BMW M5 (2000) im Test
Mit dem M5 hat BMW einen weiteren Superlativ auf die Räder gestellt. In der nur leicht modifizierten Fünfer-Hülle arbeitet ein Fünfliter-V8 mit 400 PS.
Der Countdown läuft. Nach dem Einschalten der Zündung leuchten orangefarbene Balken auf der Drehzahlmesserskala. Sie beginnen bei 4.000 U/min und warnen davor, dem kalten Motor zuviel zuzumuten. Mit der Erwärmung des Kühlwassers verschwinden die Felder sukzessive – bis nur noch eines ab 6500/min sowie die rote Verbotszone bei der Maximaldrehzahl von 7.000 U/min übrigbleiben. Start frei für acht Zylinder, fünf Liter Hubraum, 400 PS und ein Drehmoment von 500 Newtonmetern.
Bei den Beschleunigungsmessungen in Hockenheim, die mit deaktivierter Antriebsschlupfregelung durchgeführt werden, ist ein sensibler Gasfuß gefragt, um die Antriebsräder nicht zu stark durchdrehen zu lassen. Die Traktion der breiten Reifenwalzen auf der Hinterachse ist zwar beachtlich, aber natürlich reicht der Dampf des großen Achtzylindermotors aus, um fette schwarze Striche auf den Asphalt zu malen. Der M5 schießt davon, wie von einer Riesenfaust geschoben. Das eng gestufte Sechsganggetriebe, das sich BMWtypisch leicht und exakt betätigen läßt, ergibt perfekte Übergänge nach dem Schaltvorgang. Der Motor dreht ohne ein Zeichen von Anstrengung hoch. Die Fahrleistungen sprechen für sich, wenngleich die Werksangabe von 5,3 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h nicht ganz erreicht wird. Der Drehzahlbegrenzer setzt im Testwagen ein Spur zu früh ein, was das Schalten in den dritten Gang bei knapp unter 100 km/h notwendig macht. Bei korrekt erreichbaren 7.000 U/min würde die zweite Fahrstufe bis über 100 km/h reichen.
Besonders eindrucksvoll ist die Kraft des Achtzylinders auf der Autobahn. Die Beschleunigung unter Vollast hat etwas von der Urgewalt einer startenden Boeing 747. Das tiefe Grollen des Motors bleibt über den ganzen Drehzahlbereich nahezu konstant, die Leistungsentfaltung ähnelt in ihrer Gleichmäßigkeit der einer Turbine. Schon bei 1500 Umdrehungen legt sich der V8 gewaltig ins Zeug, und darüber entwickelt er einen Schub, der scheinbar nicht enden will. Noch weit oberhalb von 200 km/h legt der M5 so kraftvoll zu, daß der Druck in den Rückenlehnen spürbar wird. Die 250 km/h, bei denen auch dieser stärkste Serien- BMW aller Zeiten abgeregelt wird, sind im Handumdrehen erreicht. Ohne Begrenzer wäre mit 400 PS eine bei 300 km/h liegende Höchstgeschwindigkeit möglich. Soviel Leistung läßt sich nicht mit Mini-Verbrauch realisieren.
Wie bei allen starken Motoren ist die mögliche Verbrauchsspanne auch beim M5- Triebwerk groß. Wer zurückhaltend fährt, kann mit weniger als zwölf Liter/100 Kilometer auskommen. Forciertes Fahren treibt den Verbrauch auf über 20 Liter. Im Testmittel ergeben sich 14,8 Liter, absolut gesehen nicht wenig, aber in Anbetracht der Potenz angemessen. Schließlich ist der M5 mehr als sechsmal so stark wie der neue Drei-Liter- Lupo von VW. Auch unter Umweltgesichtspunkten steht der BMW nicht schlecht da. Die Schadstoff- Emission beträgt bei den Kohlenwasserstoffen 44 Prozent des D4-Grenzwerts, bei den Stickoxiden sind es 46, beim Kohlenmonoxid 39 Prozent.
Es ist ein sehr aufwendiges Stück Technik, das unter der Motorhaube des M5 dafür sorgt, daß unter allen Umständen weit mehr Leistung zur Verfügung steht, als auf der Straße vernünftigerweise genutzt werden kann. Von den bekannten BMWAchtzylindern unterscheidet sich die neue M-Maschine nicht nur durch den größeren Hubraum, der mit erweiterter Bohrung und einer Kurbelwelle mit längerem Hub realisiert wurde. Dazu kommen Nockenwellenverstellung auf der Ein- und auf der Auslaßseite (Doppel- Vanos) sowie ein aufwendiges Ansaugsystem, bei dem für jeden Zylinder eine eigene Drosselklappe vorgesehen ist. Im Gegensatz zum Sechszylinder des M3 werden diese nicht rein mechanisch über ein Gestänge, sondern, elektronisch gesteuert, von einem Stellmotor zwischen den Zylinderreihen betätigt.
Das sorgt für eine Leichtgängigkeit des Gaspedals, die mit mechanischer Übertragung nicht zu realisieren gewesen wäre. Außerdem erlaubt das EGas zwei verschiedene Kennlinien, die der Fahrer mit einem Schalter auf der Mittelkonsole anwählen kann. In Stellung „Sport“ öffnen sich die Drosselklappen schneller und progressiver. Das führt zu einem fast schon giftigen Ansprechen des Motors und ist bei sportlicher Fahrweise geeignet, das Vergnügen an der Kraftentfaltung noch zu steigern. Bei langsamer Fahrt und im Stop-and-go-Betrieb ist die Normalposition besser, weil sich damit eine leichte Ruckelneigung beim Gaswegnehmen im unteren Drehzahlbereich besser kaschieren läßt.
Der kleine Schalter dient nicht nur der Drosselklappen-Steuerung, er ändert auch die Kennlinie der Lenk-Servotronic. Sport bedeutet dabei geringfügig erhöhte Einlenk- und Haltekräfte in Kurven, sorgt dafür aber für einen noch besseren Kontakt zur Fahrbahn. In der regulären Stellung, die auch nach jedem Neustart aktiviert wird, arbeitet die Lenkung spürbar leichtgängiger, aber immer noch mit beispielhafter Präzision. Daß der M5 ein hervorragendes Handling zeigt, braucht bei einem BMW eigentlich nicht betont zu werden – schon gar nicht bei einem aus der MFamilie. Die Fahreigenschaften stellen sogar einen neuen Höhepunkt dar.
Der M5 vermag bei nahezu vollkommen neutralem Eigenlenkverhalten extrem hohe Kurvengeschwindigkeiten zu erreichen und bleibt schon deswegen gut beherrschbar, weil er als erstes M-Modell eine elektronische Fahrdynamikregelung besitzt. Die entschärft Situationen, die kritisch zu werden drohen, durch gezielten Bremseneingriff sehr wirkungsvoll, wobei sie für den Geschmack des sportlichen Piloten allerdings reichlich früh und mit hartem Nachdruck zupackt. Generell ist eine solche Elektronik aber auch in einem so fahrerbetonten Auto keineswegs fehl am Platz. Fahrkünstler, die darob verächtlich die Nase rümpfen, lassen sich schnell eines Besseren belehren, wenn sie dem M5 einmal bei ausgeschalteter Regelung auf nasser Straße die Sporen gegeben haben. Sehr guter Geradeauslauf und mächtig zupackende, absolut standfeste Bremsen ergänzen das Bild einer überdurchschnittlich hohen aktiven Fahrsicherheit.
Dabei ist der M5 keineswegs einseitig auf Sportlichkeit getrimmt, sondern hat –mehr als jedes bisherige Modell der M GmbH – auch das Zeug zum komfortablen Reisewagen. Den vielfach gelobten Qualitäten des Fünfer-Fahrwerks mit seinen durch intensiven Aluminiumeinsatz geringen ungefederten Massen können auch eine straffe Abstimmung und 18 Zoll-Räder mit Extrembereifung nichts anhaben. Eine ausgewogene Federung, die auf schlechten Straßen die Insassen nicht unziemlich beutelt, bleibt immer noch erhalten. 140 000 Mark kostet das Ganze, nicht zuviel angesichts der Qualitäten des M5, aber immerhin geeignet, um der Verbreitung des 400 PS-Boliden enge Grenzen zu setzen. Damit dürfen sich alle trösten, die es für vollkommen überflüssig halten, daß die deutsche Autoindustrie mit solchen Produkten ihre Spitzenstellung dokumentiert.