und 235 Gramm schwer. Die Winzlinge bilden die tragenden Stützpfeiler des energiebasierten LMP1-Reglements, denn unterschiedliche Antriebstechnologien (Benziner gegen Diesel, Sauger gegen Turbo, dazu unterschiedliche Hubräume und Zylinderzahlen) werden seit 2014 nicht mehr nach alter Väter Sitte über Luftmengenbegrenzer gegeneinander ausgeglichen, sondern über diese Durchflussmengenbegrenzer.
Fuel-Flow-Meter in Formel 1 und LMP1
Mittels Ultraschalltechnologie wird die Flussrate des zum Motor geleiteten Kraftstoffes gemessen. Die kontinuierliche Exaktheit der Messung hat herausragende Bedeutung für den Wettbewerb, denn zuvor hatten die Regelbehörden ACO und FIA jedem Motorkonzept über komplexe Verrechnungsformeln, die auch die Höhe der Hybridklasse miteinbeziehen, ein exaktes Quantum Kraftstoff pro Runde in Le Mans zugeteilt - und die Fuel-Flow-Meter kontrollieren über die Einhaltung.
Die Technologie war brandneu und wurde 2014 nicht nur im LMP1-Sport eingeführt, sondern zeitgleich auch in der Formel 1, die ebenfalls Verbrauchslimits in ihr technisches Reglement integriert hatte.
Nun sind zwei Jahre ins Land gegangen, was die Frage aufwirft, wo die neue Technologie steht. Parallel dazu gibt es ab 2016 in der LMP1-Klasse der Sportwagen-WM nun ganz offiziell auch einen zweiten Anbieter: Bisher produzierte nur Gill Sensors diese Durchflussmengenbegrenzer, nun kommt mit Sentronics ein zweiter Anbieter ins Spiel.
Start in neue Ära mit Zeitdruck
Porsche, Toyota und Audi haben nun also die Wahl. Ob sie wirklich neu wählen werden, hängt von individuellen Befindlichkeiten ab - und der Frage, ob sie mit dem bisherigen Partner Gill Sensors zufrieden waren. Da gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen.
Zunächst muss festgehalten werden, dass die neue Technologie im Prinzip funktioniert, was so nicht zu erwarten war, denn der gesamte Ausschreibungsprozess der FIA für den Zulieferer war extrem verspätet, somit wurde alles auf den letzten Drücker fertig. Was half, war der Umstand, dass am Fuel-Flow-Meter auch die Zukunft der Formel 1 hing.
"Wir hatten zu Beginn einige Entwicklungsschwierigkeiten", gibt FIA-Technikchef Bernard Niclot offen zu. "Aber das ist immer so, wenn man bei null beginnt. In Summe reden wir von einer brillanten Technologie, denn die Fuel-Flow-Meter weisen keine beweglichen Teile auf - sie messen eben nicht mechanisch, sondern mittels Ultraschall."
Dazu wurde die Einführung der Fuel-Flow-Meter durch ein hohes Maß an Verschwiegenheit begleitet - wenn es Fehler gab, wurden sie so gut wie nie öffentlich gemacht. So mussten die Fuel-Flow-Meter in der LMP1 beispielsweise zu Beginn bei jedem Boxenstopp einem Reset unterzogen werden. "Aber das Prinzip funktioniert", beharrt Niclot. "Wir hatten nach dem ersten Rennen mit dem Fuel-Flow-Meter in Silverstone 2014 ein Meeting mit allen LMP1-Herstellern und fragten sie: Sind die Messungen korrekt? Und alle Hersteller bejahten diese Frage!"
Audi besonders betroffen
Subkutan gab es aber trotzdem Probleme: Audi traf es hier besonders, denn der Dieselkraftstoff ist trüber als Benzin, was die Lesbarkeit der Ultraschallsignale beeinträchtigt. Dazu haben Dieseltriebwerke einen zweiten Sensor, der den Rückfluss misst. Der rückfließende Diesel vom sehr heißen Motor bringt den Faktor Temperatur ins Spiel, dazu muss die Flussrate aus zwei Sensoren mittels Kalkulation errechnet werden, während bei den Benzinern für die Bestimmung nur das Signal eines Sensors notwendig ist. Das könnte ein Grund sein, warum Audi beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans 2015 während der kühlen Nacht in Performance-Probleme lief.
Faktoren wie Messgenauigkeit und Temperatur in Abhängigkeit vom Kraftstoff waren also zu Beginn durchaus ein Thema. Die FIA hat nun bestimmt, Gill in der Formel 1 bis 2017 als Einheitsausrüster zu nutzen, und einen Kostendeckel eingeführt: Der Sensor darf nicht mehr als 7.500 Euro kosten, und er muss mindestens 400 Stunden Einsatzzeit verkraften. Dazu muss Gill eine Garantie für mindestens 100 Betriebsstunden abgeben, und die Funktionskosten dürfen 2.500 Euro pro 100 Betriebsstunden nicht überschreiten.
Treppeneffekte bei der Messung
In der LMP1-Klasse ist ab 2016 nun auch der neue Fuel-Flow-Meter von Sentronics homologiert - entwickelt von jenen Ingenieuren, die bisher bei Gill gearbeitet hatten und jetzt ein Gegenprojekt lancierten. Sentronics behauptet, dass ihre Sensoren präziser mäßen: "Unser Sensor arbeitet nach Tests mit Mercedes und Ferrari in der Formel 1 mit 2 kHz, denn alle Probleme bei der Messgenauigkeit hatten damit zu tun, dass der bisherige Sensor zu langsam war", erklärt Neville Meech, Technikdirektor bei Sentronics.
Das Problem sind sogenannte Treppeneffekte (Aliasing) bei der Messung: "Wenn die Signale nicht schnell genug erfolgen, verpasst der Sensor die Wechsel beim Kraftstofffluss, wir reden hier von Prozentabweichungen in signifikanter Größe", erklärt Meech. "Je akkurater der Sensor, umso höher die Messgenauigkeit - damit können die Teams näher am erlaubten Maximum für den Kraftstoffdurchfluss operieren."
Weiter erläutert Meech: "Der Industriestandard für Versuche auf Prüfständen liegt bei 100 Hz. Die FIA verlangt für den Fuel-Flow-Sensor 1.000 Hz, also 1.000 Signale pro Sekunde. Der neue Sensor arbeitet mit 2.000 Hz, also 20-mal schneller als der Industriestandard - und das nicht stationär, sondern verbaut in einem Rennauto, wo Hitze und Vibrationen für besonders schwierige Verhältnisse sorgen."
LMP1-Teams haben erstmals die Wahl
"Die höhere Messrate ist gleichbedeutend mit größerer Genauigkeit, damit können die Teams stärker an das vom Reglement gesetzte Limit herangehen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, wegen zu hoher Werte bestraft zu werden", so Meech. Das heißt: mehr Leistung, bessere Rundenzeit. "In der LMP1 töten wir für ein Gramm Kraftstoff" - das sagte mal ein Audi-Ingenieur.
Jetzt haben die Hersteller beim Fuel-Flow-Meter erstmals die Wahl. Alle drei LMP1-Werke haben den neuen Sensor getestet, entweder stationär oder im Fahrbetrieb, und es gilt als offenes Geheimnis, dass Audi einen Wechsel erwägt. Denn je höher der erwähnte Treppeneffekt bei der Messung, desto stärker muss ein Hersteller die maximale Durchflussrate drosseln, um innerhalb der vom Reglement gesetzten Grenzwerte zu bleiben. "Wenn die Durchflussrate nicht bei 100 Prozent liegt, dann ist logischerweise auch die Motorleistung nicht bei 100 Prozent", so Meech.
Eine Punktlandung bei 100 Prozent schafft man freilich nie, denn die Hersteller müssen immer ein Polster für die Toleranz der Messgenauigkeit (± 0,25 %) einrechnen. Aber bei Sentronics glaubt man, dass ihr neuer Sensor die Möglichkeit bietet, statt beispielsweise bisher mit 98,5 % nun mit 99,6 % oder noch höher zu arbeiten, ohne dabei die Gefahr einer Bestrafung zu laufen.
Audi wegen Diesel mit drei Sensoren
Bei diesem Thema gibt es in der Tat zwei Lager im LMP1-Sport: Die Benzinerfraktion fährt mit zwei Fuel-Flow-Metern, der zweite dient aber nur als redundanter Ersatz. Beim Diesel muss dazu der Rückfluss vom Motor gemessen werden, Audi hat also drei Sensoren an Bord, wobei von der Messung des ersten Zufluss-Sensors der Wert des Rückfluss-Sensors abgezogen werden muss. Damit wird die Bestimmung der Flussrate zu einer Kalkulation aus zwei Werten. Wenn dann die Sensoren noch falsche Daten liefern sollten, weitet sich das zu einem exponentiellen Problem aus.
Dazu hat Audi ein Temperaturproblem, denn der rückfließende, nicht verbrannte Diesel vom Motor ist natürlich heiß - angeblich weit über 85 Grad. Daher muss Audi die Sensoren über Luftschnorchel an der Seite kühlen, denn die Messelektronik verkraftet nur Temperaturen bis zu 70 Grad. Damit entsteht ein Delta zwischen realer Kraftstofftemperatur und kompensierter Temperatur, die vom Sensor vorgenommen wird - und an der Temperatur hängt die Dichte und damit die Masse. Diese komplexe Gemengelage könnte Audi dieses Jahr in Le Mans während der kühlen Nacht deutlich behindert haben.
"Monopole sind nie gut"
Bei Audi wird die Genauigkeit und Wiederholpräzision des Gill-Sensors hinter vorgehaltener Hand daher schon länger kritisiert, weshalb Insider davon ausgehen, dass sie 2016 zu Sentronics wechseln. Das freilich kostet eine ordentliche Stange Geld - denn die LMP1-Teams haben mehrere Dutzend Sensoren für viele Hunderttausend Euro angeschafft.
Das ist ein Grund, warum Porsche vermutlich nicht wechseln wird. Bei Toyota begrüßt man die neue Wettbewerbssituation: "Monopole sind nie gut", sagt Technikdirektor Pascal Vasselon. "Nur wenn Wettbewerb herrscht, kommen auch realistische Preise zustande. Daher macht es Sinn, einen zweiten Anbieter zuzulassen." Ob Toyota wechselt, lässt Vasselon noch offen: "Wir werden das beste Paket nehmen, da spielen Service-Aspekte ebenso eine Rolle wie die Randkosten bei der Kalibrierung oder die Anschaffungskosten."
Ausweitung auf andere Klassen?
Sentronics plant in Zukunft, das Geschäftsmodell für Fuel-Flow-Meter auch abseits von Formel 1 und LMP1 weiterzuentwickeln. Hier setzt man auf die FIA, die in Zukunft flächendeckend Luftmengenbegrenzer durch Durchflussmengenbegrenzer ersetzen könnte, um die Motorleistung zu reglementieren. In letzter Konsequenz könnten damit auch bisherige BOP-Maßnahmen, wie zum Beispiel Ballastgewichte, überflüssig werden.
Eine flächendeckende Einführung der Fuel-Flow-Meter ist aber von der FIA noch nicht beschlossen. Trotzdem hat Sentronics bereits drei unterschiedliche Sets von Durchflussmengenbegrenzern für unterschiedliche Rennserien konzipiert, beispielsweise für einen Einsatz in der Formel 3 als Ersatz für Air-Restriktoren.
"Wenn andere Serien diese Technologie verwenden, wird sie auch billiger", behauptet Meech. "Irgendwann ist der Fuel-Flow-Meter so etwas wie ein Benzinfiltereinsatz, mit geringen Kosten und niedrigem Wartungsaufwand. Die Serienbetreiber bekommen die Daten und können sofort Wettbewerbsanpassungen vornehmen. Bei niederen Rennklassen müsste die bisher teure Kalibrierung auch nicht mehr von einer externen Firma vorgenommen werden."
Die FIA teilt diesen Zukunftsoptimismus noch nicht, Technikdirektor Bernard Niclot bleibt vorsichtig: "Wenn sich daraus mal eine Plug-and-Play-Technologie entwickelt, die man einfach ins Auto montiert, und alles läuft quasi von selber, dann ist ein flächendeckender Einsatz theoretisch denkbar. Aber erst müssen die Sensoren anwendungsfreundlicher werden. Die Regelkonformität eines Luftmengenbegrenzers ist einfach zu überprüfen - bei Fuel-Flow-Metern und deren Daten ist das viel aufwendiger. Dazu kann man Serien mit Wettbewerb wie LMP1 nicht mit Kundensport wie GT3 oder Formel 3 vergleichen."
Das größte Problem bleibt der Kontrollaufwand: "Alle Daten müssen interpretiert werden", so Niclot. "Handelt es sich bei einer Durchfluss-Spitze um eine Anomalie oder um einen Regelverstoß? Dafür braucht man Ingenieure, und das ist teuer." Das kleine Bauteil Fuel-Flow-Meter könnte also auch in Zukunft noch für große Diskussionen sorgen.