Chrysler Grand Voyager 2.8 CRD im Test
Aus dem Urvater der Minivans ist ein Maxi-Transporter geworden. Der Chrysler Grand Voyager kann bis zu sieben Personen befördern. Im Test die Version mit Turbodiesel.
Wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer. Das Urheberrecht für die altgediente Klasse der Minivans beansprucht Chrysler für sich. Für den US-Konzern mit der wechselhaften Geschichte ist der Voyager, der in seinem Heimatland Town & Country heißt, eine Erfolgsgeschichte. Sie soll sich mit der jüngsten Auflage fortsetzen, wenngleich die anhaltende Welle der SUV-Modelle kräftig am Segment der Großraumlimousinen knabbert.
Nachdem wir jahrzehntelang Minivans gesehen haben, schrumpft eben der Aha-Effekt des Neuartigen. Wie beim Voyager. Auch die Chrysler-Designer, die zu den kreativsten der US-Szene gerechnet werden, haben mit dem neuen Modell keinen Paukenschlag geschafft. Kasten bleibt Kasten – dass der neue Voyager moderner und glattflächiger geworden ist und dass er eine stärker betonte Motorhaube vor sich her trägt, fällt nur Eingeweihten auf Anhieb auf. Speziell als Grand Voyager mit langem Radstand wie beim Testwagen zeigt er immerhin deutlich, dass man es in den USA immer noch gern eine Nummer größer mag. Fünf Meter langer Transporter mit Stow’n’Go
Mit über fünf Meter Länge steht hier ein gewaltiges Automobil, das exzellente Transport- Fähigkeiten verspricht. Tatsächlich können bis zu sieben Personen im Innenraum Platz nehmen. Aber einen Sitzkomfort, der diesen Namen verdient, genießen nur Fahrer und Beifahrer. Schon die beiden Sitze der zweiten Reihe erinnern an die Stühlchen, auf denen Airline-Stewardessen bei Start und Landung Platz nehmen. Auch die Bank ganz hinten verdient allenfalls das Prädikat brauchbar.
Dass keine üppigen Fauteuils installiert sind, liegt am Stow’n Go-System (Verstauen und Losfahren). Das ist eine geniale Sache, wenn der Voyager oft als Transporter gebraucht wird. Die dritte Sitzbank verschwindet auf Knopfdruck im Wagenboden, die Mittelsitze lassen sich mit wenigen Handgriffen ebenfalls komplett versenken. So hat man Platz für einen mittleren Hausrat, spart sich aber das übliche Ausbauen der Sitze und deren Platz fressende Auslagerung in der Garage.
Fake-Holz, aber viele praktische Ablagen Mit reichlich Fake-Holz und Chromblenden wirkt der Innenraum des Grand Voyager auf den ersten Blick nobel. Aber schon der zweite enthüllt, dass der amerikanische Ur-Trieb, nichts besser zu machen als unbedingt nötig, die Oberhand gewonnen hat. Für ein Auto, das über 40.000 Euro kostet, ist die Anhäufung von billigstem Hartplastik bemerkenswert, und auch die wie ein Lämmerschwanz wackelnde Mittelkonsole dient nicht der Anmutung von hochwertiger Qualität. Immerhin macht die Karosseriestruktur einen soliden und steifen Eindruck, die Ausstattung lässt keine Wünsche offen. Viele praktische Ablagen gilt es positiv zu erwähnen, auch die ebenso unauffällig wie wirksam arbeitende Klima-Automatik. Die seitlichen Schiebetüren öffnen und schließen sich auf Wunsch elektrisch, können aber auch von Hand bewegt werden, was schneller geht und wenig Kraftaufwand erfordert. Weil offensichtlich viel getan wurde, um den täglichen Umgang mit dem Voyager zu erleichtern, fragt man sich beim Tanken allerdings frustriert, warum zum Öffnen der Tankklappe ein Extra-Schlüssel notwendig ist wie in der Steinzeit des Automobils. Starten wir. Motor: Rau und nagelnd Unter der Haube wird der klassische Diesel-Song angestimmt, rau und nagelnd, solange der Motor noch kalt ist. Denn hier sitzt ein großvolumiger und extrem langhubiger Vierzylinder, der auf einer Konstruktion von VM Motori basiert, als zuverlässiger und langlebiger Geselle gilt und in dieser Form beispielsweise auch im Jeep Wrangler zu finden ist. Im Grand Voyager hat der schon bei 3.800 Umdrehungen seine Maximalleistung entwickelnde Vierventiler kein so schönes Leben wie in dem relativ leichten Geländewagen.
Der Voyager lässt die Nadel der Waage schon bis 2,2 Tonnen ausschlagen, bevor überhaupt der Fahrer eingestiegen ist. Zusätzlich kämpft der Motor mit einer Sechsgang- Automatik, die zwar sanft schaltet, aber nur träge auf Gaspedalbefehle reagiert und zudem bemüht ist, möglichst viele Pferdestärken per Wandlerschlupf im Ölbad zu ertränken. Ruhe, das wird schnell klar, ist hier die erste Bürgerpflicht. Der Voyager setzt sich gemächlich in Bewegung und braucht über 13 Sekunden, um die 100- km/h-Marke zu knacken.
Von Temperament kann keine Rede sein
Von Temperament kann also keine Rede sein – erst auf der Autobahn wird die Laune besser. Das Motorgeräusch tritt in den Hintergrund, nach langem Anlauf arbeitet sich der Chrysler bis auf 185 km/h. Was aber schon deswegen kein Vergnügen ist, weil das schwergängige und langhubige Gaspedal bei Vollgas den rechten Fuß ermüdet. Also besser den Tempomaten auf 160 km/h stellen und eine ruhige Reise genießen.
Das tut auch dem Verbrauch gut. Denn bei diesem Gewicht, großer Stirnfläche und einem höchst durchschnittlichen cW-Wert von 0,35 darf man auch von einem Dieselmotor keine wirkliche Sparsamkeit erwarten. Der Voyager präsentiert sich als Cruiser klassischer US-Provenienz. Größter Schwachpunkt des Vans ist die Bremsanlage. Die Bremsen verzögern generell viel zu schwach auf einem Niveau, das nicht mehr zeitgemäß ist – in der Wertung führt dieser Mangel zu einem Abzug. Kurven bewältigt er zwar problemlos und sicher, aber er mag sie eigentlich nicht.
Frühes Untersteuern und kreischende Reifen prägen das Bild eines schwerfälligen Riesen, dessen Fahrer von der wenig exakten Lenkung nur das Nötigste mitgeteilt bekommt. Auf der Habenseite steht dafür eine schluckfreudige Federung, von der die gesamte Besatzung etwas hat. Sie ist weich abgestimmt, was die Fahrweise ebenfalls beruhigt, weil sonst starke Karosseriebewegungen für Proteste auf den hinteren Plätzen sorgen. So erinnert der Grand Voyager ein bisschen an die alten Zeiten Amerikas, als man selbstbewusst dem „ Bigger is better“ huldigte und bei der Entwicklung von Autos nicht nach den Europäern schielte. Aber hin und wieder ein kurzer Blick – der hätte wirklich nicht geschadet.