BMW 650i Cabrio gegen Jaguar XK 4.2 V8 Cabrio und Mercedes SL 500
Während der Frühling sich noch bitten lässt, stehen die
passenden Wegbegleiter für die luftige Jahreszeit schon in den
Startlöchern: Mit dem BMW 650i, dem Jaguar XK 4.2 und dem Mercedes
SL 500 buhlen drei neue V8-Cabriolets um Zuneigung.
Wäre da nicht das bislang reichlich fragwürdige Wetter, gäbe es am Auftakt des Jahres 2006 wenig zu meckern. Die deutsche Wirtschaft scheint das tiefste Tal durchschritten zu haben, im Streit zwischen der Gewerkschaft Verdi und den öffentlichen Arbeitgebern hat nach wochenlangem Tauziehen schlussendlich doch die Vernunft gesiegt, und in der europäischen Automobilindustrie stehen die Zeichen ebenfalls auf Frühling: Mit BMW, Jaguar und Mercedes stellen gleich drei Premium-Hersteller ihre neuen Kreationen für die Open-Air-Saison vor.
Schwerer Stand des Briten gegen deutsche Muskelprotze
V8-Motoren gehören hier wie da zum guten Ton. Allerdings hat der einzige Ausländer des Terzetts, der dem amerikanischen Ford-Konzern angehörende Brite des traditionsreichen Herstellers Jaguar, schon auf dem Papier einen schweren Stand. Während die Zeichen jenseits des Ärmelkanals auf Abrüstung stehen, ist hier zu Lande nämlich nach wie vor ungehemmte Zügellosigkeit in Sachen Leistung angesagt. Und so bekommt es denn der optisch deutlich kräftiger, aber nicht schwerer gewordene Brite mit zwei innerlich mächtig erstarkten Deutschen zu tun.
Kritische Zeitgenossen mögen den vorliegenden Vergleich daher als ungerecht empfinden, was er im Grunde jedoch nicht ist. Schließlich spielen die Achtzylinder-Cabriolets sowohl vom Konzept als auch vom Preis her prinzipiell in derselben Liga. Alle treten mit mehr oder minder voluminösen Saugmotoren an und übertragen die Kraft mittels eines Wandlergetriebes an die Hinterräder. Deutlich unter 85.000 Euro ist der gehobene Frischluftgenuss bei keinem der Hersteller zu haben. Wobei der mit gerade einmal 298 PS und 4,2 Liter Hubraum vergleichsweise bescheiden auftretende Brite nicht – wie vielleicht zu vermuten gewesen wäre – der günstigste Luxusliner ist. Ohne Extras gerät der Einstieg ins noble Open-Air-Vergnügen bei BMW billiger: Trotz seines mit 367 PS beachtlich gut im Futter stehenden 4,8-Liter-Motors ist der mit der irreführenden Typenbezeichnung 650i versehene Bayer bereits ab 83.200 Euro zu haben. Der Jaguar bleibt mit 89.500 Euro Grundpreis gleichfalls noch knapp unter der 90.000er-Grenze.
Der SL 500 reißt die 100.000er-Marke
DaimlerChrysler kannte bei der Preiskalkulation des nunmehr mit 388 Pferdestärken angreifenden SL 500 hingegen keine Scham: Mit 102.544 Euro Grundpreis kostet der Mercedes fast 20.000 Scheine mehr als der BMW. Da sage den Schwaben noch einer Sparsamkeit nach. Dieser Vorwurf wäre im Hinblick auf den einzigen Zweisitzer des Tests auch gar nicht haltbar gewesen. Schließlich haben die Ingenieure dem SL der neuesten Generation allerlei technischen Feinschliff mit auf den nunmehr noch eiligeren Weg gegeben. So zeichnet jetzt auch in den großen Roadstern mit V6- und V8-Motoren serienmäßig die andernorts bereits hoch gelobte Siebengang-Automatik für das Sortieren der Fahrstufen verantwortlich. Auf Wunsch und gegen Aufpreis gibt es diese auch als 7G-Tronic Sport. Dann erledigt das Wandlergetriebe die Schaltarbeit im manuellen Modus noch schneller. Zudem lassen sich die Gänge in diesem Fall mit Hilfe von Schaltpaddeln am Lenkrad wechseln. Tatsächlich ist die Arbeitsweise der mit diesem Extra versehenen Siebengang-Box des Testwagens dazu angetan, Begeisterungsstürme auszulösen und selbst hart gesottene Handwerker von den Segnungen der automatisierten Getriebetechnik zu überzeugen. So verschliffen, elegant und zeitgerecht wie der Mercedes-Automat vermag kaum ein Pilot die Gänge zu sortieren. Spürbare Schaltrucke und Unterbrechungen des Kraftschlusses gehören damit der Vergangenheit an.
Dem selbst gestellten sportlicheren Anspruch wird auch das ABC-Fahrwerk der zweiten Generation gerecht. Ohne spürbare Komforteinbußen im Alltag lässt der modifizierte Unterbau den Roadster deutlich agiler wirken. Ein Eindruck, der von der direkter übersetzten Lenkung noch unterstrichen wird. All das führt im Verbund mit dem zur Gänze überzeugenden 5,5-Liter-Saugmotor – auch beim SL 500 sagt das Typenschild also nur die halbe Wahrheit – zu völlig neuen Fahreindrücken und letztlich auch zu einer Verschiebung im bislang durchaus allgemein gültigen Machtgefüge zwischen Stuttgart und München. Die Formel: Dem einen der Komfort, dem anderen die Sportlichkeit, geht so nicht länger auf. Dass ein BMW einen Mercedes ziehen lassen muss, ist im sport auto-Vergleichstest ein Novum und zeigt, wie stark die Untertürkheimer in sportlicher Hinsicht aufgeholt haben. Allerdings verdankt der SL seinen gegenüber dem 650i insgesamt handlicheren und agileren Eindruck letztlich auch der nüchternen Tatsache, dass er schlicht 60 Kilo weniger Gewicht mit sich herumschleppt. Dies und seine elf zusätzlichen Pferdestärken bescheren ihm zudem einen zusätzlichen Punkt in der sport auto-Wertung im Bereich Leistungsgewicht.
Dass 1.910 Kilogramm auch in der Cabrio-Oberklasse nicht die Untergrenze markieren müssen, beweist der Jaguar. Zwar erscheinen die vom Werk anlässlich der ersten Fahrpräsentation genannten 1.635 Kilogramm für den von einem elektrisch operierenden Softtop behüteten XK im Rückblick reichlich optimistisch. Dennoch presst die britische Raubkatze den Waagebalken dank ihres Aluminiumchassis deutlich weniger nach unten als die Konkurrenz. Mehr noch: Mit 1.776 Kilogramm Lebendgewicht ist der Jag voll getankt fast vier Zentner leichter als sein bayrischer Konkurrent – das kann sich sehen lassen. Unterm Strich kann der XK dennoch nicht mithalten. Um die erhebliche Minderleistung von 69 PS gegenüber dem BMW und 90 Pferdestärken gegenüber dem Mercedes kompensieren zu können, müsste er – um bei gegebener Potenz bestehen zu können – noch mehr abspecken. Und das erscheint in Anbetracht des gebotenen Komforts dann doch unmöglich. Schließlich hat der mit einem Listenpreis von 97.910 Euro geführte Testwagen alles an Bord, was das Autofahrer-Leben schön und einfach macht. 20 Zoll große Räder etwa, ein gut funktionierendes Keyless-Entry-System und ein beheizbares Lenkrad, um nur einige Ausstattungs-Items zu nennen. Dem komfortablen Cruisen steht also nichts im Weg. Hier passt auch die immer noch etwas leichtgängige Lenkung ins Bild, die man sich bei sportlich-forscher Fortbewegungsweise doch eine Spur direkter wünschen würde. Dennoch: Unterm Strich ist auch dem Jaguar deutlich anzumerken, wie viel Aufmerksamkeit ihm von Seiten der britischen Ingenieure zuteil wurde. Die Ergonomie und das Raumangebot im Innenraum wurden gegenüber dem Vorgängermodell klar verbessert. Gleiches gilt für die Bremse, die sich diesmal von Beginn an standfest gibt, ohne freilich zur Gänze auf dem Niveau der Konkurrenz zu operieren. Zudem wirken die hinter den mächtigen Rädern klein erscheinenden 326-Millimeter-Scheiben mit den billig wirkenden Abschirmblechen dahinter nicht wirklich standesgemäß.
Warum aber liegt der mit einem gutmütig abgestimmten Fahrwerk versehene und daher nahezu stressfrei zu bewegende Jag in der abschließenden sport auto-Wertung so klar hinten? Die Antwort ist einfach: Ihm fehlt es schlicht an Kraft. Überall dort, wo direkt oder indirekt die Leistung zählt, hat das gediegene Brit-Car das Nachsehen – beim Leistungsgewicht, beim Preis/Leistungsverhältnis, bei der Beschleunigung und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bei der Rundenzeit. Letztere ließ sich aufgrund ungünstiger Witterungsverhältnisse und des zum Testzeitpunkt in Hockenheim dräuenden DTM-Laufs leider nicht abschließend ermitteln. Die erste Umrundung des Kleinen Kurses bei einsetzendem Regen lässt jedoch vermuten, dass der im Vergleich zur Konkurrenz eher gediegen-kommod denn sportlich wirkende und zudem ellenlang übersetzte Brite auch bei Idealbedingungen eine Zeit von 1.20 Minuten kaum unterschreiten würde. Damit würde sich der XK rund eine, beziehungsweise zwei Sekunden hinter dem BMW 650i Cabrio und dem Mercedes SL 500 einreihen – was letztlich auch den Machtverhältnissen unter den vorderen Motorhauben entspricht. Leistungsseitig wäre der im Herbst debütierende, voraussichtlich rund 400 PS starke XKR mit Kompressoraufladung wohl der geeignetere Counterpart für die deutsche Saugmotor-Elite. Und wie ist die Vorstellung des BMW einzuordnen? Irgendwie hätte man sich, insbesondere nach der ersten Konktaktaufnahme mit dem überaus potenten, handgeschalteten Coupé, das seit Kurzem den sport auto-Dauertest-Fuhrpark komplettiert, streng genommen etwas mehr versprochen. Ohne festes Dach und mit Automatikgetriebe wirkt der Bayer dagegen fast ein wenig kastriert. Letztlich erklärt jedoch der Blick auf die Waage, warum das Sechser-Cabrio im Vergleich zum SL so träge wirkt. Mit seiner dichten Nähe zu den Ergebnissen des Mercedes und dem fast schon als Kampfansage zu verstehenden Einstiegspreis von 83.200 Euro hätte der Bayer jedoch gut und gern zum Geheimtipp der offenen Upper Class avancieren können. Zumal er über für Kinder vergleichsweise gut nutzbare Rücksitze und ausreichend Platz im Gepäckraum verfügt und damit auch gegenüber dem gleichfalls 2+2-sitzigen Jaguar Pluspunkte in Sachen Alltagsnutzen sammelt. Der für den Testwagen anzusetzende Preis von stolzen 103.967 Euro steht dem jedoch entgegen. SL-Fahrer kriegen dagegen von Haus aus nur ihren Co-Piloten mit. Dieser darf sich dann aber auch ohne Dach perfekt behütet fühlen. Wind und Wetter kommen im Mercedes kaum zum Zug. Und für Golfbags, Beautycase und Schmuckkästchen ist auf Wunsch ebenfalls Platz. In Anbetracht des hohen Einstiegspreises und der atemberaubenden, für den Testwagen zu kalkulierenden Summe von 117.873 Euro sicherlich kein schlechter Schachzug.