BMW 3er Cabrio im Test
Das neue BMW 323 Ci Cabrio nimmt den Zweiflern und Nörglern, aber auch den Romantikern den Wind aus den Segeln. Seine Perfektion lenkt selbst den Luftzug in geordnete Bahnen.
Man kann es drehen und wenden, wie man will - das neue BMW 3er Cabrio kleidet sich mit einer Eleganz, die haarscharf an der Langeweile makelloser Ausgewogenheit vorbeischrammt. Kein Detail, das nicht bedacht worden wäre, kein Misston, der die Harmonie der klaren, klassischen Linien störte. Die beautiful people werden es lieben, weil es jung, dynamisch und lässig, aber niemals nachlässig daherkommt.
Wenigstens bei den Farben dürfen die Kunden gegen die allgegenwärtige Perfektion aufbegehren. Schon im Prospekt macht ein Puzzle aus Lack-, Verdeck-, Polster- und Dekorvarianten die individuelle Wahl zur Qual, bei der selbst die Designer bisweilen überfordert zu sein scheinen. Das beigefarbene Interieur des Testwagens mit Ton in Ton lackierten Plastikblenden zeigt jedenfalls mehr Geschmäckle als Geschmack - von funktionalen Nachteilen wie Schmutzempfindlichkeit und Spiegelungen in der Frontscheibe einmal abgesehen. Über solche Erwägungen setzt sich der offene BMW 3er mit einer Leichtigkeit des Seins hinweg, die schwer erarbeitet wurde. Wie der Vorgänger basiert das Cabrio auf dem steiferen Coupé, mit dem es neben der Frontpartie die ausgeglichene Achslastverteilung gemeinsam hat. Für zusätzliche Stabilität sorgen Verstärkungen in der Bodengruppe und am Rahmen der Windschutzscheibe, die bei einem drohenden Salto zusammen mit den automatisch hervorschnellenden Überrollbügeln genügend Überlebensraum sichern sollen. Dass der offene BMW 3er seine Fürsorgepflicht sehr ernst nimmt, zeigt die umfangreiche Sicherheitsausstattung. Vier Airbags und Kopfstützen sowie ABS und Traktionskontrolle sind ebenso serienmäßig wie Vordersitze mit integrierten Sicherheitsgurten, die den Anlegekomfort verbessern und die Fondpassagiere nicht beim Ein- oder Aussteigen behindern. Völlig unverständlich erscheint jedoch, dass bei einem Auto in dieser Preisklasse für das elektronische Stabilitätsprogramm noch Aufpreis gezahlt werden muss, genauso wie für das automatische Verdeck, Radio oder Multifunktionslenkrad. Dabei bringt er schon ohne die üblichen Schmankerl dieser Klasse 100 Kilogramm mehr auf die Waage als das Coupé. Allein die elektrisch verstellbaren Vordersitze steuern rund 30 Kilogramm bei. Außerdem sollen Schwingungstilger in Form von Gewichten jenes Restzittern mindern, das selbst umfangreiche Verstärkungen nicht ganz beseitigen können. Rund 30 Prozent mehr Torsionssteifigkeit als bisher verspricht BMW, was angesichts der Ruhe auch auf schlechten Wegstrecken durchaus glaubwürdig wirkt. Es gibt kein Ächzen und kein Knistern, aber ganz so steif wie der CLK ist der BMW 3er nicht. Vor allem auf Querfugen erscheint die Karosserie spürbar biegefreudiger, was möglicherweise auch mit der niedrigeren Gürtellinie des BMW zu tun hat.
Sie sorgt andererseits für intensive Frischluftzufuhr und bessere Rundumsicht, selbst wenn das gefütterte Stoffverdeck mit der nun heizbaren und aus Glas gefertigten Heckscheibe geschlossen ist. Seine wirksame Schall- und Wärmeisolierung macht den offenen BMW 3er zum Allwetter-Auto, und dank sauberer Verarbeitung, tadelloser Passform und hoher Spannkraft bleiben die Windgeräusche erstaunlich niedrig. Erst ab 100 km/h registrierten die Messgeräte einen leichten Schalldruckanstieg gegenüber dem Coupé. Größere Zugeständnisse erfordert das Cabrio hingegen beim Kofferraum, denn auch der variable Staukasten für das Dach erweitert das Ladevolumen nur von 260 auf 300 Liter. Dafür lässt sich die Hülle selbst ohne elektrische Unterstützung leicht öffnen. Per Tastendruck auf der Mittelkonsole werden die Seitenfenster ein Stück gesenkt und das Verdeck hinten entriegelt, was vorne mittels Drehgriff am Scheibenrahmen erfolgt. Dann hebt man es hinten an, bis die stabile Abdeckung hochklappt und den Staukasten freigibt, wo es in wenigen Sekunden zusammengefaltet liegt. Ganz überzeugend funktioniert der Mechanismus allerdings nicht, denn die elektrische Zuziehhilfe arretierte und öffnete den Deckel nicht immer zuverlässig. Dafür ist das Cabrio so wandlungsfähig wie die Laune seiner Insassen. Bei völliger Offenheit kommen auch stürmische Gesellen auf ihre Kosten, seitlich von Glas umgeben reduziert sich der Luftzug auf gemäßigte Turbulenzen, und mit dem optionalen Windschott, das den BMW allerdings zum Zweisitzer macht, wird kaum ein Härchen gekrümmt.
Dabei sind auch die ausgeformten Fondsitze - trotz etwas geringerer Innenbreite und Beinfreiheit als im Coupé - durchaus einladend und komfortabel. Überhaupt der Komfort: Er leidet nicht unter der Hypothek des hohen Gewichts, sondern profitiert sogar von den zusätzlichen Pfunden. Federung und Dämpfung halten schlechte Straßen weitgehend fern von Insassen und Karosserie, und die serienmäßige Fahrwerksabstimmung überzeugt als gelungener Kompromiss aus Geschmeidigkeit und agilem Handling. Auch die Servolenkung arbeitet mit jener Präzision, die man von einem BMW erwartet: sehr direkt im Ansprechen, aber zugleich leichtgängig und gefühlvoll. Dank seinem neutralen Eigenlenkverhalten und dem unbeirrbaren Geradeauslauf eignet sich das Cabrio sowohl für entspanntes Cruising wie für den flotten Galopp über kurvenreiche Landstraßen. Natürlich lässt sich der Hecktriebler mit Mutwillen zum Übersteuern bringen, doch im Grenzbereich greifen Antriebsschlupfregelung und Stabilitätskontrolle mäßigend ein. Effektive und standfeste Scheibenbremsen runden die dynamischen Qualitäten ab. Vom zunächst einzig lieferbaren Motor lässt sich das nicht ohne Einschränkungen behaupten. Trotz 170 PS und 245 Nm Drehmoment wirkt der 2,5-Liter-Reihensechszylinder nicht sonderlich antritts- oder durchzugsstark, obwohl er seit seinem Einsatz im ersten BMW 3er Cabrio immer wieder optimiert wurde. Aber schließlich hat er heute 300 Kilogramm mehr auf Trab zu bringen, und dafür sind seine Fahrleistungen und der Testverbrauch (10,5 statt 11,8 Liter/ 100 km) durchaus beachtlich. In Laufkultur und Drehfreude ist er ohnehin erste Sahne, und dank seinem exzellenten Fünfganggetriebe nutzt man die Reserven gerne aus. Mehr Biss und Sound verspricht der schon bald folgende Dreiliter (siehe Fahrbericht Seite 82), doch selbst der kann aus dem neuen BMW keinen Sportwagen machen. Er muss es auch nicht, denn das Cabrio ist gebaut für die unschuldige Freude am Dahingleiten. Insofern bleibt also alles beim Alten. Das ist das Ernüchternde an dieser schönsten, weil offensten Form des BMW 3ers, gleichzeitig aber auch das Erfreuliche.